Leitsatz (amtlich)
Der Nutzer eines sozialen Netzwerks hat gegen dessen Betreiber keinen Anspruch auf ein von einer konkreten Äußerung unabhängiges generelles Verbot der Sperrung seines Nutzerkontos, denn die Rechtswidrigkeit der Sanktionierung eines Nutzerbeitrags wegen Verstoßes gegen die Nutzungsbedingungen des Plattformbetreibers kann nur auf Grund einer Abwägung zwischen den von dem Beitrag verletzten Rechten und der Meinungsfreiheit des Nutzers im konkreten Fall festgestellt werden.
Bei einer einstweiligen Verfügung, durch die einem Plattformbetreiber geboten wird, die Sperrung eines Nutzerkontos zu unterlassen oder gegenüber dem Nutzer zu begründen, handelt es sich um eine Leistungsverfügung, deren Erlass ein dringendes Bedürfnis für die begehrte Eilmaßnahme voraussetzt.
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 35 O 15930/18) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 15.11.2018, Az. 35 O 15930/18, wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 7.500 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller begehrt den Erlass einer einstweiligen Verfügung, durch welche der Antragsgegnerin untersagt werden soll, ihn "auf www.facebook.com zu sperren (insbesondere, ihm die Nutzung der Funktionen von www.facebook.com wie Posten von Beiträgen, Kommentieren fremder Beiträge und Nutzung des Nachrichtensystems vorzuenthalten) oder den Beitrag zu löschen, ohne ihm zugleich in speicherbarer Form den Anlass der Sperrung und die Begründung, weshalb es sich um einen Verstoß handeln soll, mitzuteilen".
Das Landgericht München I hat mit Beschluss vom 15.11.2018 den Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Es ist der Ansicht, der Antrag sei bereits unzulässig, weil nicht ausreichend bestimmt. Auch sei wegen des widersprüchlichen Vortrags kein Verfügungsanspruch zu erkennen, denn der Antragsteller beziehe sich mehrfach auf einen konkreten Beitrag, ohne diesen zu nennen, und habe nicht glaubhaft gemacht, dass er von der Antragsgegnerin keine Nachricht oder Begründung erhalten habe. Zudem bestehe wegen der zwischen der Sperrung und dem Eingang des Verfügungsantrags verstrichenen Zeit kein Verfügungsgrund. Wegen der näheren Begründung wird auf die Ausführungen in den Gründen des vorgenannten Beschlusses (BI. 61/65 d.A.) Bezug genommen.
Gegen den ihm am 20.11.2018 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 1.12.2018, beim Landgericht München I eingegangen am selben Tag, sofortige Beschwerde eingelegt, mit der er seinen Verfügungsantrag weiter verfolgt. Hinsichtlich der Begründung des Rechtsmittels wird auf den genannten Schriftsatz (BI. 67/69 d.A.) verwiesen.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 4.12.2018 (BI. 70/72 d.A.), auf dessen Gründe Bezug genommen wird, der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht München zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.
1. Der Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung war zwar entgegen der Ansicht des Landgerichts zulässig.
a) Er ist insbesondere noch ausreichend bestimmt. Seinem Wortlaut lässt sich entnehmen, dass jede Sperrung des Antragstellers auf www.facebook.com und jede Löschung eines seiner Beiträge ohne entsprechende Nachricht oder Begründung untersagt werden soll. In der Beschwerdebegründung hat der Antragsteller jedoch klargestellt, dass der Antragsgegnerin nicht untersagt werden soll, ihn "wegen anderer Beiträge" zu sperren, sondern sie lediglich verpflichtet werden soll, den Anlass der Sperre zu nennen.
b) Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, die auch im Beschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. BGH, Urteil vom 28.11.2002 - III ZR 102/02, NJW 2003, 426), ist gegeben.
Maßgeblich ist die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO), weil die Antragsgegnerin ihren Sitz in Irland und damit in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union hat.
Für das vorliegende Verfahren ist danach das Landgericht München I örtlich und damit auch international zuständig, denn eine Vertragspflicht der Antragsgegnerin im Sinne von Art. 7 Nr. 1 lit. a EuGVVO auf Bereitstellung von "Facebook-Diensten" wäre mangels einer abweichenden Vereinbarung der Vertragsparteien kraft Natur der Sache am Wohnsitz des Antragstellers zu erfüllen.
2. Der Verfügungsantrag ist jedoch unbegründet.
a) Die geltend gemachten Ansprüche sind nach deutschem Recht zu beurteilen. Für die hier allein in Betracht kommenden vertraglichen Ansprüche ergibt sich dies aus der nach Art. 6 Abs. 2, Art. 3 Abs. 1 Rom-I-Verordnung vorgenommenen Rechtswahl, da dies...