Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Willkür bei Klagen in vom Abgasskandal betroffenen Verfahren, wenn das Gericht die grundsätzlich wahlweise bestehende Zuständigkeit an jedem Begehungsort (Handlungs-, Erfolgs- oder Schadensort) nur unzureichend geprüft hat.
Normenkette
ZPO §§ 32, 36 Abs. 1 Nr. 6
Verfahrensgang
LG München II (Aktenzeichen 12 O 5403/18) |
LG München I (Aktenzeichen I 34 O 3485/19) |
LG München II (Aktenzeichen 12 O 1565/19) |
Tenor
1. Örtlich zuständig ist das Landgericht München I.
2. Dessen Beschluss vom 17. April 2019 wird aufgehoben.
Gründe
I. Mit ihrer zum Landgericht München II (Az.: zunächst 12 O 5403/18) erhobenen Klage vom 19.12.2018 begehrt die im Bezirk dieses Landgerichts wohnhafte Klägerin von der im Bezirk des Landgerichts Braunschweig ansässigen Beklagten u.a. Zahlung von Schadensersatz Zug um Zug gegen Rückgabe eines vom sogenannten Abgasskandal betroffenen Diesel-Fahrzeugs. Das Fahrzeug hatte sie am 21.7.2012 für 22.500,00 EUR bei einem im Bezirk des Landgerichts München I ansässigen Autohändler erworben, wobei ausweislich des Kaufvertrages der Kaufpreis abzüglich des Wertes des vom Händler in Zahlung genommenen Altfahrzeugs der Klägerin bei Bereitstellung des Fahrzeugs in bar gezahlt wurde.
Die Klägerin führt aus, die Beklagte habe durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs unter Verschweigen der gesetzwidrigen Softwareprogrammierung eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung begangen. Die Organe der Beklagten hätten gegenüber der Klägerin - jedenfalls in mittelbarer Täterschaft - den Tatbestand des Betrugs erfüllt, indem sie Dieselmotoren mit einer gesetzwidrig programmierten Motorsteuerungssoftware in den Verkehr gebracht und somit die Klägerin über die Gesetzeskonformität des Fahrzeugs getäuscht haben.
Mit Verfügung vom 24.1.2019 hat das Landgericht München II die Durchführung eines schriftlichen Vorverfahrens angeordnet und darauf hingewiesen, dass gegen seine örtliche Zuständigkeit Bedenken bestünden.
Mit Schriftsatz vom 12.2.2019 beantragte die Klägerin, unter nochmaligem Hinweis darauf, dass ihrer Ansicht nach das Landgericht München II zuständig sei, hilfsweise Verweisung an das Landgericht München I.
Mit Beschluss vom 12.3.2019 hat sich das Landgericht München II für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht München I verwiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, eine Zuständigkeit des Landgerichts München II sei nicht gegeben, da der Handlungsort der behaupteten deliktischen Ansprüche nicht im Bezirk des Landgerichts München II läge. Eine Zuständigkeit ergebe sich auch nicht im Hinblick auf den behaupteten Schadenseintritt. Die Bestellung des Fahrzeugs sei am Sitz des Händlers und damit im Bezirk des Landgerichts München I erfolgt. Die behauptete schadensstiftende Vermögensverfügung in Form der Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung sei daher nicht im Bezirk des Landgerichts München II, sondern am Sitz des Verkäufers im Bezirk des Landgerichts München I getroffen worden, weshalb bereits dort der Vermögensschaden eingetreten sei und sich am Wohnsitz der Klägerin lediglich perpetuiert habe.
Das Landgericht München I (Az.: 34 O 3485/19) hat nach Anhörung der Parteien mit Beschluss vom 17.4.2019 das Verfahren an das Landgericht München II zurückverwiesen. Der Beschluss des Landgerichts München II entfalte keine Bindungswirkung und sei willkürlich. Zwar sei für die Annahme objektiver Willkür nicht ausreichend, dass das verweisende Gericht einem Rechtsirrtum unterliegt. Verneint werde die Bindung aber bei einer Verweisung durch ein nach Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der Entscheidung zuständiges Gericht unter Übergehung einer eindeutigen Zuständigkeitsvorschrift. Vorliegend habe das Bayerische Oberste Landesgericht mit Beschluss vom 23.1.2019 in einem Verfahren des Landgerichts München II mit dem Az. 2 O 401/18 entschieden, dass in den gegen den Hersteller gerichteten Verfahren eine Zuständigkeit nach § 32 ZPO sowohl bei dem Gericht am Sitz des Herstellers, am Sitz des Händlers als auch am Wohnsitz des Käufers zu bejahen sei. Dieser Beschluss sei dem Landgericht München II bekannt gewesen. Mithin habe das Landgericht München II in Kenntnis der Zuständigkeit am Wohnsitz des Käufers seine Zuständigkeit dennoch abgelehnt.
Mit Beschluss vom 2.5.2019 hat das Landgericht München II (Az. nunmehr: 12 O 1565/19) das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Gerichts dem Oberlandesgericht München vorgelegt (Az.: 34 AR 111/19).
II. Die Voraussetzungen einer Zuständigkeitsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO durch das Oberlandesgericht München, zu dessen Bezirk beide Landgerichte gehören, liegen vor. Das Landgericht München II und das Landgericht München I haben sich im Sinne dieser Vorschrift bindend für unzuständig erklärt; das Landgericht München II durch unanfechtbaren Verweisungsbeschluss vom 12.3.2019 (§ 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO), das Landgericht München I durch eine seine Zuständigkeit verneinende Entscheidung vom 17.4.2019. Eine solche Zuständigkeitsleugnung genügt den Anforderung...