Entscheidungsstichwort (Thema)

Bei Zurückverweisung Ausschluss der Anrechnung durch § 15 Abs. 5 S. 3 RVG

 

Leitsatz (amtlich)

Liegen nach Zurückverweisung zwischen dem Ende des ersten Verfahrens und dem Beginn des zweiten Verfahrens mehr als 2 Kalenderjahre, so greift die Anrechnung gem. RVG-VV Vorbem. 3 Abs. 6 nicht ein.

 

Normenkette

RVG § 15 Abs. 5 S. 2, § 21 Abs. 1; RVG-VV Vorbem. 3 Abs. 6

 

Verfahrensgang

LG München (Beschluss vom 22.02.2006; Aktenzeichen 3 O 10866/98)

 

Tenor

I. Der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG München I vom 22.2.2006 i.d.F. des Beschlusses vom 10.4.2006 wird dahingehend abgeändert, dass die Beklagten an den Kläger zu erstatten haben:

5.498,60 EUR nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.574,07 EUR seit 7.6.2000 verzinslich

und nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.924,53 EUR seit 21.11.2005 verzinslich.

II. Die Beklagten tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Beschwerdewert beträgt bis zu 2.500 EUR.

 

Gründe

I. Nachdem das LG hinsichtlich der Zinsrüge abgeholfen hat, hat das OLG nur noch über die Frage zu entscheiden, ob eine zweite Verfahrensgebühr zu erstatten ist.

Der Klägervertreter hatte den Kläger bereits im ersten Berufungsverfahren vor dem OLG vertreten. Dieses Verfahren endete mit Urt. v. 31.5.2001. Der BGH hob dieses Urteil mit Entscheidung vom 21.7.2005 auf und verwies die Sache an das OLG zurück. Dort wurde im zweiten Verfahren der Kläger von den gleichen Rechtsanwälten wie der ersten Verfahren vertreten. Der nach einem beim OLG geschlossenen Vergleich zu 2/3 erstattungsberechtigte Kläger macht für jedes Verfahren vor dem OLG eine gesonderte Prozess- bzw. Verfahrensgebühr geltend. Der Rechtspfleger hat nur eine Gebühr zuerkannt und sich dabei auf die Aufrechnungsvorschrift im RVG-VV Vorbem. 3 Abs. 6 berufen. Dem ggü. vertritt der Kläger den Standpunkt, dass hier § 15 Abs. 5 S. 2 RVG eingreife, nachdem zwischen dem ersten und dem zweiten Berufungsverfahren mehr als 2 Jahre verstrichen sind.

II. Die sofortige Beschwerde ist begründet.

In der Literatur wird einhellig die Auffassung vertreten, dass § 15 Abs. 5 S. 2 RVG auch für den Fall einer Zurückverweisung gem. § 21 RVG eingreift. Die Anrechnungsbestimmung des RVG-VV Vorbem. 3 Abs. 6 ist nicht anzuwenden, wenn die Voraussetzungen von § 15 Abs. 5 S. 2 RVG gegeben sind (Hartmann, Kostengesetze, 36. Aufl., § 15 RVG, Rz. 97; Römermann/Hartung/Schons, RVG, 2. Aufl., Vorbem. 3 Rz. 98; Gebauer/Hembach/Schneider, RVG, 2. Aufl., RVG-VV Vorbem. 3 Rz. 237; Gebauer/Schneider, RVG, 2. Aufl., § 15 Rz. 255; Bischof/Jungbauer/Podlech/Trappmann, RVG, § 21 Rz. 26; Norbert Schneider, MDR 2003, 727). Der Senat schließt sich dieser Auffassung an.

RVG-VV Vorbem. 3 Abs. 6 ist kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, dass § 15 Abs. 5 S. 2 RVG nicht eingreifen soll. RVG-VV Vorbem. 3 Abs. 6 besagt nur generell, dass eine Anrechnung hinsichtlich der Verfahrensgebühr zu erfolgen hat. Damit ist aber nicht zum Ausdruck gebracht, dass dies auch zu gelten hat, wenn die Voraussetzungen des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG, der einen Ausschluss der Anrechnungsbestimmungen vorsieht, gegeben sind.

Es steht auch nicht entgegen, dass man darüber streiten kann, ob § 15 Abs. 5 S. 2 RVG seinem Wortlaut nach gegeben ist, da dieser dahingehend verstanden werden kann, dass es sich um eine Fortsetzung eines früheren Auftrags handeln muss, während nach der Zurückverweisung eine neue Angelegenheit gegeben ist. Sollte man § 15 Abs. 5 S. 2 RVG nicht für unmittelbar anwendbar halten, so muss jedenfalls eine analoge Anwendung erfolgen.

Dies ergibt sich aus dem Sinn dieser Bestimmung. Mit ihr soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass ein Rechtsanwalt, der längere Zeit mit einer Sache nicht befasst war, sich in diese neu einarbeiten muss. Von diesem Motiv ausgehend ergibt sich, dass bei einer neuen Angelegenheit und einem neuen Auftrag erst recht § 15 Abs. 5 S. 2 RVG angewendet werden muss, nachdem dieser selbst dann eine neue Angelegenheit fingiert, wenn es sich lediglich um die Fortsetzung der Tätigkeit des Anwalts in einer Angelegenheit handelt.

Dem Kläger steht damit ein weiterer Erstattungsanspruch i.H.v. 2/3 aus einer 1,6-Verfahrensgebühr gem. W Nr. 3200 aus einem Streitwert von 49.003,74 EUR = 1.115,73 EUR (1.673,60 EUR: 3 × 2) zu. Der Erstattungsanspruch erhöht sich damit von den bislang zuerkannten 4.382,87 EUR auf nunmehr 5.498,60 EUR.

III. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Dabei war zu berücksichtigen, dass der Kläger auch hinsichtlich der Zinsen erfolgreich war.

IV. Beim Beschwerdewert war mit zu berücksichtigen, dass hinsichtlich der Kosten der ersten Instanz sich der Angriff ausschließlich auf die Zinsen bezog, so dass insoweit die mehr verlangten Zinsen den Beschwerdewert darstellten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1531209

FamRZ 2006, 1561

AnwBl 2006, 588

AGS 2006, 369

RENOpraxis 2007, 5

NJOZ 2006, 3722

OLGR-Süd 2006, 681

RVG-Letter 2006, 87

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