Entscheidungsstichwort (Thema)

Gerichtsstand der streitgenössischen Drittwiderklage

 

Leitsatz (amtlich)

1. Erhebt der Beklagte eine mit der Klage im rechtlichen Zusammenhang stehende Widerklage sowohl gegen den Kläger als auch gegen einen bisher am Rechtsstreit nicht beteiligten Dritten als Streitgenossen im Sinne der §§ 59, 60 ZPO, ist diese streitgenössische Drittwiderklage unter den Voraussetzungen der als Klageänderung behandelten Parteierweiterung zulässig (so auch BGH BeckRS 2010, 27628).

2. Bei einer streitgenössischen Drittwiderklage folgt der Gerichtsstand aus § 33 ZPO analog, ohne dass es zur Herbeiführung der gerichtlichen Zuständigkeit einer Entscheidung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bedarf.

 

Normenkette

EGZPO § 9; ZPO § 29a Abs. 1, §§ 33, 36 Abs. 1 Nr. 3, §§ 59-60

 

Tenor

Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 ZPO liegen nicht vor.

 

Gründe

I. Gegen den Antragsteller hat die Antragsgegnerin zu 1) vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth Klage auf Herausgabe einer Bürgschaftsurkunde erhoben. Die Parteien streiten über Ansprüche aus einem beendeten Rewerberaummietverhältnis über ein in N. belegenes Mietobjekt.

Mit Schriftsatz vom 27. Dezember 2018 hat der Antragsteller vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth Widerklage gegen die Antragsgegnerin zu 1) und Drittwiderklage gegen die Antragsgegnerin zu 2) erhoben. Er hat ferner nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO beantragt, das Landgericht Nürnberg-Fürth als zuständiges Gericht für Widerklage und Drittwiderklage zu bestimmen. Beide Antragsgegnerinnen haben ihren Sitz im Bezirk des Landgerichts Augsburg. Gegenstand der Widerklageforderung sind offene Mietzinsforderungen in Höhe von 24.165,38 EUR. Die Antragsgegnerin zu 2) wird als Mietbürgin in Anspruch genommen.

Die Antragsgegnerinnen sind der Auffassung, die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Nürnberg-Fürth ergebe sich aus § 33 ZPO, sollte das Gericht anderer Auffassung sein, werde keine Rüge der örtlichen Zuständigkeit erhoben werden.

Auf den Hinweis, dass hinsichtlich der Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO Bedenken bestehen, führte der Antragsteller aus, für die Widerklage bestehe der ausschließliche Gerichtsstand des § 29a Abs. 1 ZPO am Belegenheitsort der Mietsache, so dass er die beiden Antragsgegnerinnen nicht am gemeinsamen allgemeinen Gerichtsstand in Augsburg hätte in Anspruch nehmen können. Die Frage, ob die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur entsprechenden Anwendbarkeit des § 3 ZPO auf die Drittwiderklage (BGH, Beschluss vom 30. September 2010, Xa ARZ 191/10, BGHZ 187, 112) auf die hier in Rede stehende Konstellation einer Widerklage gegen den Mieter und einer Drittwiderklage gegen den Bürgen übertragbar sei, sei noch nicht geklärt. Ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand sei daher nicht ohne weiteres zuverlässig feststellbar.

II. 1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Entscheidung über den Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 9 EGZPO berufen, weil der Gerichtsstand der (Wider-)Klage im Bezirk des Oberlandesgerichts Nürnberg liegt, während der allgemeine Gerichtsstand der Antragsgegnerin zu 2) zum Bezirk des Oberlandesgerichts München gehört.

2. Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen nicht vor, da beide Antragsgegnerinnen einen gemeinsamen Gerichtsstand beim Gericht der Klage haben (§ 33 ZPO). Sowohl für die Widerklage als auch für die Drittwiderklage ist das Landgericht Nürnberg-Fürth örtlich zuständig, ohne dass es zur Herbeiführung der Zuständigkeit einer gerichtlichen Entscheidung bedarf.

Die Antragsgegnerinnen sind nach dem im Bestimmungsverfahren maßgeblichen (Schultzky in Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 36 Rn. 28), insoweit auch schlüssigen Vortrag des Antragstellers hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs Streitgenossinnen (§§ 59, 60 ZPO). Denn Hauptschuldner und Bürge stehen in Ansehung des Streitgegenstandes in Rechtsgemeinschaft und sind daher Streitgenossen (vgl. Althammer in Zöller, ZPO, § 60 ZPO Rn. 5 m. w. N.).

In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das Institut der - hier vorliegenden - parteierweiternden Widerklage anerkannt. Erhebt der Beklagte eine mit der Klage im rechtlichen Zusammenhang stehende Widerklage sowohl gegen den Kläger als auch gegen einen bisher am Rechtsstreit nicht beteiligten Dritten als Streitgenossen im Sinne der §§ 59, 60 ZPO, ist diese streitgenössische Drittwiderklage unter den Voraussetzungen der als Klageänderung behandelten Parteierweiterung zulässig. Hierdurch sollen die Vervielfältigung und Zersplitterung von Prozessen vermieden sowie zusammengehörige Ansprüche einheitlich verhandelt und entschieden werden (BGH, Beschluss vom 30. September 2010, Xa ARZ 191/10, BRHZ 187, 112 ff. Rn. 5 - 6).

Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 24. Juni 2008, X ARZ 69/08, NJW-RR 2008, 1516) begründete die den besonderen Gerichtsstand für die Widerklage regelnde Vorschrift des § 33 ZPO für den bisher am Verfahren nicht beteiligten Drit...

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