Leitsatz (amtlich)
Berufung kann auch durch nicht unterschriebenes Computerfax formwirksam eingelegt werden, wenn der Absender hinreichend sicher daraus hervorgeht.
Verfahrensgang
LG München II (Entscheidung vom 15.07.2003; Aktenzeichen 6 Ns 41 Js 7342/02) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss des Landgerichts München II vom 15.07.2003 aufgehoben.
Gründe
I.
Am 19.03.2003 wurde der Angeklagte mit Urteil des Amtsgerichts Wolfratshausen wegen Betrugs u.a. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Monaten mit Bewährung verurteilt. Hiergegen legte der Angeklagte mit Computerfax vom 26.03.2003, das am selben Tag bei Gericht eingegangen ist, Rechtsmittel ein. Das hierzu beim Empfangsgerät des Amtsgerichts Wolfratshausen ausgedruckte Telefax enthält statt der Wiedergabe einer Unterschrift des Angeklagten den ausdrücklichen Hinweis, dass dieses Schreiben elektronisch erstellt und somit nicht unterschrieben wurde. Mit weiterem Computerfax vom 24.04.2003, das statt einer Unterschrift einen gleichartigen Hinweis enthielt, bezeichnete der Angeklagte sein Rechtsmittel als Berufung. Am 05.05.2003 begründete er diese zu Protokoll der Rechtspflegerin beim Amtsgericht Wolfratshausen unter anderem unter Beifügung eines eigenhändig unterschriebenen Schreibens vom 01.05.2003. Das Protokoll trägt neben der Unterschrift der Rechtspflegerin auch diejenige des Angeklagten. Nach erfolgter Berufungsvorlage übersandte der Angeklagte auf den ihm nach eigenen Angaben am 03.07.2003 zugegangenen Hinweis des Vorsitzenden, wonach die Rechtsmitteleinlegung vom 26.03.2003 wegen fehlender Unterschrift und deshalb nicht eingehaltener Schriftform wohl unzulässig sei, am 15.07.2003 einen Neuausdruck des Rechtsmittelschreibens vom 26.03.2003, das nunmehr seine eigenhändige Unterschrift trägt. Hierauf verwarf das Landgericht mit Beschluss vom selben Tag die Berufung des Angeklagten als unzulässig, weil die nach § 314 Abs. 1 StPO geforderte Schriftform nicht eingehalten sei. Gegen diesen ihm am 17.07.2003 zugestellten Beschluss legte der Angeklagte am 23.07.2003 zu Protokoll der Geschäftsstelle des Landgerichts sofortige Beschwerde ein und beantragte zugleich Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungseinlegungsfrist sowie in die versäumte Wiedereinsetzungsfrist.
II.
Die sofortige Beschwerde ist nach § 322 Abs. 2 StPO statthaft und nach §§ 306 Abs. 1,311 Abs. 2 StPO form- und fristgerecht eingelegt, somit zulässig. Sie hat auch in der Sache vollen Erfolg. Auf die gestellten Wiedereinsetzungsanträge kommt es nicht an.
Das vom Angeklagten gegen das Urteil vom 19.03.2003 am 26.03.2003 eingelegte Rechtsmittel ist auf Grund des weiteren Faxschreibens des Angeklagten vom 24.04.2003 als Berufung zu behandeln und als solche zulässig. Sie entspricht den inhaltlichen Anforderungen an eine Rechtsmitteleinlegung, ist fristgerecht eingegangen und erfüllt insbesondere - entgegen der Auffassung des Landgerichts - auch das Erfordernis der Schriftlichkeit im Sinne des § 314 StPO. Die fehlende Unterschrift auf dem durch das Empfangsgerät des Amtsgerichts Wolfratshausen ausgedruckten Computerfax steht dem nicht entgegen. Zwar hat die Rechtsprechung für bestimmende fristwahrende Schriftsätze, insbesondere zur Rechtsmitteleinlegung grundsätzlich die handschriftliche Unterschriftsleistung des Berechtigten verlangt. Jedoch sind unter Hinweis auf den Sinn und Zweck des Schriftlichkeitserfordernisses im Rahmen des Prozessrechts hiervon auf Grund der technischen Entwicklung der Telekommunikationsmittel in erheblichem Umfang Ausnahmen zugelassen worden. Bestimmender Maßstab hierfür ist, dass Verfahrensvorschriften nicht Selbstzweck sind. Sie dienen letztlich der Wahrung der materiellen Rechte der Prozessbeteiligten, sollen also die einwandfreien Durchführung des Rechtsstreits und die Wahrung der Rechte aller Beteiligten sicherstellen und nicht behindern. Die Schriftlichkeit soll gewährleisten, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können. Außerdem muss feststehen, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist (Beschlüsse des gemeinsamen Senats der Obersten Gerichte des Bundes GmS-OGB, BGH, NJW 1980,172; NJW 2000,2340).
Ausgehend von diesem Beurteilungsmaßstab hat die Rechtsprechung nach und nach Ausnahmen vom prozessrechtlichen Schriftlichkeitserfordernis gemacht und u.a. die Übermittlung einer Rechtsmittelschrift durch Telegramm, Fernschreiben und Telefax für zulässig erklärt (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., Einl. Nr. 139, 139 a). Sämtlichen dieser Übertragungsformen gemeinsam ist, dass die übermittelte Rechtsmittelschrift aus technischen Gründen nicht vom Erklärenden eigenhändig und handschriftlich unterzeichnet werden kann. Bereits im Zusammenhang mit der Beurteilung telegrammübermittelter Rechtsmittelschriften wurde dab...