Leitsatz (amtlich)
1. Beantragt ein Kläger eine Kostenentscheidung gem. § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO, so kann ihm das Gericht ohne Antrag des Beklagten die Kosten des Rechtsstreits nicht auferlegen.
2. § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO ist auch anwendbar, wenn
a) die Klage erst nach Eintritt der Rechtshängigkeit zurückgenommen wird und
b) der Klageanlass bereits vor Einreichung der Klage weggefallen ist.
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 27.10.2003; Aktenzeichen 17 HK O 9266/03) |
Tenor
I. Der Beschluss des LG vom 27.10.2003 wird aufgehoben.
II. Die Kosten des Rechtsstreits einschl. derjenigen des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte.
Gründe
I. Der Kläger erwirkte am 11.3.2003 eine einstweilige Verfügung, mit der dem Beklagten die Versendung von Angeboten für einen Eintrag in ein Branchenverzeichnis, die wie Rechnungen aufgemacht waren, untersagt wurde. Mit Schreiben vom 17.4.2003 übermittelte der Kläger dem Beklagten ein Angebot auf Abgabe einer Abschlusserklärung, auf das dieser nicht antwortete.
Mit am 16.5.2003 eingereichter Klage, die dem Beklagten 5.7.2003 zugestellt wurde, machte der Kläger in der Hauptsache den Unterlassungsanspruch und Aufwendungsersatz geltend. Die Kammer für Handelssachen des LG verurteilte den Beklagten mit Versäumnisurteil vom 30.7.2003, das dem Beklagten am 27.9.2003 zugestellt wurde, antragsgemäß. Mit Schriftsatz vom 13.10.2003 legte der Beklagte Einspruch ein und trug vor, er habe wegen desselben Wettbewerbsverstoßes bereits mehrfach Abschlusserklärungen und strafbewehrte Unterlassungserklärungen abgegeben; von der Klage habe er erst durch die Zustellung des Versäumnisurteils erfahren, weil die Staatsanwaltschaft seit dem 25.2.2003 eine Postsperre verhängt und seine Post beschlagnahmt habe. Der Einspruch und die darin in Bezug genommenen Unterlagen wurden dem Kläger am 22.10.2003 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 27.10.2003, bei Gericht am folgenden Tag eingegangen, nahm der Kläger die Klage zurück und beantragte, gem. § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Die Klage habe sich dadurch erledigt, dass der Beklagte – wie er, der Kläger, erst durch den Einspruch nebst Anlagen erfahren habe – jedenfalls am 13.5.2003 zu einem Verfügungsverfahren vor dem LG Berlin wegen des gleichen Wettbewerbsverstoßes eine Abschlusserklärung abgegeben habe; dadurch sei die Wiederholungsgefahr vor Eintritt der Rechtshängigkeit im vorliegenden Verfahren entfallen.
Mit Beschluss vom 27.10.2003 hat die Vorsitzende der Kammer für Handelssachen die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten, die durch die Säumnis des Beklagten entstanden waren, dem Kläger auferlegt und zur Begründung ausgeführt, dass die Klage erst nach Rechtshängigkeit zurückgenommen worden sei, so dass § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO nicht anwendbar sei.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers. Er beantragt, unter Aufhebung des Beschlusses vom 27.10.2003 dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits insgesamt aufzuerlegen.
Der Beklagte schließt sich ohne ausdrückliche Antragstellung im Beschwerdeverfahren der Rechtsansicht des angegriffenen Beschlusses an.
Die Vorsitzende der Kammer für Handelssachen hat der Beschwerde mit Beschluss vom 16.12.2003 unter Verweisung auf die Gründe des angegriffenen Beschlusses nicht abgeholfen.
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II.1. Zur Entscheidung ist der Senat berufen, da es sich bei der Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen nicht um einen Einzelrichter i.S.d. § 568 S. 1 ZPO handelt (vgl. BGH, Beschl. v. 20. 10. 2003 – II ZB 27/02, veröffentl. in juris).
2. Die zulässige Beschwerde ist begründet.
a) Der angegriffene Beschluss ist schon deshalb aufzuheben, weil ein Antrag, dem Kläger die Kosten aufzuerlegen, nicht vorliegt, ein Kostenausspruch aber ohne Antrag nicht zulässig ist (vgl. § 269 Abs. 4 ZPO). Das LG hätte allenfalls den Antrag des Klägers, dem Beklagten die Kosten aufzuerlegen, zurückweisen dürfen. Für den darüber hinausgehenden Ausspruch, dass nicht der Beklagte, sondern der Kläger die Kosten des Verfahrens – zu denen auch die dem Beklagten erwachsenen Rechtsanwaltskosten gehören – zu tragen habe, bestünde auch bei Zugrundelegung der Auffassung des LG zur Kostentragungslast keine Veranlassung, solange der Beklagte dies nicht beantragt.
b) Der angegriffene Beschluss ist aber auch aufzuheben, weil der Antrag des Klägers, dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, begründet ist; dementsprechend hat auch der klägerische Kostenantrag Erfolg.
aa) Gemäß § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO bestimmt sich die Kostentragungslast dann unter Berücksichtigung des bisherigen Sach und Streitstand nach billigem Ermessen, wenn der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen ist und die Klage daraufhin unverzüglich zurückgenommen wird.
(1) Diese Vorschrift ist auch dann anwendbar, wenn die unverzügliche Klagerücknahme nach Eintritt der Rechtshängigkeit erfolgt ist. Nach ihrem Wortlaut ist alleine ausschlag...