Leitsatz (amtlich)
1. § 54c Abs. 3 BeurkG begründet unter den dort geregelten Voraussetzungen die Amtspflicht des Notars, sich jeder Verfügung über das Verwahrungsgut zu enthalten.
2. Die in einem notariellen Vorbescheid nach § 15 BNotO gesetzte Frist zur Einlegung der Beschwerde hat nicht zugleich die Wirkung einer Frist zur Beibringung des Rechtshängigkeitsnachweises nach § 54c Abs. 3 BeurkG. Soll die gesetzte Frist für beides gelten, muss das eindeutig zum Ausdruck kommen.
Normenkette
BeurkG § 54c; BNotO § 15
Verfahrensgang
LG München II (Beschluss vom 03.01.2008; Aktenzeichen 8 T 5671/07) |
Tenor
I. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 werden der Beschluss des LG München II vom 3.1.2008 und der Vorbescheid des Urkundsnotars vom 17.10.2007 abgeändert.
II. Der Urkundsnotar wird angewiesen, sich jeder Verfügung über den auf Notaranderkonto hinterlegten Kaufpreis zu enthalten.
III. Im Übrigen wird die weitere Beschwerde zurückgewiesen.
IV. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens vor dem LG und des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf jeweils 75.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Mit notarieller Urkunde vom 24.8.2007 haben die Beteiligte zu 1, eine Kommanditgesellschaft, und die Beteiligte zu 2, eine GmbH, die zuvor zu Urkunde desselben Notars am gleichen Tag gegründet worden war, einen Kaufvertrag über mehrere Grundstücke sowie Teilflächen noch zu vermessender Grundstücke geschlossen. Die Vertragsparteien streiten über den weiteren Vollzug dieser Urkunde.
Die Beteiligte zu 1 (Verkäuferin) hält den Vertrag aus mehreren Gründen für unwirksam und verlangt vom Notar, dass der Vollzug der Urkunde nicht weiter betrieben wird. Sie trägt u.a. vor, dass die Vertretungsmacht des für sie handelnden Geschäftsführers ihrer Komplementärin im Innenverhältnis beschränkt gewesen sei. Dies sei der Beteiligten zu 2 (Käuferin) bekannt gewesen oder habe sich ihr aufdrängen müssen. Der Geschäftsführer sowie ablöseberechtigte Gläubiger hätten von der Käuferin für den Abschluss des der Verkäuferin nachteiligen und dem Geschäftsführer im Innenverhältnis untersagten Geschäfts Provisionen erhalten oder erhalten sollen. Es liege kollusives Zusammenwirken zwischen ihrem Vertreter und dem Vertragsgegner oder jedenfalls ein Fall des offensichtlichen Missbrauchs der Vertretungsmacht vor. Auch die Käuferin, damals erst eine im Gründungsstadium befindliche Gesellschaft, sei nicht wirksam vertreten gewesen; denn deren Geschäftsführer sei nur ermächtigt gewesen, Grundstücke bis zu einem Maximalbetrag von 3.000 EUR zu kaufen, während hier ein Kaufpreis von 1,5 Mio. EUR beurkundet worden sei. Darüber hinaus bestehe ein krasses Missverhältnis zwischen tatsächlichem Grundstückswert und dem von der Käuferin bezahlten Kaufpreis von (unter Berücksichtigung weiterer im Vertrag übernommener Verpflichtungen der Verkäuferin) effektiv 1,35 Mio. EUR; der Vertrag sei sittenwidrig und nichtig. Ein weiterer Unwirksamkeitsgrund ergebe sich schließlich auch aus dem Verstoß gegen die Formvorschrift des § 311b BGB, der darin liege, dass die genannten Provisionszahlungen als Nebenabreden hätten beurkundet werden müssen, aber nicht beurkundet wurden.
Mit Schreiben vom 29.8.2007 und erneut mit Anwaltsschriftsatz vom 6.9.2007 focht die Verkäuferin den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung an. Sie widerrief alle im Kaufvertrag erteilten Vollmachten.
Die Käuferin bestreitet den Sachvortrag der Verkäuferin in weiten Teilen, hält den Vertrag für wirksam und besteht auf dem weiteren Vollzug der Urkunde. Sie macht geltend, dass ihr bei weiterer Verzögerung großer Schaden durch etwaigen Verlust des mit dem Erwerb der Grundstücke geplanten Entwicklungsprojekts entstehen könne.
Mit Schriftsatz vom 12.10.2007, der Käuferin zugestellt am 17.10.2007, erhob die Verkäuferin Klage zum LG Amberg mit den Anträgen auf Feststellung der Unwirksamkeit des Kaufvertrags und auf Zustimmung zur Löschung der Auflassungsvormerkung.
Am 17.10.2007 erließ der Urkundsnotar einen Vorbescheid, in dem er unter Darstellung des Sachstands und Abwägung denkbarer Schadensentwicklungen ankündigt, vorbehaltlich eines Rechtsmittels nach § 15 BNotO ab dem 24.10.2007 die Auszahlung des hinterlegten Kaufpreises an die ablöseberechtigten Gläubiger sowie an die Verkäuferin durchzuführen und nach Zahlung der Ablösebeträge und des Kaufpreises die Eigentumsumschreibung auf die Käuferin zu beantragen.
Mit weiterem Schreiben vom 25.10.2007 teilte der Urkundsnotar der Verkäuferin mit, dass ein gerichtliches Verfahren nach § 54c Abs. 3 Nr. 2 BeurkG nicht nachgewiesen und der Widerspruch der Verkäuferin gegen die Hinterlegungsanweisung damit unbeachtlich geworden sei. Am gleichen Tag erweiterte die Verkäuferin die zum LG Amberg erhobene Zivilklage um den Klageantrag auf Verurteilung der Käuferin zum Widerruf der dem Notar erteilten Vollzugsanweisungen. Klageerweiterung und Zustellnachweis der Klage teilte sie dem Notar mit. Ferner erwirkte sie die am 26.10.2007 erfolgte Eintragung eines Rechtshängigkeitsvermerks i...