Leitsatz (amtlich)
Zur Wirksamkeit einer BtM-Anklage kann es auch ausreichen, wenn nur konkrete Angaben zum Tatzeitraum, zum Tatort sowie zu den Grundzügen der Taten enthalten sind.
Das Schweigen des Angeklagten darf bei der Strafzumessung nicht zu seinen Lasten herangezogen werden.
Verfahrensgang
AG Memmingen (Entscheidung vom 28.06.2011) |
Tenor
I.
Auf die Revision des Angeklagten wird das das Urteil des Amtsgerichts Memmingen vom 28. Juni 2011 im Rechtsfolgenausspruch mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Im Übrigen wird die Revision als unbegründet verworfen.
II.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an einen anderen Jugendrichter des Amtsgerichts Memmingen zurück verwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Memmingen/Jugendrichter hat den Angeklagten am 28. Juni 2011 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln schuldig gesprochen. Es hat ihn verwarnt, einen Dauerarrest von drei Wochen verhängt und dem Angeklagten die Weisung erteilt, an einem TeD-Kurs nach näherer Weisung der PSB Memmingen teilzunehmen und die Teilnahme nachzuweisen. Das iPhone des Angeklagten hat es eingezogen.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit dem Rechtsmittel der (Sprung-)Revision. Er ist der Ansicht, dass die angeklagte Tat nicht hinreichend konkretisiert sei, somit ein Verfahrenshindernis vorliege. Im Übrigen rügt er die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Mit der Formalrüge macht er geltend, der Jugendrichter hätte durch Erholung eines Sachverständigengutachtens aufklären müssen, ob er tatsächlich Marihuana besessen habe. Die Sachrüge ist allgemein erhoben. Ausdrücklich führt der Angeklagte aus, das Amtsgericht habe bei der Strafzumessung gegen den Grundsatz "nemo tenetur se ipsum accusare" verstoßen und zudem seinen positiven beruflichen Werdegang als Strafmilderungsgrund unberücksichtigt gelassen.
II.
Die zulässige (Sprung-)Revision des Angeklagten hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie als unbegründet zu verwerfen (§ 349 Abs. 2, Abs. 4 StPO).
1. Ein Verfahrenshindernis besteht nicht. Die dem Angeklagten in der Anklageschrift vom 6. Mai 2011 zur Last gelegte Tat ist hinreichend konkret bezeichnet (§ 200 Abs. 1 Satz 1 StPO).
In der Anklage ist ausgeführt:
Zu einem nicht genauen Zeitpunkt vor dem 15.04.2011, jedoch in unverjährter Zeit, bewahrte der Angeschuldigte in seinem Zimmer in der Wohnung [...] in [...] in einer Gefriertüte eine nicht näher bekannte Menge Marihuana wissentlich und willentlich auf.
Wie der Angeschuldigte wusste, besaß er nicht die für den Umgang mit Betäubungsmitteln erforderliche Erlaubnis.
Die Anklage hat die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat sowie Zeit und Ort ihrer Begehung so genau zu bezeichnen, dass die Identität des geschichtlichen Vorgangs klargestellt und erkennbar wird, welche bestimmte Tat gemeint ist; sie muss sich von anderen gleichartigen strafbaren Handlungen desselben Täters unterscheiden lassen. Es darf nicht unklar bleiben, über welchen Sachverhalt das Gericht nach dem Willen der Staatsanwaltschaft urteilen soll (Umgrenzungsfunktion; vgl. BGHSt 40, 390, 392).
Soweit der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 1. April 1998 - 3 StR 22/98 - (StV 1998, 469, 470) darauf hingewiesen hat, dass für die Umschreibung eines bestimmten Tatzeitraums die für einen Angeklagten häufig nicht verständliche Leerformel "in nicht rechtsverjährter Zeit" nicht ausreiche, da offenbleibe, in welchem Jahr die Taten begangen worden sein sollen, betrifft diese Entscheidung, worauf Schneider zu Recht hingewiesen hat (KK-StPO, 6. Aufl. § 200 Rdn. 3), besonders gelagerte Sachverhaltskonstellationen bei Serienstraftaten, die hier nicht gegeben sind. Zudem sind mangelnde Angaben zur Tatzeit jedenfalls dann unschädlich, wenn die prozessuale Tat unabhängig von der Tatzeit nach anderen Merkmalen ausreichend individualisiert ist (BGH NStZ-RR 2004, 146; OLG München NStZ-RR 2005, 350, 351).
Im vorliegenden Fall ist die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat durch die genaue Umschreibung des Aufbewahrungsortes des besessenen Rauschgifts - in einer Gefriertüte im Zimmer des Angeklagten in der Wohnung [...] in [...] - hinreichend konkret umschrieben, so dass eine Verwechslung mit anderen Straftaten des Angeklagten ausgeschlossen ist. Unklarheiten, auf welchen Sachverhalt sich die Anklage bezieht, bestehen nicht. Die Unbestimmtheit in zeitlicher Hinsicht - in unverjährter Zeit vor dem 15. April 2011 - sowie hinsichtlich der Menge des besessenen Rauschgifts sind - mögen sie auch die sachgerechte Verteidigung etwas erschweren - zur Vermeidung von Lücken in der Strafverfolgung hinzunehmen (vgl. BGHSt 40, 44, 48; OLG Hamm StraFo 2011, 92, 93; OLG München, Beschluss vom 19. April 2007 - 4 St RR 59/07).
2. Die Verfahrensrüge, gerichtet auf Erholung eines Sachverständigengutachtens, genügt nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO; sie ist unzulässig.
In der Rechtfertigungsschrift ist nicht dar...