Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschwerde, Telekommunikation, Kostenfestsetzungsbeschluss, Widerspruch, Kostenfestsetzungsverfahren, Reisekosten, Streitwert, Rechtsmittel, Erstattung, Bundesgebiet, Bank, Einspruch, Zuziehung, RVG, sofortige Beschwerde, Kosten des Rechtsstreits, verfassungsrechtliche Bedenken
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 16.06.2020; Aktenzeichen 26 O 1671/19) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin wird zurückgewiesen.
2. Die sofortige Beschwerde der Beklagten wird verworfen.
3. Von den Kosten der Beschwerdeverfahren tragen die Klägerin 13% und die Beklagte 87%.
4. Der Wert der Beschwerden beträgt (für beide zusammen) EUR 2.661,25.
5. Die Rechtsbeschwerde wird, beschränkt auf die sofortige Beschwerde der Klägerin, zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin verfolgte Ansprüche aus einem beendeten, gewerblichen Leasingvertrag gegenüber der Beklagten als Leasingnehmerin.
Die Klägerin ist eine mit einem bayerischen Automobilkonzern mit Hauptsitz in M. in Verbindung stehende und bundesweit tätige Bank mit Geschäftssitz in München. Mit der Prozessführung hat die Klägerin eine in K. ansässige Kanzlei beauftragt, die sie auch in anderen Fällen mandatiert. Die Beklagte, handelnd unter der Firma "W. e.K.", hatte bei Abschluss des Leasingvertrages ihren Geschäftssitz in Mittelfranken, verlegte diesen jedoch im Laufe der Vertragsbeziehung nach Ungarn.
Die Regelung in Ziffer XVIII. "Allgemeine Bestimmungen" Nr. 2 des Leasingvertrages lautet: "Ist der Leasingnehmer Kaufmann, ist ausschließlicher Gerichtsstand für sämtliche Ansprüche im Zusammenhang mit diesem Leasingvertrag nach Wahl des Leasinggebers M. oder K.. Verlegt der Leasingnehmer nach Vertragsschluss seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort aus dem Inland oder ist sein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthaltsort zum Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bekannt, ist ausschließlicher Gerichtsstand für sämtliche Ansprüche im Zusammenhang mit diesem Leasingvertrag nach Wahl des Leasinggebers M. oder K.."
Den Verhandlungstermin am 05.11.2019 vor dem Landgericht München I nahm für die Klägerin in Untervollmacht ein Rechtsanwalt aus F. wahr. Für die Beklagte war niemand erschienen. Den gegen das Versäumnisurteil eingelegten Einspruch der Beklagten verwarf das Landgericht München I mit Urteil vom 23.12.2019 und erlegte der Beklagten auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits auf. Den Streitwert setzte das Gericht auf EUR 9.702,92 fest.
Mit Schriftsatz vom 12.11. 2019 (vgl. Bl. 109/110 d.A.) beantragte die Klägerin Kostenfestsetzung. In dem geltend gemachten Gesamtbetrag waren konkret für die Terminsvertretung folgende Positionen eingestellt:
- 0,65 Verfahrensgebühr, Terminsvertretung, Verfahrensgebühr § 13 RVG, Nrn. 3401, 3100 VV RVG 362,70 EUR
- 1,2 Terminsgebühr § 13 RVG, Nr. 3104 VV RVG 669,60 EUR
- Post und Telekommunikation Nr. 7001 VV RVG 40,00 EUR.
Die (an die Beklagte selbst adressierte) Kostenrechnung des Unterbevollmächtigten vom 06.11.2019 (Bl. 126) umfasst folgende Positionen:
- Verfahrensgebühr, Terminsvertretung, Verfahrensgebühr § 13 RVG, Nrn. 3401, 3100 VV RVG 0,65 362,70 EUR Reduzierte Terminsgebühr, Nrn. 3105, 3104 VV RVG 0,5 279,00 EUR
- Pauschale für Post und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Zwischensumme netto 661,70 EUR
19% Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV RVG 125,72 EUR
787,42 EUR
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 16.06.2020 (vgl. Bl. 128/130 d.A.) setzte das Landgericht München I die von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten fest, wobei es an Anwaltskosten nur insgesamt EUR 1.097,10 (statt beantragter EUR 1.435,00) berücksichtigte. Die Fahrtkosten der Anwälte aus Köln reduzierte die Rechtspflegerin unter Verweis auf den Senatsbeschluss vom 04.02.2020 - 11 W 1542/19 (JurBüro 20,134) - anstelle der geltend gemachten Kosten für den Unterbevollmächtigten seien nur fiktive Reisekosten des Hauptbevollmächtigten, und zwar Reisekosten bis zur höchstmöglichen Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks, erstattungsfähig (hier: Aying, einfach 33 km). Bei Berücksichtigung der Abwesenheitspauschale von EUR 25,- und fiktiven Reisekosten von EUR 19,80 seien daher pro Termin lediglich EUR 44,80 zu berücksichtigen.
Beide Parteien legten den Kostenfestsetzungsbeschluss Rechtsmittel ein:
Die Klägerin erhob am 13.08.2020 sofortige Beschwerde und rügte ferner die Verletzung rechtlichen Gehörs gemäß § 321a ZPO:
Die seitens der Klägerin geltend gemachten Kosten des Terminsvertreters in Höhe von EUR 382,70 seien gegen die Beklagte festzusetzen.
Nach den von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätzen zum sog. "Hausanwalt" seien auch die höheren Reisekosten des "Rechtsanwalts am dritten Ort" zur Terminswahrnehmung erstattungsfähig: Zwar mögen am Geschäftssitz der Klägerin weitere Kanzleien mit Spezialisierung auf das Bank- und Kapitalmarktrecht ansässig sein; die Kanzlei in Köln werde jedoch nicht nur aufgrund ihrer speziellen Ausrichtung auf das Leasingrecht (einer Untergruppe des Bank- und Kapitalmarktrechts, die auch nicht von allen Fachanwält...