Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen für die Löschung eines Nacherbenvermerks.
2. Die fehlende Berechtigung eines Beteiligten, einen Erbschein beantragen zu können, ändert nichts an der Pflicht, den Wegfall der Nacherbfolge urkundlich zu beweisen.
3. Der erfolglose Berichtigungsantrag von Beteiligten kann unter besonderen Voraussetzungen Anlass sein, im Amtsverfahren nach § 84 GBO die Löschung einer Eintragung zu prüfen.
Normenkette
BGB § 2108 Abs. 2, § 2113; GBO § 22 Abs. 1, § 35 Abs. 1 S. 1, §§ 51, § 84 ff.
Verfahrensgang
AG Rosenheim - Grundbuchamt (Beschluss vom 10.03.2011) |
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des AG Rosenheim - Grundbuchamt - vom 10.3.2011 wird zurückgewiesen.
II. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 60.000 EUR.
Gründe
I. Der 1945 verstorbene Theaterintendant Otto F. war Eigentümer eines Grundstücks. Nach dessen Tod wurde auf der Grundlage eines Erbscheins vom 14.3.1946 dessen Witwe Lily F. als Grundstückseigentümerin und in der Zweiten Abteilung des Grundbuchs zugleich folgender Nacherbenvermerk eingetragen:
"Nacherben des Otto F. sind die Söhne
a) Harald F., ...
b) Otto F., z. Zt. noch in Kriegsgefangenschaft.
Die Nacherbfolge tritt ein mit dem Tod der Vorerbin. Die Nacherben sind auf dasjenige eingesetzt, was beim Tod der Vorerbin vom Nachlass übrig ist. Sollte einer der Nacherben vor der Witwe versterben, so soll sein Erbteil dem Bruder zufallen. Sollte einer der Brüder eheliche Leibeserben haben, so sollen diese an deren Stelle treten."
Bei den beiden als Nacherben bezeichneten Personen handelt es sich um Söhne des Erblassers aus dessen erster Ehe, also um Stiefkinder der Vorerbin. Lily F. überließ mit Vertrag vom 19.2.1947 das Grundstück schenkungsweise an Babette Sp.; in der Urkunde ist als Motiv aufgeführt:
"Die Schenkung erfolgt mit Rücksicht darauf, dass die Beschenkte den verstorbenen Ehemann der Erbin während der langen Dauer seiner schweren Krankheit in vorbildlicher Weise sich seiner angenommen hat."
Weiter heißt es, die Beteiligten wüssten, dass mit Rücksicht auf die angeordnete Nacherbfolge zwischen Schenkung und Eigentumsübertragung die Genehmigung der beiden Nacherben erforderlich sei. Ferner ist festgehalten:
"Frau F. erklärte zu vorstehender Schenkung, dass ihr verstorbener Mann wiederholt den Wunsch geäußert hat, dass im Fall einer Veräußerung des Vertragsgrundstücks dieses an Fräulein Sp. schenkungsweise übergehen soll."
Die 1950 in das Grundbuch als Eigentümerin eingetragene Babette Sp. ist verstorben und wurde von Gertraud D. beerbt, die ihrerseits ins Grundbuch eingetragen wurde. Gertraud D. verstarb am 18.10.2007. Als Eigentümer des Grundstücks sind seit 17.6.2008 die Beteiligten zu 1 bis 4 in Erbengemeinschaft eingetragen. Eingetragen ist noch der Nacherbenvermerk.
Am 23.9.2010 haben die Beteiligten zu 1 bis 4 Antrag auf Löschung des Nacherbenvermerks gestellt. Sie halten das Rechtsgeschäft aus dem Jahr 1947 gegenüber den Nacherben für wirksam. Im Übrigen hätten die beiden nachkommenslosen und unverheirateten Nacherben den Nacherbfall nicht erlebt. Otto F. sei aus dem Zweiten Weltkrieg nicht heimgekehrt. Harald F. sei im Juli 1983 in Düsseldorf unverheiratet und ohne Leibesnachkommen verstorben. Spätestens mit dem Tod dieses letzten Nacherben sei die 1986 verstorbene Lily F. Vollerbin geworden.
Das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 10.3.2011 den Antrag zurückgewiesen. Lily F. sei (befreite) Vorerbin gewesen; der Nachweis einer Anstandsschenkung sei nicht erbracht. Die Frage sei vielmehr unter den Beteiligten höchst umstritten gewesen. Von Vollerbschaft der Lily F. könne nicht ausgegangen werden. Hinsichtlich des 1983 verstorbenen Nacherben Harald F. ergebe sich aus den Nachlassakten, dass dieser ledig war und keine Abkömmlinge hatte. Für den im Zweiten Weltkrieg verschollenen Otto F. fehle zu Tod und Todeszeitpunkt eine Todeserklärung. Auch fehle der Nachweis, dass keine ehelichen Abkömmlinge vorhanden seien.
Hinsichtlich des Nacherben Harald F. sei das Nacherbenrecht grundsätzlich vererblich (vgl. § 2108 Abs. 2 BGB). Ob dies der Fall sei, wäre vom Nachlassgericht im Fall der Erteilung eines Erbscheins zu klären. Aus dem ursprünglichen - mit Beschluss vom 6.5.1986 als unrichtig eingezogenen - Erbschein vom 14.3.1946 gehe das nicht hervor. Der Nacherbe Harald F. habe in seinem Testament seine Stiefschwester als Alleinerbin eingesetzt, die allerdings die Erbschaft wegen Überschuldung ausgeschlagen habe, indessen aber grundsätzlich anfechtungsberechtigt sei und als Erbin in Frage käme. Nur wenn ein unbedingter Vollerbschein vorgelegt werde, könne der Nacherbenvermerk gelöscht werden.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten. Sie meinen, es liege eine - nachgewiesene - Anstandsschenkung vor. Überdies habe der Nacherbe Harald F. die Schenkung später anerkannt. Der Übertragungsanspruch dürfte auch verjährt sein. Die Schenkende sei überdies Vollerbin geworden, weil die Nacherben vor ihr verstorben seien. Die Nacherbschaft sei auf die beiden ...