Entscheidungsstichwort (Thema)
Bedarfsanrechnung überobligatorischen Einkommens beim erweiterten Betreuungsunterhalt der mit dem Vater nicht verheirateten Mutter. Altersversorgeunterhalt
Leitsatz (redaktionell)
1. Setzt die nicht mit dem Vater verheiratete Mutter ihre selbständige Tätigkeit trotz Kinderbetreuung nach der Geburt fort, handelt es sich um eine überobligatorische Tätigkeit. Die hieraus erzielten Einkünfte sind analog § 1577 Abs. 2 BGB nicht auf den Unterhaltsbedarf anzurechnen.
2. Ein Altersvorsorgeunterhalt wird bei Ansprüchen nach § 1615l BGB in Höhe der Grundversorgung von 20 % des Bruttoeinkommens nicht geschuldet, da die bedürftige Kindesmutter für die ersten drei Jahre der Kindererziehung vom Staat in Höhe des Durchschnittseinkommens in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert ist.
Normenkette
BGB § 1577 Abs. 2, § 1610 Abs. 1, § 1615l Abs. 3 Nr. 1
Tenor
I. Der Senat schlägt den Parteien zur Beilegung des Rechtsstreites folgenden Vergleich vor:
1. Der Beklagte verpflichtet sich, zur Abgeltung des offenen Unterhalts nach § 1615l Abs. 2 BGB von Juli 2004 bis einschließlich Dezember 2005 an die Klägerin 27.000 EUR zu zahlen.
2. Der Beklagte verpflichtet sich, an die Klägerin ab Januar 2006 bis einschließlich August 2007 Unterhalt nach § 1615l Abs. 2 BGB einschließlich Krankheitsvorsorgeunterhalts i.H.v. monatlich insgesamt 1.500 EUR, fällig monatlich im Voraus bis jeweils zum 3. eines Monats, zu zahlen.
3. Grundlage des Vergleichs ist der Beschluss des Senats vom 12.1.2006.
4. Die Kosten des Berufungsverfahrens und des Vergleichs werden gegeneinander aufgehoben.
II. Es ist beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren und den Vergleich auf 52.394 EUR festzusetzen. (Rückstand § 42 Abs. 5 GKG bis 1/05 + laufender Unterhalt § 42 Abs. 1 GKG (18.866 + 12 × 2.794).
Gründe
I.1. Die Berufung der Klägerin hat nach Überzeugung des Senats hinsichtlich eines Teiles Aussicht auf Erfolg.
Die Klägerin hat grundsätzlich einen Anspruch auf Unterhalt nach § 1615l Abs. 2 BGB, sie hat ihre Bedürftigkeit und ihren Bedarf hinreichend dargelegt und der Beklagte ist als Vater der am 29.8.2004 geborenen Tochter auch zur Zahlung des Unterhalts verpflichtet und er ist unstreitig leistungsfähig.
2. Die Bedürftigkeit ergibt sich nach Auffassung des Senats nach § 1615l Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 1602 BGB daher, dass die Klägerin seit der Geburt des Kindes einen Einkommensrückgang hinnehmen musste und insoweit ihre Lebensstellung bei der Geburt des Kindes, die ihren Bedarf gem. § 1610 BGB darstellt, nicht aufrechterhalten konnte.
3. Der Bedarf ist bei der Klägerin aus dem Schnitt der Jahre 2002 bis 2004 zu bilden. 2001 kann als noch typische Anlaufzeit nicht herangezogen werden, der Gewinn im Jahre 2004 entspricht dagegen in etwa dem des Jahres 2003, wenn man aus dem Gewinn von 2003 die aufgelöste Ansparabschreibung von 20.000 EUR herausrechnet.
Die Klägerin hat nach den vorgelegten Steuerbescheiden im Jahr 2002 einen Gewinn von 39.197 EUR gemacht. Abzüglich der bezahlten Einkommenssteuer i.H.v. 8.186 EUR, des Solidaritätszuschlags von 450 EUR und der bezahlten Vorsorgeaufwendungen von 3.380 EUR bleibt ein bereinigtes Nettoeinkommen von 27.181 EUR.
2003 ergibt sich ein bereinigtes Nettoeinkommen von 26.831 EUR (43.350 - 7305 - 8734 - 480).
2004 ergibt sich ein bereinigtes Nettoeinkommen von rund 16.000 EUR. Der Gewinn betrug nach Steuerbescheid 15.704 EUR. Hiervon sind abzuziehen 6.298 EUR Vorsorgeaufwendungen sowie 326 EUR gezahlter Einkommenssteuer. Hinzuzurechnen sind nunmehr nach Auffassung des Senats die Aufwendungen der zur Erzielung des Einkommens notwendig gezahlten vermehrten Umsatzprovisionen für freie Mitarbeiter, die nicht notwendig gewesen wären, wenn nicht die Klägerin durch Schwangerschaft und Kindesbetreuung an eigener voller Erwerbstätigkeit gehindert gewesen wäre. Diese Umsatzprovisionen haben sich von 2003 zu 2004 um ca. 7.000 EUR erhöht.
Somit ergibt für den Bedarf sich ein bereinigtes Einkommen von etwa 16.000 EUR für das Jahr 2004.
Die Jahresmiete für die gewerbliche Tätigkeit betrug schon 2003 18.000 EUR, sodass eine willkürliche Erhöhung im Hinblick auf etwaige Unterhaltszahlungen nicht angenommen werden kann.
Der Jahresdurchschnitt des Einkommens 2002-2004 beträgt rund 23.337 EUR (70.012/3), das monatliche Einkommen der Klägerin somit etwa 1.950 EUR.
4. Tatsächlich hat die Klägerin ihren Bedarf im Jahr 2004 nur mit Hilfe der aufgrund der Geburt des Kindes gezahlten Umsatzprovisionen erzielen können und so ist bei der Frage, wie weit die Klägerin ihren Bedarf selbst decken konnte, von dem tatsächlichen Gewinn von 15.704 EUR auszugehen. Der Senat vermag die vom Beklagten angeführte Rechtsauffassung, Kosten für Umsatzprovisionen für freie Mitarbeiter seien nicht zu zahlen (so wohl Palandt/Diederichsen, BGB, 65. Aufl., § 1615l Rz. 17), nicht zu teilen. Nur mit Hilfe dieser Mitarbeiter konnte die Klägerin offensichtlich überhaupt ihren Geschäftsbetrieb in dem angeführten Umfang aufrechterhalten, dies sind Kosten...