Leitsatz (amtlich)
Ein verfahrenseinleitendes Schriftstück i.S.v. Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ an einen aufgegebenen Wohnsitz der Beklagten in Frankreich ist jedenfalls dann nicht ordnungsgemäß zugestellt, wenn der Klagepartei in Frankreich die Wohnanschrift der Beklagten in Deutschland bekannt war, sie aber gleichwohl die Zustellung in Frankreich bewirkt hat.
Verfahrensgang
LG München II (Beschluss vom 31.10.2006; Aktenzeichen 9 BO 5636/06) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Antragsgegner wird der Beschluss des Vorsitzenden der 9. Zivilkammer des LG München II vom 31.10.2006 aufgehoben.
II. Der Antrag, den Zahlungsbefehl des AG B. vom 18.3.1999 - 02/99 287/99 in seiner vollstreckbaren Ausfertigung vom 6.5.1999 nebst Nachweis des Rechtsmittelverzichts vom 8.7.1999, durch welchen die Antragsgegnerin zur Zahlung eines Betrages i.H.v. EUR 832,19 (Hauptforderung) zzgl. Zinsen in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes seit dem 30.3.1999 (Tag der Zustellung des Zahlungsbefehls) nebst Kosten verurteilt worden sind, mit der deutschen Vollstreckungsklausel zu versehen, wird zurückgewiesen.
III. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I. Der Vorsitzende der 9. Zivilkammer des LG München II hat durch Beschluss vom 31.10.2006 angeordnet, dass der Zahlungsbefehl des AG B. vom 18.3.1999-02/99 287/99 in seiner vollstreckbaren Ausfertigung vom 6.5.1999 nebst Nachweis des Rechtsmittelverzichts vom 8.7.1999, durch welchen die Antragsgegner zur Zahlung eines Betrages i.H.v. 832,19 EUR (Hauptforderung) zzgl. Zinsen in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes seit dem 30.3.1999 (Tag der Zustellung des Zahlungsbefehls) nebst Kosten verurteilt worden sind, mit der deutschen Vollstreckungsklausel zu versehen sei. Die Entscheidung richte sich nach Art. 31 f. des EuGVÜ in der Fassung des 3. Beitrittsübereinkommens vom 26.5.1989 (BGBl. II 94, 518) i.V.m. § 2357 des Gesetzes zur Ausführung zwischenstaatlicher Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge in Zivil- und Handelssachen (AVAG-BGBl. I 88, 662 f.). Neben den sonstigen Voraussetzungen liege auch der Nachweis vor, dass dem säumigen Antragsgegner das dem Rechtsstreit einleitende Schriftstück am 30.3.1999 zugestellt wurde. Die Entscheidung sei in de Sache selbst nicht zu überprüfen. Gründe, die die Vollstreckbarerklärung ausschließen (Art. 27, 28 EuGVÜ), lägen nicht vor.
Die daraufhin am 2.11.2006 von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle erteilte Vollstreckungsklausel wurde zusammen mit dem Beschluss vom 31.10.2006 den Antragsgegnern am 7.11.2006 zugestellt. Diese haben durch Schriftsatz vom 27.11.2006, eingegangen am selben Tag, Beschwerde gegen den Beschluss vom 31.10.2006 eingelegt. Zur Begründung haben sie u.a. angeführt, sie hätten unter der genannten Anschrift in B./Frankreich niemals gewohnt, weder inoffiziell noch offiziell, da es sich um kein Haus gehandelt habe, sondern um eine Ruine mit Dach, einem Stadel zwischen zwei Häusern, in dem einige Gegenstände von ihnen gelagert gewesen seien. Im Übrigen würden sich die Antragsgegner nach aufgehobenem Insolvenzverfahren in der Wohlverhaltensphase befinden.
Mit weiterem Schreiben vom 27.11.2006 (Blatt 18/19) haben die Beschwerdeführer u.a. einen Mietvertrag über ihr derzeitiges Wohnanwesen vorgelegt, wonach dieses zum 1.3.1997 angemietet wurde. Zudem haben sie ein in französischer Sprache abgefasstes Schreiben der Antragstellerin vom 26.5.1997 vorgelegt, das an die Anschrift ... in P. adressiert ist.
Die Antragstellerin hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Die von dem Antragsgegner vorgebrachten Einwendungen seien im Vorverfahren der Vollstreckbarerklärung nicht zu beachten. Anerkenntnishindernisse seien von den Antragsgegnern nicht dargelegt.
Mit dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung hat die Antragstellerin die Übersetzung zweier gleichlautender Zustellungsprotokolle vom 31.5.1999 vorgelegt, in welcher u.a. festgehalten ist:
"Da die Empfänger der Urkunde trotz der angestellten und nachstehend detaillierten Nachforschungen weder ohne bekannten Wohnsitz noch Arbeitsstätte sind, wird das gegenwärtige Protokoll gem. Art. 659 NCPC (neue französische Zivilprozessordnung) erstellt. Unter der Rubrik sonstige Vermerke hat der Gerichtsvollzieher festgehalten:
"An der angegebenen Adresse habe ich die Betreffenden nicht angetroffen. Das Haus scheint verlassen. Der Name steht weder an der Eingangstür noch auf dem Briefkasten. Gemäß den von Nachbarn, die ich dort selbst angetroffen habe, erhaltenen Auskünfte wurde mir gegenüber erklärt, dass die Eheleute R. seit einigen Monaten verlassen haben, um zurück nach Deutschland zu gehen, ohne Adresse oder irgendwelche Angaben bezüglich ihrer derzeitigen Situation zu hinterlassen. Nach den im Bürgermeisteramt B. eingeholten Auskünfte sind die Betreffenden dort nicht gemeldet, aber es wurde mir vom Sekretär des Bürgermeisters bestätigt, dass diese nicht mehr in der Gemeinde wohnen und ohne bekannte Anschrift sind."
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die beiden Zustellungsprotokolle vom 31.5.199...