Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Haftung der Gründungsgesellschafter für den Prospekt des Immobilienfonds Wachstumswerte Europa Ill ("Cloche d'Or") Im Nachgang zu BGH, Beschluss vom 06.10.2020, Az. XI ZB 28/19, und z.B. OLG München, Urteil vom 04.09.2017, Gz. 19 U 108/17
Leitsatz (amtlich)
1. Da Entscheidungen des Bundesgerichtshofs mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbar sind, bedarf es in diesem Falle zur Aufnahme des Verfahrens gem. § 20 Abs. 4 KapMuG keines Rechtskraftvermerks.
2. Die Bindungswirkung des Musterentscheids gem. § 22 Abs. 1 KapMuG erfasst in objektiver Hinsicht nicht nur die Beantwortung des Feststellungsziels im Tenor der Entscheidung, sondern auch die diesen Entscheidungssatz tragenden tatsächlichen und rechtlichen Begründungselemente; sie reicht jedoch nicht über die Feststellungsziele des Musterverfahrens hinaus (Anschluss an BGH, Beschluss vom 19.09.2017 - XI ZB 17/15, Rn. 54; hier bejaht für die Haftung der Beklagten als Gründungsgesellschafter aus Prospekthaftung im weiteren Sinne).
3. Trotz § 16 Abs. 2 KapMuG ist nach den Vorstellungen des Gesetzgebers ein gesonderter Ausspruch des Prozessgerichts über die anteilige Kostentragungspflicht der Parteien für die im Musterverfahren erster Instanz angefallenen Kosten grundsätzlich nicht erforderlich.
Normenkette
KapMuG § 16 Abs. 2, § 20 Abs. 4, § 22 Abs. 1
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 27 O 22370/16) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Erledigung der Hauptsache im Umfang der Verurteilung durch das Landgericht festgestellt wird.
II. Die Beklagten tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Streithelferin trägt ihre Kosten im Berufungsverfahren selbst.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Tatsächliche Feststellungen:
Den Feststellungen des Landgerichts zufolge macht die Klagepartei gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Beteiligung an der ... Wachstumswerte E. I. GmbH & Co KG geltend ("Cloche d'Or", im Folgenden: "der Fonds") Der Kläger beteiligte sich mit Beitrittsvereinbarung vom 14.01.2009 (Anlage K 1) in Hohe von 15.000,00 EUR nebst Agio in Höhe von 750,00 EUR mittelbar über die Beklagte zu 3) an dem Fonds. Die Einlage wurde vom Kläger geleistet. Er hat bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz Ausschüttungen in Hohe von 5.177,80 Euro erhalten.
Die Beklagte zu 1) ist danach geschäftsführende Kommanditistin des Fonds mit einer Kapitaleinlage von 10.000,00 EUR und Gründungsgesellschafterin der Fondsgesellschaft. Die Beklagte zu 2) ist als Komplementärin persönlich haftende Gesellschafterin des Fonds und zudem Gründungsgesellschafterin der Fondsgesellschaft. Die Beklagte zu 3) ist (Treuhand-)Kommanditistin des Fonds mit einer Kapitaleinlage von 500,00 EUR und ebenfalls Gründungsgesellschafterin der Fondsgesellschaft.
Das Landgericht hat der Klage nach Parteivernehmung des Klägers zur Kausalität der Parkplatzproblematik mit der Begründung weitgehend stattgegeben, dass hinsichtlich der Darstellung der Parkplatzsituation im Prospekt ein aufklärungspflichtiger kausaler Prospektfehler vorliege, für den alle drei Beklagten aus Prospekthaftung im weiteren Sinne haften würden; Verjährung sei nicht eingetreten. Auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil wird ergänzend Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Im Übrigen wird von der Darstellung des Tatbestands abgesehen, §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.
Das Landgericht München I hat am 16.10.2017 (Gz. 35 OH 1608/17; veröffentlicht im elektronischen Bundesanzeiger) auf Antrag u.a. der hiesigen Beklagten einen Musterverfahrensantrag betreffend den Emissionsprospekt über die Beteiligung an der Europa III GmbH & Co.KG im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht, und am 15.11.2017 beschlossen, dem Oberlandesgericht München die dort näher bezeichneten Feststellungsziele zum Zwecke der Herbeiführung eines Musterentscheids vorzulegen (Az. Musterverfahren OLG München: 5 Kap. 3/17). Die hiesigen Beklagten waren als Musterbeklagte zu 1) bis 3) an diesem Verfahren beteiligt.
Mit Beschluss vom 05.03.2018 hat der Senat den vorliegenden Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Kapitalanleger-Musterverfahren 5 Kap. 3/17 des Oberlandesgerichts München ausgesetzt.
Der 5. Zivilsenat des OLG München hat mit Musterentscheid vom 26. März 2019, Gz. 5 Kap. 3/17 (scheinbar nicht veröffentlicht, auch nicht im elektronischen Bundesanzeiger) die Anträge der Musterbeklagten zu den Feststellungszielen 1 bis 4 und 6 "verworfen", den Antrag der Musterbeklagten zum Feststellungsziel 7 zurückgewiesen und den Antrag der Musterbeklagten zum Feststellungsziel 5 als gegenstandslos erklärt. Auf den Antrag des Musterklägers hat der 5. Zivilsenat u.a. die Feststellung getroffen, dass der Prospekt fehlerhaft sei, weil die...