Entscheidungsstichwort (Thema)
Wegfall der Wiederholungsgefahr, Kostenentscheidung, Sofortige Beschwerde, Streitwertfestsetzungsbeschluss, Unterlassungsanspruch, Vor Rechtshängigkeit, Kostengrundentscheidung, Streitwertfestsetzungsverfahren, Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts, Bisheriger Sach- und Streitstand, Beschwerdewert, Streitwertbeschwerde, Kosten des Beschwerdeverfahrens, Schriftformerfordernis, Marktverhaltensregelung, Billiges Ermessen, Vertragsstrafeversprechen, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, Wettbewerbsverstoß, Klageänderung
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 25.02.2022; Aktenzeichen 3 HK O 14399/21) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen Ziffer 1. des Beschlusses des Landgerichts München I vom 25.02.2022, Az. 3 HK O 14399/21 wird zurückgewiesen.
2. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Streitwertfestsetzung in Ziffer 2. des genannten Beschlusses wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.
Gründe
I. Von einem Tatbestand wird in entsprechender Anwendung der Vorschriften § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
II. Die zulässige sofortige Beschwerde nach § 269 Abs. 5 Satz 1 ZPO gegen die Kostengrundentscheidung und die zulässige Beschwerde gegen den Streitwertfestsetzungsbeschluss gemäß § 63 Abs. 2 GKG bleiben in der Sache ohne Erfolg.
A. Die sofortige Beschwerde gegen die Kostengrundentscheidung hat keinen Erfolg. Zutreffend hat das Landgericht seine Kostenentscheidung § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO entnommen. Danach sind die Kosten nach billigem Ermessen zu verteilen, wenn der Anlass zur Einreichung der Klage schon vor Rechtshängigkeit weggefallen ist.
I. Der Anlass zur Klageeinreichung ist weggefallen, wenn die Klage zu einem früheren Zeitpunkt zulässig und begründet gewesen wäre und eine dafür erforderliche Voraussetzung später weggefallen ist (BGH NJW 2021, 941 Rn. 18 ff.; Bacher in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 49. Edition, Rn. 14 zu § 269). Darüber hinaus ist erforderlich, dass der Kläger Veranlassung hatte, seinen Anspruch gerichtlich geltend zu machen (Bacher in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 49. Edition, Rn. 15 zu § 269 m.w.N.). Insoweit ist der Gedanke des § 93 ZPO heranzuziehen (Bacher in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 49. Edition, Rn. 16 zu § 269 m.w.N.). Die maßgebliche Änderung muss vor Rechtshängigkeit eingetreten sein. Ist die Änderung nach Rechtshängigkeit eingetreten, kann § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO weder unmittelbar noch analog angewendet werden; in diesem Fall bleibt dem Kläger nur die Erledigterklärung (BGH NJW 2021, 941 Rn. 33; BGH NJW 2014, 3520 Rn. 6; BGH NJW 2004, 223, 224; Bacher in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 49. Edition, Rn. 16 zu § 269).
Bei der Verteilung der Kosten ist nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Insoweit gilt Entsprechendes wie bei einer Kostenentscheidung nach § 91a ZPO (Bacher in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 49. Edition, Rn. 18 zu § 269). Neben der Frage, ob die Klage ursprünglich zulässig und begründet war, ist vor allem von Bedeutung, ob der Beklagte Veranlassung zur Klage gegeben hat. Dies erfordert eine Prognoseentscheidung, für die § 91a ZPO als Entscheidungsparameter die "Billigkeit" und den "bisherigen Sach- und Streitstand" vorgibt.
II. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
1. Die zulässige Klage war ursprünglich begründet, der Kläger konnte von der Beklagten die begehrte Unterlassung verlangen, § 8 Abs. 1 Satz 1, § 8 Abs. 3 Nr. 2, § 3, § 3a UWG i.V.m. Art. 10 Abs. 1 HCVO, Art. 7 Abs. 3, 4 LMIV. Den Verstoß gegen die genannten Marktverhaltensregeln stellt die Beklagte ebenso wenig in Abrede wie die Aktivlegitimation des Klägers. Ohne Erfolg macht sie geltend, die für den eingeklagten Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr sei schon vor Klageerhebung mit Schriftsatz vom 29.10.2021, bei Gericht am selben Tag eingegangen, weggefallen.
a) Der Verletzer kann die durch einen Wettbewerbsverstoß begründete Vermutung der Wiederholungsgefahr grundsätzlich nur dadurch ausräumen, dass er gegenüber dem Gläubiger des Unterlassungsanspruchs eine ernstgemeinte, den Anspruchsgegenstand uneingeschränkt abdeckende und durch ein Vertragsstrafeversprechen angemessen gesicherte Unterlassungsverpflichtungserklärung abgibt.
b) Eine solche Erklärung hat das Landgericht zutreffend nicht gesehen in der am 09.10.2021 (Anlage K 6) nur per Fax an den Kläger übermittelten Unterlassungserklärung der Beklagten vom selben Tag. Hierdurch wurde die Wiederholungsgefahr nicht ausgeräumt.
aa) Zwar trifft zu, dass diese Unterlassungserklärung vom 09.10.2021 nicht formunwirksam ist. Denn das Schriftformerfordernis nach § 780, § 781 BGB (BGHZ 130, 288, 292 - Kurze Verjährungsfrist; BGH GRUR 1998, 953, 954 - Altunterwerfung III) entfällt, wenn der Schuldner - wie hier - Kaufmann ist (§§ 350, 343 HGB). Auch haben sich die Parteien nicht auf eine gewillkürte Schriftform gemäß § 127 BGB geeinigt. Der Kläger hat zwar Schriftform für die Unterlassungserkläru...