Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 27.03.2015; Aktenzeichen 17 O 19543/14)

 

Tenor

A.1. Der Senat beabsichtigt, die Berufungen beider Parteien vom 05.08.2015 bzw. 20.07.2015 gegen das Endurteil des LG München I vom 27.03.2015 durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 II 1 ZPO wegen offensichtlich fehlender Erfolgsaussicht zurückzuweisen.

Weder eine grundsätzliche Bedeutung der Sache noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung (§ 522 II 1 Nr. 1-3 ZPO); eine solche ist auch nicht aus sonstigen Gründen geboten (§ 522 II 1 Nr. 4 ZPO).

2. Es wird hiermit Gelegenheit zur Stellungnahme zu der beabsichtigten Entscheidung bis zum 20.09.2015 gegeben (§ 522 II 2 ZPO).

Wichtige Hinweise:

  • Die vorstehende, großzügig bemessene Frist (nach allgemeiner Meinung genügt an sich entsprechend § 277 III ZPO eine Replikfrist von zwei Wochen) kann nur ganz ausnahmsweise aufgrund eines schriftlichen, eingehend begründeten und hinsichtlich des tatsächlichen Vortrags nach Maßgabe des § 294 I ZPO glaubhaft gemachten Antrags verlängert werden (vgl. zu den strengen Anforderungen an eine Verlängerung der Hinweisreplikfrist OLG Rostock OLG-NL 2004, 228 und NJOZ 2004, 680; Doukoff, Zivilrechtliche Berufung, 5. Aufl. 2013, Rz. 994). Mit einer Verlängerung um mehr als zwei Wochen kann grundsätzlich nicht gerechnet werden.
  • Der Hinweis nach § 522 II 2 ZPO dient nicht der Verlängerung der gesetzlichen Berufungsbegründungsfrist (OLG Koblenz NJOZ 2007, 698; Senat in st. Rspr., grdl. Beschl. v. 17.09.2008 - 10 U 2272/08, zuletzt eingehend Beschl. v. 21.08.2012 - 10 U 1836/12; Doukoff, a.a.O. Rz. 998); neuer Sachvortrag ist nur in den Grenzen der §§ 530, 531 II 1 ZPO zulässig (BGHZ 163, 124 = NJW 2005, 3067), wobei die Voraussetzungen des § 531 II 1 ZPO glaubhaft zu machen sind (§ 531 II 2 ZPO).

3. Nach Sachlage empfiehlt es sich, zur Vermeidung unnötiger weiterer Kosten die Rücknahme der Berufung binnen dieser Frist zu prüfen (im Falle einer Rücknahme ermäßigt sich gem. Nr. 1222 Satz 2 KV-GKG die Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen von 4,0 auf 2,0).

4. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 275.000,- EUR festzusetzen.

 

Gründe

I. Eine mündliche Verhandlung ist nicht gem. § 522 II 1 Nr. 4 ZPO geboten.

Eine "existentielle Bedeutung" des Rechtsstreits für die Berufungsführer aufgrund der Natur des Rechtsstreits ist nicht gegeben: Der Rechtsstreit betrifft zwar Schmerzensgeldansprüche nach einem Verkehrsunfall mit schweren und dauerhaften Verletzungen des Klägers, dies allein - ebenso wie der vom Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren beispielshalber genannten Arzthaftungsprozess - begründet ohne Hinzutreten weitere Umstände noch keine solche "existentielle Bedeutung" (vgl. für Arzthaftungsprozesse OLG München, Beschl. v. 16.2.2012 - 1 U 4433/11 [juris, dort Rz. 23]; OLG Koblenz MedR 2013, 300 [Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschl. des BGH v. 20.11.2012 - VI ZR 157/12 nicht angenommen]); Beschl. v. 19.8.2014 - 5 U 279/14 [juris; Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschl. des BGH v. 20.1.2015 - VI ZR 367/14 nicht angenommen]). Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten, wenn sie wie hier absehbar nicht zu einem entscheidungserheblichen Erkenntnisgewinn führen kann (OLG Oldenburg, Beschl. v. 1.3.2012 - 6 U 233/11 [BeckRS 2014, 06054]; OLG Celle, Beschl. v. 27.7.2012 - 11 U 40/12 [BeckRS 2013, 09741]; OLG Koblenz, Beschl. v. 30.1.2013 - 5 U 324/12 [juris, dort Rz. 27]).

Eine "existentielle Bedeutung" des Rechtsstreits ist auch nicht wegen der Höhe des in Streit befindlichen Betrages gegeben:

  • Die absolute Höhe des Betrages ist grundsätzlich nicht entscheidend (OLG Koblenz, Beschl. v. 16.02.2012 - 10 U 817/11 [juris, dort Rz. 28]; r+s 2013, 450 [451 für eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente von knapp 400 EUR]; OLG Hamm, Beschl. v. 18.09.2013 - 3 U 106/13 [BeckRS 2014, 15433] in einer Arzthaftungssache; Hk-ZPO/Wöstmann, 5. Aufl. 2013, § 522 Rz. 12a; BL/Hartmann, ZPO, 73. Aufl. 2015, § 522 Rz. 16).
  • Eine Gefährdung der wirtschaftliche Existenz der Berufungsführer (vgl. zu dieser Fallgestaltung OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 30.8.2012 - 21 U 34/11 [juris, dort Rz. 4; Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschl. des BGH v. 20.2.2014 - VII ZR 265/12 [juris] zurückgewiesen]; Stackmann JuS 2011, 1087 [1088 unter II 4]) ist hinsichtlich des Klägers weder dargetan noch sonst ersichtlich, hinsichtlich der Beklagten als größtem europäischen Versicherungsunternehmen ausgeschlossen.

II. Die Berufungen sind auch offensichtlich unbegründet (§ 522 II 1 Nr. 1 ZPO).

1. Eine offensichtliche Unbegründetheit ist gegeben, wenn für jeden Sachkundigen ohne längere Nachprüfung erkennbar ist, dass die vorgebrachten Berufungsgründe (solche sind nur eine Rechtsverletzung [§ 513 I Var. 1i. Verb. m. § 546 ZPO], eine unrichtige Tatsachenfeststellung [§ 513 I Var. 2i. Verb. m. § 529 I Nr. 1 ZPO] oder das Vorbringen neuer berücksichtigungsfähiger Angriffs-...

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