Leitsatz (amtlich)
Eintritt der gesetzlichen Erbfolge, wenn der Erblasser nur über einen geringen Teil seines Nachlasses verfügt und eine Erbeinsetzung durch spätere gesonderte Verfügung beabsichtigt hat, zu der es dann aber nicht mehr gekommen ist. Die unterlassene letztwillige Verfügung kann nicht durch Auslegung ersetzt werden.
Normenkette
BGB §§ 2084, 2087
Verfahrensgang
LG Augsburg (Beschluss vom 07.10.2009; Aktenzeichen 5 T 891/09) |
AG Augsburg (Beschluss vom 28.01.2009; Aktenzeichen VI 1299/08) |
Tenor
I. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 7 werden der Beschluss des LG Augsburg vom 7.10.2009 und der Beschluss des AG Augsburg vom 28.1.2009 aufgehoben.
II. Der Geschäftswert für das Verfahren der Beschwerde und der weiteren Beschwerde wird auf jeweils 345.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die verwitwete und kinderlose Erblasserin verstarb am 11.5.2008 im Alter von 84 Jahren. Sie hat keine nahen Angehörigen. Die Beteiligten zu 1 bis 6 sind im nachfolgend wiedergegebenen Testament bedachte Bekannte der Erblasserin bzw. deren Kinder. Nachlasspflegschaft ist angeordnet. Die Ermittlungen zu den gesetzlichen Erben sind noch nicht abgeschlossen; entfernte Verwandte leben möglicherweise in den Vereinigten Staaten.
Am 20.3.2007 errichtete die Erblasserin ein handschriftliches Testament mit im Wesentlichen folgendem Inhalt:
"Testament
Ich (Erblasserin) erkläre hiermit im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte meinen letzten Willen. Ich bin verheiratet, mein Ehegatte ... ist 2004 verstorben. Ich habe keine Abkömmlinge und keine Adoptierten. Ich bin deutsche Staatsangehörige. Seit dem Tode meines Ehemannes habe ich nicht mehr geheiratet. Mein derzeitiges Vermögen besteht im Wesentlichen aus meiner Wohnungseinrichtung, meinen persönlichen Sachen und Bankguthaben bei der Stadtsparkasse A..
Ich erkläre hiermit zu meinen Erben wie folgt:
1. Herr R. B. (Beteiligter zu 1)... Besitzer der R-Apotheke in A. 5.000 EUR
2. Herr N. K. (Beteiligterzu2)... München 5.000 EUR
3. seine Ehefrau M. K. (Beteiligtezu3)... M. 5.000 EUR
4. die beiden Söhne (Beteiligte zu 4 und 5)... für die spätere Ausbildungje2.500 EUR 5.000 EUR
5. Frau A. T. (Beteiligtezu6)... A. 5.000 EUR
Sollte noch ein Restbetrag übrig bleiben, so bitte ich diesen unter Vorgenannten aufzuteilen. Zu meinem Testamentsvollstrecker bitte ich Frau M. B. zu bestimmen. Augsburg, (Datum) (Unterschrift)"
In einem handschriftlichen Schreiben vom 16.6.2007 bestimmte die Erblasserin, dass "die schwarze Tasche samt Inhalt" Frau M. B. (oben genannte Testamentsvollstreckerin) gehört. Das Testament vom 20.3.2007 und das Schreiben vom 16.6.2007 befanden sich in einem Umschlag mit der Aufschrift "Testament". In einem Schreiben vom 9.4.2007 vermachte die Erblasserin mehrere Gegenstände aus ihrer Wohnung den Beteiligten zu 2 und 3, und in einem weiteren Schreiben vom (ebenfalls) 16.6.2007 der Beteiligten zu 6 den Wohnzimmerteppich.
Zum Todestag beliefen sich die Bankguthaben (sämtlich, wie im Testament vom 20.3.2007 angegeben, bei der Sparkasse Augsburg) auf rund 398.000 EUR; der Reinnachlass wurde mit 403.000 EUR berechnet.
Die Beteiligten zu 1 bis 6 sind der Auffassung, dass sie Miterben zu je 1/5 (die zwei Kinder zu je 1/10) sind; ein entsprechender Erbscheinsantrag wurde gestellt. Ihre Erbenstellung ergebe sich daraus, dass sie über die festgelegten Geldbeträge hinaus auch den "Restbetrag" erhalten sollen.
Die unbekannten gesetzlichen Erben (Beteiligte zu 7), vertreten durch die gerichtlich bestellte Pflegerin, wenden sich gegen den Erbscheinsantrag. Nach ihrer Auffassung sind die Beteiligten zu 1 bis 6 Vermächtnisnehmer und ist gesetzliche Erbfolge eingetreten.
Das Nachlassgericht hat Erhebungen bei der Stadtsparkasse Augsburg, dem Hausarzt und bei der Sozialstation durchgeführt sowie die Steuerberaterin der Erblasserin und die Testamentsvollstreckerin mündlich angehört. Mit Beschluss vom 28.1.2009 kündigte es im Wege des Vorbescheids die Erteilung des beantragten Erbscheins an. Die Beschwerde der Beteiligten zu 7 wies das LG nach Anhörung zweier weiterer Zeuginnen zurück. Gegen diese Entscheidung wendet sich die namens der unbekannten Erben eingelegte weitere Beschwerde.
II. Die zulässige weitere Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Die im Testament vom 20.3.2010 bedachten Personen sind nur Vermächtnisnehmer. Es tritt gesetzliche Erbfolge ein.
1. Das LG hat im Wesentlichen ausgeführt: Die Zuwendung bestimmter Geldbeträge an die Beteiligten zu 1 bis 6 spreche zunächst nach der Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB für Vermächtnisse. Die Auslegungsregel komme jedoch nicht zum Tragen, da nur scheinbar die Zuwendung einzelner Beträge vorliege. Aus der Aufteilung des Restbetrages unter den Beteiligten ergebe sich, dass die Erblasserin die Bedachten als Erben ihres ganzen Vermögens habe einsetzen wollen. Die Zuwendung von Gegenständen in den weiteren Testamenten spreche nicht dagegen, diese seien Vorausvermächtnisse. Die Erblasserin habe über ihren gesamten Nachlass verfügen wollen. Sie habe ihr Vermögen ge...