Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Einberufung einer Wohnungseigentümerversammlung ist der Gegenstand der beabsichtigten Beschlussfassung derart anzugeben, dass die Beteiligten weitestgehend vor Überraschungen geschützt sind und ihnen die Möglichkeit der Vorbereitung und der Überlegung, ob ihre Teilnahme veranlasst ist, gegeben wird (BayObLG WuM 1985, 100). Der Beschlussgegenstand ist umso genauer in der Ladung zu bezeichnen, je größer seine Bedeutung und je geringer der Wissensstand des einzelnen Eigentümers hierzu ist.
2. Bei der geplanten Großsanierung einer mittelgroßen Wohnanlage reicht in der Einberufung der Eigentümerversammlung die Angabe "Beschluss über ergänzende und weiterführende Beschlüsse zur Großsanierung" nicht aus, wenn über konkrete bauliche Einzelmaßnahmen beschlossen werden soll.
3. Zur Kostentragungspflicht des Verwalters bei fehlerhafter Einberufung der Eigentümerversammlung.
Normenkette
WEG § 23 Abs. 2, § 47
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 10.03.2006; Aktenzeichen 1 T 19016/05) |
AG München (Aktenzeichen 483 UR II 496/03) |
Tenor
I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluss des LG München I vom 10.3.2006 wird zurückgewiesen mit folgender Maßgabe:
Von den Gerichtskosten des ersten und zweiten Rechtszugs mit Ausnahme der Sachverständigenkosten trägt die weitere Beteiligte 9/10, die Antragstellerin 1/10. Die Sachverständigenkosten tragen samtverbindlich die Antragsgegner. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
II. Die Antragsgegner tragen samtverbindlich die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 15.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer mittelgroßen Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird. In der Wohnanlage wird seit dem Jahr 2001 die Sanierung des Gebäudes in einer finanziellen Größenordnung von ca. 440.000 EUR geplant. Mit Schreiben vom 8.4.2003 berief die Verwalterin eine ordentliche Wohnungseigentümerversammlung am 28.4.2003 ein. In der in dem Einladungsschreiben enthaltenen Tagesordnung ist neben den üblichen jährlichen Tagesordnungspunkten vorgesehen:
"Tagesordnungspunkt (TOP) 9: Beschluss über ergänzende und weiterführende Beschlüsse zur Großsanierung".
An der Eigentümerversammlung vom 28.4.2003 nahmen nicht alle Eigentümer teil. In dem Protokoll der Eigentümerversammlung ist festgehalten:
"Zu TOP 9: Beschluss über ergänzende und weiterführende Beschlüsse zur Großsanierung
Herr Dipl.-Ing. B. berichtet den anwesenden Eigentümern über den derzeitigen Planungsstand seiner Untersuchungen und verteilt dazu das entsprechende Informationsmaterial.
Die dabei noch zu klärenden Fragen werden dann wie folgt von der Gemeinschaft entschieden:
Zu 1. Die bestehenden Balkontröge werden abgebrochen und durch neue Betontröge in L-Form sowie einen Handlauf in Edelstahl ersetzt.
Zu 2. Die Balkon- und Terrassenbeläge werden wie folgt ausgeführt - Betonwerkstein, geschliffen, ca. 30 cm × 30 cm.
Zu 3. Fassadengestaltung (... Fassadenneuanstrich - Gestaltungskommission..).
Beschluss:
Zustimmung: 18 Stimmen, Ablehnung: ..., Enthaltung: ...,
Der Versammlungsleiter verkündet das Abstimmungsergebnis:
Der Beschluss wurde einstimmig angenommen."
Alleine die zu 1. beschlossene Maßnahme hat dabei einen finanziellen Umfang von ca. 35.000 EUR.
Das AG hat mit Beschluss vom 7.9.2005 den Beschluss der Eigentümerversammlung zu TOP 9.3 für ungültig erklärt und im Übrigen (hinsichtlich TOP 9.1 und 9.2 sowie zwei weiterer Verpflichtungsanträge) die Anträge nach Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen. Dagegen hat die Antragstellerin, soweit ihr nachteilig, sofortige Beschwerde eingelegt. Hinsichtlich der Verpflichtungsanträge wurde die sofortige Beschwerde mit Schriftsatz vom 30.12.2005 zurückgenommen. Das LG hat mit Beschluss vom 10.3.2006 wegen eines Ladungsmangels auch die Beschlüsse zu TOP 9.1 und 9.2 für ungültig erklärt. Die Gerichtskosten hat es für beide Verfahrenszüge zu 1/10 der Antragstellerin und zu 9/10 den Antragsgegnern auferlegt. Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner.
II. Die zulässige sofortige weitere Beschwerde ist im Wesentlichen nicht begründet.
1. Das LG hat ausgeführt:
Die angefochtenen Beschlüsse seien aufgrund eines Ladungsmangels für ungültig zu erklären, da der Gegenstand der Beschlussfassung bei der Einberufung der Wohnungseigentümerversammlung nicht ausreichend bezeichnet worden sei, § 23 Abs. 2 WEG. Entscheidend für die Anforderungen an die Genauigkeit der Bezeichnung sei das jeweilige Informationsbedürfnis der einzelnen Wohnungseigentümer. Genaue Einzelheiten des Beschlussgegenstandes bräuchten aber nicht angegeben zu werden. Danach decke die Einladung vom 8.4.2003 weder die Beschlussfassung über den Austausch der Balkontröge noch über die Ausführung der Balkon- und Terrassenbeläge. Die Beschlussfassun...