Leitsatz (amtlich)
1) Ein Aktionär ist aus der gesellschafterlichen Treuepflicht heraus nicht verpflichtet, einem Beschluss über eine Kapitalherabsetzung und anschließende Kapitalerhöhung zuzustimmen oder sich der Stimme zu enthalten, wenn kein Sanierungskonzept vorgelegt wird und eine vergleichbare Kapitalherabsetzung und - erhöhung bereits vor drei Jahren ohne nachhaltigen Sanierungserfolg durchgeführt wurde.
2) Werden in einem derartigen Fall gezielt Nein-Stimmen als ungültig gewertet, um die erforderliche qualifzierte Mehrheit für die vom Vorstand gewünschte Kapitalherabsetzung zu erreichen, liegt ein besonders schwerer Rechtsverstoß i.S.d. § 246a Abs. 2 Nr. 3 AktG vor.
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 5 HKO 21293/13) |
Tenor
1. Der Antrag der Antragsteller festzustellen, dass die Erhebung der Anfechtungsklagen der Antragsgegner zu 1. bis 3. (Geschäftszeichen des LG München I: 5 HKO 21293/13) gegen die Wirksamkeit der auf der Hauptversammlung der Antragstellerin vom 30.8.2013 gefassten Beschlüsse zu Tagesordnungspunkt 6 (Beschlussfassung über die Herabsetzung des Grundkapitals durch Einziehung von vier Aktien in vereinfachter Form und über die Anpassung der Satzung), Tagesordnungspunkt 7 (Beschlussfassung über die Herabsetzung des Grundkapitals im Wege der ordentlichen Kapitalherabsetzung zum Zwecke der Deckung von Verlusten und Einstellung von Beträgen in die freie Rücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB durch Zusammenlegung von Aktien und über die Anpassung der Satzung) und Tagesordnungspunkt 8 (Beschlussfassung über die Erhöhung des Grundkapitals der Gesellschaft gegen Bareinlagen) der Eintragung der Beschlüsse in das Handelsregister nicht entgegenstehen und Mängel der Hauptversammlungsbeschlüsse die Wirkung der Eintragung unberührt lassen, wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I. Die Antragstellerin begehrt im Freigabeverfahren nach § 246a AktG die Feststellung, dass die Erhebung von Anfechtungsklagen durch die Antragsgegner der Handelsregistereintragung dreier Hauptversammlungsbeschlüsse zur Kapitalherabsetzung und -erhöhung nicht entgegenstehen.
Das Grundkapital der Antragstellerin beträgt 4.541.664 EUR, eingeteilt in 4.541.664 auf den Inhaber lautende Stückaktien. In der Hauptversammlung der Antragstellerin am 30.8.2013 wurde unter TOP 6 der Beschlussvorschlag von Vorstand und Aufsichtsrat zur Abstimmung gestellt, das Grundkapital der Gesellschaft im Wege der Kapitalherabsetzung durch Einziehung nach § 237 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4, Abs. 5 AktG um 4 EUR auf 4.541.660 EUR, eingeteilt in 4.541.660 auf den Inhaber lautende Stückaktien mit einem anteiligen Betrag am Grundkapital von je 1 EUR, herabzusetzen. Unter TOP 7 wurde über den Beschlussvorschlag abgestimmt, das gemäß TOP 6 herabgesetzte Grundkapital der Gesellschaft nach den Vorschriften der ordentlichen Kapitalherabsetzung um 4.087.494 EUR auf 454.166 EUR, eingeteilt in 454.166 auf den Inhaber lautende Stückaktien mit einem anteiligen Betrag am Grundkapital von je 1 EUR durch Zusammenlegung von jeweils zehn auf den Inhaber lautende Stückaktien zu einer auf den Inhaber lautenden Stückaktie herabzusetzen.
Zu TOP 6 und TOP 7 wurden jeweils 1.399.422 Ja- und 995.627 Nein-Stimmen abgegeben. Der Versammlungsleiter wertete jeweils 987.116 Nein-Stimmen als treuwidrig abgegeben und ungültig und stellte fest, die Hauptversammlung habe die Beschlüsse zu TOP 6 und TOP 7 mit 1.399.442 Ja- und 8.511 Nein-Stimmen und somit mit der erforderlichen Mehrheit angenommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Anlagen ASt 1 und ASt 2.
Unter TOP 8 wurde der Beschlussvorschlag zur Abstimmung gestellt, das gemäß TOP 7 herabgesetzte Grundkapital gegen Bareinlage um bis zu 3.633.328 EUR auf bis zu 4.087.494 EUR durch Ausgabe von bis 3.633.328 neuen, auf den Inhaber lautende Stückaktien mit einem rechnerischen Anteil am Grundkapital von je 1 EUR zu erhöhen. Das gesetzliche Bezugsrecht sollte den bisherigen Aktionären in der Weise eingeräumt werden, dass sie neue Aktien im Verhältnis von einer alten Aktie zu acht neuen Aktien zu einem Bezugspreis von mindestens 1 EUR je Aktie erwerben könnten. Aufgrund des Bezugsrechts nicht bezogene Aktien sollten Aktionären, privaten oder institutionellen Anlegern angeboten werden. Zu TOP 8 wurden 1.399.592 Ja-Stimmen und 995.477 Nein-Stimmen abgegeben. Der Versammlungleiter stellte fest, die Hauptversammlung habe den Beschlussvorschlag zu TOP 8 mit der erforderlichen Mehrheit angenommen. Ergänzend wird auf die Anlagen ASt 1 und ASt 2 Bezug genommen.
Der Antragsgegner zu 1), der in der Hauptversammlung auch die Antragsgegner zu 2) und 3) vertrat, erklärte zu Protokoll seinen Widerspruch gegen die Beschlussfeststellungen in der Hauptversammlung.
Mit Anfechtungsklagen vom 26.9.2013, eingegangen beim LG München I am selben Tag, beantragten die Antragsgegner die Beschlüsse zu TOP 6 bis 8 der Hauptversammlung vom 30.8.2013 für nichtig zu erklären. Die Klageschriften wurden dem Vorsta...