Leitsatz (amtlich)
Eine mangels Voreintragung des zurücktretenden Berechtigten materiell unwirksame Rangrücktrittsvereinbarung nach § 880 BGB kann eine wirksame Rangbestimmung i.S.d. § 45 Abs. 3 GBO enthalten.
Normenkette
GBO § 45 Abs. 3; BGB § 880
Verfahrensgang
LG Aschaffenburg (Beschluss vom 05.12.2005; Aktenzeichen 4 T 148/05) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des LG Aschaffenburg vom 5.12.2005 aufgehoben.
II. Die Gerichtskosten des Verfahrens der Beschwerde und der weiteren Beschwerde hat die Beteiligte zu 1) zu tragen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
III. Der Gegenstandswert für die Verfahren der Beschwerde und der weiteren Beschwerde wird auf je 20.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Im Rahmen der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft, welcher sie auch angehörte, übertrug die Beteiligte zu 1) im Jahre 1992 ihren Gesamthandsanteil am verfahrensgegenständlichen Grundbesitz auf ihren Sohn und erhielt im Gegenzug ein Leibgeding, bestehend aus einem Wohnungsrecht für eine Wohnung im Haus und einem Recht auf Wart und Pflege. Am Tag, an welchem der notarielle Erbauseinandersetzungsvertrag unterzeichnet wurde, bestellte der Sohn für die Beteiligte zu 2) eine Grundschuld über 350.000 DM an dem verfahrensgegenständlichen Grundbesitz.
Ebenfalls am selben Tag unterzeichnete die Beteiligte zu 1) eine notariell beglaubigte Erklärung, der zufolge sie mit ihrem Leibgeding unwiderruflich und vorbehaltlos im Range in den Rechten hinter die Grundschuld für die Beteiligte zu 2) zurücktrete. Sie beantragte und bewilligt die Eintragung des Rücktritts im Grundbuch.
Die drei bezeichneten notariellen Urkunden wurden gleichzeitig vom Urkundsnotar als Boten dem Grundbuchamt zum Vollzug vorgelegt. Sie wurden in der Weise vollzogen, dass der Sohn der Beteiligten zu 1) als Eigentümer und ihr Leibgeding im Rang nach der bewilligten Grundschuld eingetragen wurde.
Der Sohn verstarb im Jahre 2004; sein Nachlass war überschuldet. Die Beteiligte zu 1) beantragte 2005 beim AG - Grundbuchamt - die Berichtigung des Grundbuchs dahingehend, dass sie mit ihrem Leibgeding im Range der bewilligten Grundschuld vorgehe. Diesen Antrag wies das AG zurück. Gegen die Zurückweisung erhob die Beteiligte zu 1) Beschwerde zum LG mit dem Antrag, einen Amtswiderspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs im Hinblick auf die Rangverhältnisse einzutragen. Das LG gab der Beschwerde statt, hob den Beschluss des AG auf und wies das Grundbuchamt an, den Amtswiderspruch gegen den Vorrang der Grundschuld einzutragen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2), die durch ihre anwaltschaftlichen Prozessbevollmächtigen eingelegt wurde.
II. Die weitere Beschwerde ist gem. § 78 GBO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insb. in der Form des § 80 Abs. 1 GBO eingelegt. Sie hat in der Sache Erfolg:
1. Das LG hat ausgeführt:
Grundlage für die Vereinbarung der Rangfolge zwischen der Grundschuld und dem Leibgeding könne nicht § 880 Abs. 1 BGB sein, da ein Rangverhältnis nach dieser Vorschrift nur nachträglich vereinbart werden könne. Zum Zeitpunkt der Erklärung des Rangrücktritts sei die Beteiligte jedoch noch nicht als Berechtigte im Grundbuch eingetragen gewesen. Eine Rangbestimmung nach § 879 Abs. 3 BGB erfordere jedoch eine diesbezügliche dingliche Einigung zwischen dem Erwerber des Rechts und dem Eigentümer des Grundstücks; daran fehle es hier. Gleiches gelte für § 877 BGB.
2. Die Ausführungen des LG halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand:
Von der Beteiligten zu 2) wird zu Recht geltend gemacht, dass für das Verfahren des Grundbuchamts bei Eintragung von Belastungen eines Grundstücks gem. § 19 GBO nicht das materielle, sondern das formelle Konsensprinzip von Bedeutung sei. Das Grundbuchamt hatte gerade nicht zu prüfen, ob eine wirksame materiell-rechtliche Einigung zwischen den Beteiligten vorlag, sondern lediglich, ob eine formgültige Bewilligung gegeben war. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt dabei nach § 20 GBO lediglich für den Fall der Auflassung eines Grundstücks.
Die GBO sieht für eine anfängliche Rangbestimmung in § 45 Abs. 3 eine Möglichkeit vor, während die nachträgliche Rangänderung des § 880 BGB im Grundbuch nur mit Antrag und Bewilligung gem. §§ 13, 19, 29 GBO vollzogen werden kann.
Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 3 GBO sind erfüllt. Am selben Tag wurden dem Grundbuchamt zum Vollzug ohne besondere Kennzeichnung einer Reihenfolge die Bestellung des Leibgedings, die Bestellung der Grundschuld und die Rangrücktrittserklärung der Beteiligten zu 1) vorgelegt. Zwar wurde bei der Grundschuldbestellung dieser die "nächst offene Rangstelle" zugewiesen, doch enthält dies keine Rangbestimmung (BayObLG Rpfleger 1976, 302 [303]). Dagegen enthielt die Rangrücktrittserklärung der Beteiligten zu 1) eine ausdrückliche Rangbestimmung, wenn auch ein Rangrücktritt zu diesem Zeitpunkt materiellrechtlich deswegen noch nicht möglich war, weil die Beteiligte zu 1) noch nicht als Berechtigte i...