Entscheidungsstichwort (Thema)

Aussetzung eines Rechtsstreits im Hinblick auf ein KapMuG-Verfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Die Frage, ob die Entscheidung eines Rechtsstreits von den in einem Musterverfahren geltend gemachten Feststellungszielen abhängt, ist abstrakt zu beurteilen; deshalb genügt es, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von den Feststellungszielen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit abhängen kann. Es ist nicht erforderlich, dass die Entscheidung nach Klärung sämtlicher übriger Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfragen nur noch von den Feststellungszielen abhängt. An dieser Stelle wird dem Prozessgericht ein gewisser Beurteilungsspielraum eingeräumt.

 

Normenkette

BGB § 199 Abs. 1 Nr. 2; KapMuG § 6 Abs. 1 S. 2, § 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 20.11.2017; Aktenzeichen 29 O 21467/16)

 

Tenor

1. Das Verfahren wird bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Musterverfahren betreffend die H.-L. GmbH & Co. KG (LG München I, Az. 35 OH 1608/17; OLG München, Az. 5 Kap. 3/17) gemäß § 8 KapMuG ausgesetzt.

2. Die Parteien werden gemäß § 8 Abs. 3 KapMuG darüber unterrichtet,

a) dass die anteiligen Kosten des Musterverfahrens zu den Kosten des Rechtsstreits gehören und

b) dass dies nicht gilt, wenn die Klage innerhalb von einem Monat ab Zustellung dieses Aussetzungsbeschlusses zurückgenommen wird.

3. Dem 5. Zivilsenat des OLG München ist nach § 8 Abs. 4 KapMuG ein Abdruck dieses Beschlusses zum Verfahren 5 Kap. 3/17 zu übermitteln mit dem Hinweis, dass der Anspruch in voller Höhe von den Feststellungszielen betroffen ist. Als vorläufiger Streitwert wurde 44.345,00 EUR für das hiesige Verfahren festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Beteiligung an der H. L. Wachstumswerte ... III GmbH & Co. KG geltend.

Der Kläger beteiligte sich mit Beitrittsvereinbarung vom 04.02.2009 in Höhe von 50.000,00 EUR zuzüglich 5% Agio mittelbar über die Beklagte zu 3) als Treuhandkommanditistin an der H. L. Wachstumswerte ... III GmbH & Co. KG. Die Einlage sowie das Agio wurden vom Kläger geleistet. Die Beklagte zu 1) ist geschäftsführende Kommanditistin des Fonds mit einer Kapitaleinlage von 10.000,00 EUR und weiterhin Gründungsgesellschafterin der Fondsgesellschaft. Die Beklagte zu 2) ist als Komplementärin persönlich haftende Gesellschafterin des Fonds und zudem Gründungsgesellschafterin der Fondsgesellschaft. Die Beklagte zu 3) ist (Treuhand-) Kommanditistin des Fonds mit einer Kapitaleinlage von 500,00 EUR und ebenfalls Gründungsgesellschafterin der Fondsgesellschaft.

Der Beteiligung lag ein Emissionsprospekt vom 28.11.2008 zugrunde. Bei der Fondsimmobilie handelt es sich um einen Bürokomplex auf dem Grundstück "An der D." C. in Luxemburg, mit 75.000 m2 Mietfläche, bestehend aus 5 Gebäudeflügeln A - E, einem Turm F, einem IT-Bereich und dazugehörigen Tiefgaragen- und Außenstellplätzen. Bei Prospekterstellung waren bereits 760 Tiefgaragenstellplatzflächen sowie 58 Außenstellplätze vermietet. Die Abnahme der Immobilie fand im Juli 2010 statt. Die Baugenehmigung für weitere Stellplätze, über die bei Prospekterstellung bereits genehmigten und erstellten 566 Innenstellplätze hinaus, wurde 2010 abgelehnt. Der hierwegen von der Fondsgesellschaft mit der Stadt Luxemburg geführte Rechtsstreit wurde im Jahre 2014 rechtskräftig abgeschlossen, die Fondsgesellschaft unterlag mit ihrem Anliegen mindestens weiterer 550 Innenstellplätze.

Der Kläger ist ausweislich der Feststellungen des Landgerichts München I der Auffassung, der Prospekt sei u. a. hinsichtlich der Pkw-Stellplatzproblematik fehlerhaft, weil unvollständig bzw. widersprüchlich. Die Beklagten bestreiten das Vorliegen von Prospektfehlern und erheben die Einrede der Verjährung.

II. Mit Beschluss vom 20.11.2017 legte das Landgericht München I gleichgerichtete Musterverfahrensanträge aus insgesamt 18 dort anhängigen Verfahren dem Oberlandesgericht München zur Entscheidung über folgende Feststellungsziele vor:

1. Eine Angabe über den Stand der baurechtlichen Genehmigungen für Stellplätze gehörte nicht zu den im Emissionsprospekt zur Beteiligung an der H. L. Wachstumswerte ... III GmbH & Co. KG erforderlichen Informationen, weil diese für die Anlageentscheidung eines durchschnittlichen, vernünftig handelnden Anlegers nicht wesentlich waren.

2. Der Emissionsprospekt zur Beteiligung an der H. L. Wachstumswerte ... III GmbH & Co. KG enthält keine unzutreffenden Angaben über den Stand der baurechtlichen Genehmigungen für Stellplätze; insbesondere sind die Angaben zu Anlagezielen und Anlagepolitik auf Seite 37 des Emissionsprospekts nicht auf baurechtliche Genehmigungen für Stellplätze bezogen.

3. Der Emissionsprospekt zur Beteiligung an der H. L. Wachstumswerte ... III GmbH & Co. KG enthält keine widersprüchlichen Angaben über den Stand der baurechtlichen Genehmigungen für Stellplätze.

4. Die nachfolgend genannten Anlegerinformationen der H. L....

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