Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenerstattung bei zur Fristwahrung eingelegter Berufung
Leitsatz (amtlich)
Hat der Berufungskläger sein Rechtsmittel vor dessen Begründung zurückgenommen, dann ist dem Berufungsbeklagten, der einen Prozessbevollmächtigten für die Rechtsmittelinstanz beauftragt hatte, neben einer halben Prozessgebühr aus dem Hauptsachewert regelmäßig für den (Kosten-)Antrag, die Wirkungen des § 516 Abs. 3 S. 1 ZPO n.F. durch Beschluss auszusprechen, keine zusätzliche Prozessgebühr aus dem Kostenwert zu erstatten.
Verfahrensgang
LG Kempten (Beschluss vom 05.12.2002; Aktenzeichen 3 O 2835/01) |
Tenor
I. Unter Abänderung des Beschlusses des LG Kempten vom 5.12.2002 werden die nach dem rechtskräftigen Beschluss des OLG München vom 14.10.2002 (Az.: 14 U 603/02) von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten der Berufung auf 311,85 Euro nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit 7.11.2002 festgesetzt.
II. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
III. Von den außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Klägerin 44 % und die Beklagte 56 %.
Die Gerichtskosten trägt die Klägerin.
IV. Der Wert der Beschwerde beträgt für die außergerichtlichen Kosten 557,55 Euro und für die Gerichtskosten 245,70 Euro.
Gründe
I. Die Beklagte, die mit Urteil des LG vom 19.7.2002 zur Zahlung von 8.592,39 Euro verurteilt worden ist, hat gegen dieses Urteil mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 26.8.2002 "zur Fristwahrung" Berufung eingelegt. Die Berufungsschrift enthält außerdem die an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin gerichtete Bitte, sich noch nicht zu bestellen. Gleichwohl bestellten sich die Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Schriftsatz vom 17.9.2002 auch für die Berufungsinstanz.
Nachdem die Beklagte ihre Berufung am 26.9.2002 zurückgenommen hatte, sind ihr mit Beschluss des OLG München vom 14.10.2002 (Az.: 14 U 603/02) die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt worden, bevor der entsprechende Kostenantrag der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 15.10.2002 beim OLG eingegangen war.
Die Klägerin hat die Festsetzung folgender Kosten für die Berufungsinstanz beantragt:
13/20 Prozessgebühr (Wert: 8.592,39 Euro): 291,85 Euro
13/10 Prozessgebühr (Wert: 2.564,78 Euro): 245,70 Euro
Auslagenpauschale (§ 26 BRAGO): 20,00 Euro
557,55 Euro
Die Rechtspflegerin beim LG hat diesen Festsetzungsantrag mit Beschluss vom 5.12.2002 zurückgewiesen mit der Begründung, die Bestellung der Prozessbevollmächtigten für die Klägerin sei nicht notwendig gewesen, weil die Berufung ausdrücklich zur Fristwahrung eingelegt und vor ihrer Begründung zurückgenommen worden sei; die Kostenfolge sei ohnehin von Amts wegen auszusprechen, weshalb auch ein Kostenantrag der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht notwendig gewesen sei. Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin, mit der sie ihren Festsetzungsantrag in voller Höhe weiterverfolgt.
II. Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist zulässig (§§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO) und teilweise auch begründet.
1. Für die Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist eine 13/20 Prozessgebühr aus dem Hauptsachestreitwert i.H.v. 291,85 Euro angefallen (§§ 11 Abs. 1 S. 4, 32 Abs. 1 BRAGO). Diese Gebühr zzgl. Auslagenpauschale von 20 Euro (§ 26 BRAGO) ist von der Beklagten zu erstatten (§ 91 Abs. 2 S. 1 ZPO). Insoweit ist das Rechtsmittel begründet.
Auch wenn - wie im vorliegenden Fall - der Berufungskläger sein Rechtsmittel nur zur Fristwahrung eingelegt und es vor dessen Begründung zurückgenommen hat, ist dem Berufungsbeklagten, für den sich vor Zurücknahme des Rechtsmittels ein Prozessbevollmächtigter bestellt hatte, nach ständiger Rechtsprechung des Senats eine 13/20 Prozessgebühr aus dem Hauptsachestreitwert zu erstatten (vgl. OLG München JurBüro 1994, 93; v. 11.3.1994 - 11 W 977/94, AnwBl. 1995, 377). Der Berufungsbeklagte ist auch unter erstattungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht verpflichtet, mit der Beauftragung eines Prozessbevollmächtigten für die Rechtsmittelinstanz so lange zu warten, bis der Berufungskläger sein Rechtsmittel begründet oder eine Verlängerung der Begründungsfrist beantragt hat (vgl. OLG München v. 11.3.1994 - 11 W 977/94, AnwBl. 1995, 377; BGH NJW 2003, 756 [1324]). Das gilt auch dann, wenn das Rechtsmittel ausdrücklich nur zur Fristwahrung eingelegt ist (BGH NJW 2003, 756; OLG München JurBüro 1994, 93).
Die Erstattungsfähigkeit der Prozessgebühr kann nur ausnahmsweise gem. § 242 BGB dann entfallen, wenn sich der Berufungsbeklagte durch die Beauftragung eines Prozessbevollmächtigten treu- oder abredewidrig verhalten hat (vgl. OLG München JurBüro 1990, 1162), insb. gegen eine Stillhalteabrede verstoßen hat. Eine solche Stillhaltevereinbarung ist im vorliegenden Fall aber weder dargetan noch sonst ersichtlich. Die einseitige und nicht näher begründete Bitte des Berufungsklägers an die gegnerische Partei, zunächst noch keinen Prozessbevollmächtigten für die Berufungsinstanz zu bestellen,...