Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein "ewiges Rücktrittsrecht" wegen Störung der Geschäftsgrundlage
Leitsatz (amtlich)
1. Kein "ewiges Rücktrittsrecht" nach § 313 Abs. 3 BGB
2. a) Auch wenn das Rücktrittsrecht aus § 313 Abs. 3 BGB wegen Störung der Geschäftsgrundlage als Gestaltungsrecht grundsätzlich keiner Verjährung unterliegt, sind bei dessen Ausübung in analoger Anwendung des § 218 Abs. 1 BGB die Fristen der §§ 195 ff. BGB zu beachten. Es spricht nichts dafür, dass der Gesetzgeber auch im Fall des § 313 Abs. 3 BGB ein sog. "ewiges Rücktrittsrecht" konstituieren wollte.
3. b) Durch die Geltendmachung eines Anspruchs auf Vertragsanpassung gemäß § 313 Abs. 1 BGB wird die Verjährungsfrist für das Rücktrittsrecht nach § 313 Abs. 3 BGB nicht gem. § 213 BGB gehemmt.
4. c) Die durch eine Grundlagenstörung benachteiligte Partei kann ihren Anspruch auf Rücktritt verwirken, wenn sie den Vertrag gleichwohl zu unveränderten Bedingungen fortsetzt bzw. daran festhält und so den Eindruck erweckt, dass sie von ihrem Recht aus § 313 Abs. 3 BGB keinen Gebrauch machen will.
Normenkette
BGB §§ 195, 213, 218, 242, 313
Verfahrensgang
LG Passau (Urteil vom 27.02.2018; Aktenzeichen 1 O 623/17) |
Tenor
1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Passau vom 27.02.2018, Aktenzeichen 1 O 623/17, wird zurückgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens je zur Hälfte.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Passau sowie dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.665.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
Wie bereits im Hinweisbeschluss vom 22.08.2018 (Bl. 159/ 174) angekündigt, übt der Senat sein eingeschränktes Ermessen ("soll") dahingehend aus, dass er die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Passau vom 27.02.2018 durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückweist.
I. Die Kläger nehmen die Beklagte (nunmehr) auf Rückabwicklung von Grundstücksgeschäften in Anspruch.
Die Kläger betreiben eine Landwirtschaft und sind Eigentümer diverser Grundstücke. Die Beklagte betreibt eine Tonwarenfabrik und eine Ziegelei.
Mit notariellem Vertrag vom 24.03.2005 (Anlage K 1) sowie Nachtragsvereinbarung vom 21.07.2005 (Anlage K 2) veräußerten die Kläger zwei landwirtschaftlich genutzte Grundstücke an die Beklagte zum Gesamtpreis von 506.200,00 EUR. Vor der Veräußerung der Grundstücke gab es eine Besprechung der Parteien am 22.03.2005, deren Teilnehmer und genauer Inhalt strittig sind.
Dem hiesigen Verfahren ging ein Vorprozess am Landgericht Passau, Az.: 3 O 968/08, voraus: Mit Klageschrift vom 04.12.2008 verlangte der Kläger zu 1) - ermächtigt zur alleinigen gerichtlichen Geltendmachung aufgrund Abtretungserklärung der Klägerin zu 2) vom 03.12.2008 - von der Beklagten Anpassung des Kaufpreises durch Erhöhung um 2,165 Mio. EUR, hilfsweise die Feststellung, dass die Beklagte zur Zahlung der entsprechenden Summe mit Erteilung einer Abbaugenehmigung durch die Regierung von Oberbayern verpflichtet sei. Er trug dazu (wie auch im hiesigen Verfahren) vor, dass er bei den Preisverhandlungen unmissverständlich zum Ausdruck gebracht habe, dass die Nutzung der Grundstücke zentraler preisbildender Faktor sei. Weil die Beklagte einen beabsichtigten Lehmabbau verneint habe, sei nur ein Kaufpreis für landwirtschaftliche Nutzflächen vereinbart worden. Daran habe sich die Beklagte jedoch nicht gehalten. Ende April 2005 erfuhr der Kläger, dass die Beklagte auf den gekauften Grundstücken Probebohrungen durchgeführt hatte. Da diese abbauwürdigen Ton ergaben, stellte die Beklagte daraufhin beim Bergamt Südbayern Antrag auf Zulassung zum Betriebsplan. Aus einem Zeitungsartikel vom 12.11.2005 in der ... erfuhr der Kläger, dass die Beklagte auf den gekauften Grundstücken Lehmabbau beabsichtige, um ihren Rohstoffbedarf langfristig zu sichern. Mit Urteil vom 17.6.2010 wies das Landgericht Passau nach umfangreicher Beweisaufnahme die Klage im Haupt- und Hilfsantrag ab, da die Kläger die Voraussetzungen von § 313 Abs. 1 BGB nicht hätten beweisen können. Insbesondere sei ihnen der Nachweis nicht gelungen, dass ein Verwendungszweck der Kaufgrundstücke als landwirtschaftlich verwendeter Tauschgrund Geschäftsgrundlage der Parteien insbesondere für die Kaufpreisbemessung geworden sei. Der gegen den Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) als Drittwiderbeklagte erhobenen Teilwiderklage der Beklagten auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten gab das Landgericht teilweise statt. Gegen das Urteil des Landgerichts Passau legten sowohl der Kläger zu 1) als auch die Klägerin zu 2) als Drittwiderbeklagte sowie die Beklagte Berufung ein. Mit Urteil vom 02.12.2010 gab das OLG München, Az.: 8 U 3618/10, der Berufung des Klägers und der Drittwiderbeklagten bezü...