Leitsatz (amtlich)
1. Die Formulierung "gleichzeitiges Ableben" in einem gemeinschaftlichen Testament umfasst regelmäßig nicht nur den unwahrscheinlichen Fall des im gleichen Bruchteil einer Sekunde eintretenden Todes, sondern auch den Fall, dass die Ehegatten innerhalb eines kürzeren Zeitraums nacheinander sterben, sei es aufgrund ein und derselben Ursache, z.B. eines Unfalls, sei es aufgrund verschiedener Ursachen, wenn der Überlebende nach dem Tod des Erstversterbenden praktisch keine Möglichkeit mehr hat, ein Testament zu errichten.
2. Ein von dem so verstandenen Wortlaut abweichender gemeinsamer Wille der Ehegatten, dass die Schlusserbeneinsetzung auch dann gelten soll, wenn ein Ehegatte den anderen um viele Jahre überlebt, ergibt sich nicht in jedem Fall schon daraus, dass die getroffene Schlusserbeneinsetzung erläutert wird und die Erläuterung nicht speziell auf das "gleichzeitige Ableben" abstellt (Abgrenzung zu OLG München, Beschluss vom 16.7.2007, FamRZ 2008, 921).
Normenkette
BGB § 2269
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 25.01.2010; Aktenzeichen 16 T 20352/09) |
AG München (Beschluss vom 06.08.2009; Aktenzeichen 60 VI 5383/09) |
Tenor
I. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 werden der Beschluss des LG München I vom 25.1.2010 und der Beschluss des AG München vom 6.8.2009 aufgehoben.
II. Das Nachlassgericht wird angewiesen, dem Beteiligten zu 1 einen Erbschein zu erteilen, der ihn als Alleinerben ausweist.
III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 1.240.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der kinderlose, verwitwete Erblasser ist im März 2009 im Alter von 87 Jahren verstorben. Seine Ehefrau (geb. 1918), mit der er seit 1948 verheiratet war, ist 1998 vorverstorben. Der Beteiligte zu 1 ist ein Bruder des Erblassers. Die Beteiligte zu 2 wird im gemeinschaftlichen Testament der Ehegatten als "verwandt" mit der Ehefrau bezeichnet, im späteren Einzeltestament des Erblassers als "Cousine meiner verstorbenen Frau". Nach ihren zuletzt gemachten Angaben ist einer ihrer Ur-Ur-Großväter ein UrGroßvater der Ehefrau des Erblassers; Cousinen, d.h. Kinder von Geschwistern, wären danach die Mutter der Ehefrau des Erblassers und die Großmutter der Beteiligten zu 2.
Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus Bankguthaben und Wertpapieren; der Reinnachlasswert beträgt rund 1,2 Mio. EUR. Es liegt ein vom Erblasser geschriebenes, von beiden Ehegatten unterschriebenes Testament vom 11.10.1995 vor, das auszugsweise wie folgt lautet:
"I. Wir die Eheleute Karl und Maria D. setzen uns gegenseitig als Alleinerben ein. Der Überlebende beerbt den anderen allein.
II. Bei gleichzeitigem Ableben von uns Beiden erbt (Beteiligte zu 2) (verwandt mit Frau Maria D.), derzeit wohnhaft in ... alles als Alleinerbin.
Sollte sie vor uns verstorben sein, so erben an ihrer Stelle je zur Hälfte
1. ihr Ehemann ...
2. ihre Tochter ...
III. Sofern bei unseren Ableben noch am Leben erhalten als Vermächtnis
1. 50.000 DM Frau Mathilde V., geb. D. (Schwester von Karl D.) derzeit wohnhaft ...
2. 50.000 DM Franz D., (Bruder von Karl D.), derzeit wohnhaft ..."
Die vom Erblasser handschriftlich verfasste "Anmerkung zum Testament" lautet:
"Meinen Geschwistern Mathilde und Franz möchte ich noch erklären, warum ich sie nur mit einem Vermächtnis und nicht als Miterben eingesetzt habe.
Der Sohn von Franz beerbt meines Wissens Franz und auch Mathilde als Alleinerbe. Er würde dann auch noch deren Anteil an unserem Vermögen - soweit noch vorhanden - erben, was nicht in meinem Sinne wäre. Der Sohn von Franz, war mir seit seiner Jugend unversöhnlich gesinnt, weil ... (folgt Begründung).
Das wollte ich meinen Geschwistern, zu denen ich ein sehr inniges Verhältnis hatte, übrigens auf Gegenseitigkeit, noch erklären. Sie leben beide in guten Verhältnissen, so dass sie auf ein größeres Erbe von mir nicht angewiesen sind.
Im Übrigen stammt ein großer Vermögensteil von Maria D., aus dem Verkaufserlös des Anwesens in der A.-Straße."
Mit eigenhändigem Testament vom 27.12.2002 setzte der Erblasser seinen Bruder Franz, den Beteiligten zu 1, ersatzweise dessen Sohn als Erben seines gesamten Vermögens auf Bankkonten und -depots ein. Die Beteiligte zu 2 sollte die Wohnungseinrichtung und alles in der Wohnung Befindliche erhalten sowie 30.000 EUR, um damit u.a. die Miete bis zur Räumung der Wohnung zu bezahlen.
Der Beteiligte zu 1 beantragte einen Erbschein als Alleinerbe aufgrund des Testaments vom 27.12.2002. Das gemeinschaftliche Testament vom 11.10.1995 enthalte keine Schlusserbeneinsetzung für den Fall, dass der Erblasser erst mehr als zehn Jahre nach seiner Ehefrau versterbe. Die Beteiligte zu 2 vertritt hingegen die Auffassung, das Testament vom 11.10.1995 enthalte eine bindende Schlusserbeneinset-zung auch für den Fall, dass die Eheleute nicht gleichzeitig versterben würden.
Mit Beschluss vom 6.8.2009 kündigte das Nachlassgericht an, der Beteiligten zu 2 einen Erbschein als Alleinerbin zu erteilen. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 wies das LG mit Beschlu...