Leitsatz (amtlich)

1. Im Falle einer Klageänderung sind nach § 39 Abs. 1 GKG die Werte wirtschaftlich nicht identischer Streitgegenstände zur Bestimmung des Gebührenstreitwerts auch dann zusammenzurechnen, wenn sie lediglich nacheinander und nicht gleichzeitig nebeneinander geltend gemacht werden; dem Gebührenstreitwert nach § 39 Abs. 1 GKG kommt eine andere Funktion als dem Zuständigkeitsstreitwert nach § 5 Halbsatz 1 ZPO zu, der deshalb auch nicht zur Auslegung des § 39 Abs. 1 GKG herangezogen werden kann. Dem Gerichtskostensystem in der heute geltenden Fassung ist eine Reduzierung des Gebührenstreitwerts im Verlauf des Verfahrens fremd.

2. Eine zeitlich gestaffelte Streitwertfestsetzung hat für die Gerichtsgebühren nicht zu erfolgen, da die Streitwertfestsetzung gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG lediglich der Bemessung der Gerichtsgebühren dient. Die Terminsgebühr des Rechtsanwalts kann sich zwar nach einem niedrigeren Wert zum Zeitpunkt des Termins richten; dann liegt jedoch ein Fall des § 33 Abs. 1 Alt. 1 RVG vor (im Anschluss an LAG Baden-Württemberg, AGS 2014, 562).

 

Verfahrensgang

LG Traunstein (Aktenzeichen 6 O 4810/14)

 

Tenor

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 29.975,57 EUR festgesetzt.

Ein überschießender Vergleichswert besteht nicht.

 

Gründe

I. Die Parteien haben im Berufungsverfahren über Schadensersatz und die Herausgabe von Unterlagen aus steuerberatender Tätigkeit gestritten.

Die Beklagten waren als Steuerberater für die Klägerin tätig. Im Jahr 2011 ließ der Managing Director der Klägerin die Beklagte zu 1 unter Fristsetzung auffordern, sämtliche steuerlichen Unterlagen ihn betreffend, die ab dem Jahr 2007 an die Beklagte zu 1 ausgehändigt wurden, an ihn herauszugeben. Die Klägerin hat vorgetragen, die Beklagten hätten es pflichtwidrig unterlassen, Jahresabschlüsse der Klägerin beim Betreiber des Bundesanzeigers fristgerecht einzureichen, weshalb mehrere Ordnungsgelder gegen die Klägerin verhängt worden seien.

Im ersten Rechtszug hat die Klägerin deswegen beantragt, die Beklagten zur Zahlung von 20.475,57 EUR nebst Zinsen zu verurteilen, ihre Ersatzpflicht für sämtliche Schäden aus der nicht fristgerechten Einreichung der Jahresabschlüsse festzustellen, und sie zur Herausgabe aller die Klägerin betreffenden Unterlagen zu verurteilen. Das LG Traunstein hat mit Endurteil vom 28.04.2016 (Bl. 105/115 d.A.) die Klage als unbegründet abgewiesen.

Die Klägerin hat das Urteil des LG mit ihrer Berufung zunächst in vollem Umfang angefochten (Berufungsbegründung vom 18.07.2016, Bl. 130/137 d.A.). Mit Schriftsatz vom 26.09.2016 (Bl. 148/149 d.A.) hat sie die Berufung teilweise zurückgenommen, nämlich hinsichtlich der Anträge auf Zahlung (Antrag zu 1) und Feststellung der Schadensersatzpflicht wegen nicht fristgerechter Einreichung der Jahresabschlüsse (Antrag zu 2), sowie den in der Berufungsbegründung als Antrag zu 3 gestellten Antrag auf Herausgabe von Unterlagen für die Jahre 2008 bis 2013 neu formuliert.

Mit Schriftsatz vom 07.10.2016 (Bl. 151/154 d.A.) hat die Klägerin einen Antrag zu 4 auf Feststellung des Verzugs und der Schadensersatzpflicht hinsichtlich der Herausgabe der Unterlagen formuliert. Bei der Klägerin würden sich mittlerweile Schäden dadurch aufbauen, dass sie eine Nachfolger-Steuerkanzlei nicht beauftragen könne, weil sie die Unterlagen nicht habe. Konkrete Schadensersatzansprüche könne die Klägerin noch nicht geltend machen, da die Auswirkungen auf Grund des Vorgehens der Beklagten noch nicht klar seien. Insbesondere seien bei Steuerprüfungen Nachprüfungen durch die Steuerbehörden nicht möglich, da es keine Buchhaltungsunterlagen von der Klägerin mehr gebe.

Im Berufungsverfahren unstreitig besitzen die Beklagten keine Unterlagen der Klägerin mehr. In der Berufungsverhandlung am 30.11.2016 (Prot. Bl. 160/165 d.A.) haben die Parteien den Herausgabeantrag (Antrag zu 3) übereinstimmend für erledigt erklärt. Sie haben unstreitig gestellt, dass die Beklagte zu 1 Vertragspartnerin der Klägerin war. Nach teilweiser Klagerücknahme (Prot. S. 5 f.) hat die Klägerin im Berufungsverfahren zuletzt noch beantragt festzustellen, dass die Beklagte zu 1 verpflichtet ist, alle Schäden zu tragen, die der Klägerin dadurch entstehen, dass die Beklagte zu 1 die Buchhaltungsunterlagen und Unterlagen zur Abgabe der Steuererklärung (Rechnungen, Lieferscheine, Kontoauszüge, Verträge mit Kunden der Klägerin) für die Kalenderjahre 2011, 2012 und 2013 nicht herausgegeben hat. Der Streitwert für den neuen Antrag sei auf 5.000,00 EUR zu schätzen.

Ein in der Sitzung vom 30.11.2016 geschlossener Vergleich der Parteien ist nicht widerrufen worden. Darin haben die Beklagten sich verpflichtet, zur endgültigen Abgeltung aller gegenseitigen Forderungen die Journale mit den Einzelbuchungen für die Kalenderjahre 2011, 2012 und 2013 der Klägerin zu übersenden.

II. Die Festsetzung des Berufungsstreitwerts beruht auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 39 Abs. 1, 40, 43 Abs. 1, 47, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO.

Der Berufungsstreitwert setzt si...

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