Leitsatz (amtlich)

1. Die Zuständigkeitskonzentration am Sitz des Anbieters der Vermögensanlage für Schadensersatzklagen gegen Prospektverantwortliche aufgrund fehlerhafter öffentlicher Kapitalmarktinformationen setzt nicht voraus, dass der Anbieter mitverklagt ist.

2. Ist der Anbieter der Vermögensanlage bereits im Handelsregister gelöscht, so kann für die Bestimmung des konzentriert zuständigen Gerichts auf den letzten Sitz des Anbieters abgestellt werden.

 

Normenkette

ZPO § 32b Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Frankenthal (Pfalz)

 

Tenor

Zuständig ist das LG Frankenthal (Pfalz).

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatz wegen einer fehlgeschlagenen Kapitalanlage in Anspruch. Die Klage ist u.a. auf fehlerhafte Anlageberatung sowie auf Prospekthaftung gestützt, mit der Behauptung, die Beklagten seien als Initiatoren des Projekts auch für den fehlerhaften Prospekt der Anlagegesellschaft verantwortlich. Mit Beschluss vom 6.3.2007 erklärte sich das angerufene AG München für sachlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das LG München I. Zur Begründung ist auf die vom Streitwert unabhängige Zuständigkeit des LG für Schadensersatzansprüche aufgrund fehlerhafter Kapitalmarktinformationen hingewiesen (§ 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG). Das LG München I verwies den Rechtsstreit mit Beschluss vom 11.4.2007 unter Hinweis auf § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO an das LG Frankenthal, in dessen Bezirk die Anlagegesellschaft ihren Sitz hatte. Da dieses Gericht die Übernahme ablehnte, legte das LG München I die Akten zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vor.

II. Die Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor.

Zuständig ist das LG Frankenthal. Das ergibt sich bereits aus der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des LG München I (§ 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO). Ein Fall, in dem die Bindungswirkung ausnahmsweise entfiele (vgl. Zöller/Greger ZPO 26. Aufl., § 281 Rz. 17, 17a, m.w.N.), liegt nicht vor.

1. Der Verweisung durch das LG stand nicht entgegen, dass der Rechtsstreit zuvor bereits vom AG an das LG verwiesen worden war. Diese Verweisung betraf ausdrücklich nur die sachliche Zuständigkeit und hinderte nicht die Weiterverweisung wegen der örtlichen Zuständigkeit.

2. Der Einwand des LG Frankenthal, es hätte beim LG München I statt des Einzelrichters die Kammer entscheiden müssen, trifft nicht zu. Die Zuständigkeit der Kammer nach § 348 Abs. 1 Nr. 2 lit. k ZPO i.V.m. § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG setzt neben einer - hier gegebenen - dem LG ohne Rücksicht auf den Streitwert zugewiesenen Streitigkeit voraus, dass die Zuständigkeit der Kammer nach dem Geschäftsverteilungsplan des Gerichts wegen der Zuordnung zu diesem Sachgebiet begründet ist. Der Geschäftsverteilungsplan des LG München I sieht für das in § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG geregelte Sachgebiet keine Zuordnung an bestimmte Kammern vor.

3. Die Auffassung des LG München I, dass für die Klage beim LG Frankenthal der ausschließliche Gerichtsstand nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO begründet ist, ist zutreffend oder jedenfalls vertretbar.

a) Der Prospekt, für dessen Fehlerhaftigkeit die Beklagten als Prospektverantwortliche auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden, stellt eine öffentliche Kapitalmarktinformation i.S.d. § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO dar. Von dieser Vorschrift erfasst sind auch Kapitalanlagen, für die eine Prospektpflicht nicht besteht (BGH NJW 2007, 1365). Der Umstand, dass die Beklagten zugleich wegen Verletzung eines Anlageberatungsvertrages in Anspruch genommen werden und § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO insoweit isoliert gesehen nicht eingreifen würde (vgl. BGH NJW 2007, 1364), ändert nichts an der aus der Prospektverantwortlichkeit begründeten Zuständigkeit. Das danach zuständige Gericht ist zur umfassenden Entscheidung des Rechtsstreits unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zuständig (Zöller/Vollkommer § 32b Rz. 7).

b) § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO begründet eine Zuständigkeit ausschließlich am Sitz des Anbieters der Vermögensanlage. Als Anbieterin sieht das LG München I die (hier nicht mitverklagte) Anlagegesellschaft. Das ist nicht zu beanstanden; die Anlagegesellschaft ist auch als Emittentin des Prospekts nach außen in Erscheinung getreten. Entgegen der Ansicht des LG Frankenthal ist für die Anwendbarkeit des § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht erforderlich, dass der Anbieter der Vermögensanlage, dessen Sitz die Zuständigkeit des Gerichts bestimmt, mitverklagt ist. Die Vorschrift begründet eine Zuständigkeitskonzentration am Sitz des Anbieters auch für Klagen gegen andere Prospektverantwortliche (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 15/5091; Zöller/Vollkommer § 32b Rz. 6).

c) Die zwischenzeitlich im Handelsregister gelöschte Anlagegesellschaft hatte ihren letzten Sitz in Ludwigshafen im Bezirk des LG Frankenthal. Die Auffassung des LG München I, dass es im hier erörterten Zusammenhang auf die Löschung der Gesellschaft nicht ankommt, hat einiges für sich. Sinn und Zweck des § 32b Abs. 1 Satz 1 ZPO ist die Konzent...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?