Verfahrensgang

LG Kempten (Urteil vom 08.05.2019; Aktenzeichen 63 O 1516/18 Hei)

 

Nachgehend

OLG München (Beschluss vom 26.08.2019; Aktenzeichen 24 U 2814/19)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 08.05.2019, Az. 63 O 1516/18 Hei, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren wie in 1. Instanz auf 5.360,00 EUR festzusetzen.

3. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Hinweises.

 

Gründe

Der Senat ist einstimmig der Auffassung, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.

Die Klägerin wendet sich nicht gegen die Feststellungen des Landgerichts, die bereits in 1. Instanz unstreitig waren und durch die Arztbriefe der Beklagten vom 15.01., 24.01. und 17.04.2018 (Anlage K1, K3 und K4) belegt sind. Auf den festgestellten Sachverhalt hat das Landgericht Memmingen das Recht zutreffend angewandt.

4. Der Arzt oder die behandelnde Klinik ist aufgrund des Behandlungsvertrages verpflichtet, zum Zweck der Dokumentation eine Patientenakte zu führen, § 630 f Abs. 1 S. 1 BGB. In der Patientenakte sind sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und die Ergebnisse aufzuzeichnen, insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen, § 630 f Abs. 2 S. 1 BGB. In diesem Zusammenhang erwähnt § 630 f Abs. 2 S. 2 BGB auch Arztbriefe, die in die Patientenakte aufzunehmen sind.

Der Arztbrief (oder Arztbericht) dient dazu, die durchgeführten Befunderhebungen und Behandlungsmaßnahmen sowie ihre Auswirkungen zu dokumentieren und so etwaigen Nachbehandlern mitzuteilen, wie und mit welchem Ergebnis ein Patient behandelt worden ist. Auf dieser Grundlage können Nachbehandler einschätzen, welch weiterer Behandlungsbedarf gegeben ist und ob beispielsweise konservative Maßnahmen bereits ausgeschöpft worden sind (OLG Koblenz, Beschluss vom 08. Januar 2018 - 5 U 1184/17 -, Rn. 11 bei juris, VersR 2018, 613). Damit besteht grundsätzlich ein Anspruch des Patienten auf Anfertigung eines Arztbriefes.

5. Ein Anspruch auf Abänderung oder Korrektur eines Arztbriefes ist gesetzlich nicht geregelt. § 630 f Abs. 1 S. 2 BGB schränkt den Arzt in der Möglichkeit ein, Berichtigungen und Änderungen der Patientenakte vorzunehmen; diese sind nur zulässig, wenn neben dem ursprünglichen Inhalt erkennbar bleibt, wann sie vorgenommen worden sind. Ein Anspruch auf Berichtigungen und Änderungen der Patientenakte ist dagegen weder gesetzlich in den §§ 630 a ff BGB noch standesrechtlich in § 10 der Berufsordnung für die Ärzte Bayerns (Bekanntmachung vom 09. Januar 2012) geregelt.

6. Ein solcher Anspruch ergibt sich auch nicht aus den anderen Rechtsgrundlagen, die in der Berufungsbegründung der Klägerin vorgebracht werden.

6.1. Zwar unterliegt die Krankenakte und als dessen Teil auch der Arztbrief grundsätzlich dem Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 1, 2 Abs. 1 GG), da sie Erkenntnisse enthalten, die der Arzt durch seine berufliche Tätigkeit über den Gesundheitszustand des Patienten gewinnt und schriftlich niederlegt. Daraus folgt zunächst nur, dass die Krankenakte dem Zugriff der öffentlichen Gewalt grundsätzlich entzogen ist und eine Beschlagnahme ohne oder gegen den Willen des Patienten in aller Regel eine Verletzung des dem Patienten zustehenden Grundrechts auf Achtung seines privaten Bereichs (Art. 2 Abs. 1 i. V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) darstellt (BVerfG, Beschluss vom 08. 03. 1972 - 2 BvR 28/71, NJW 1972, 1123. Es handelt sich um schutzwürdige Daten aus der Privatsphäre des Patienten, wie durch § 97 Abs. 1 Nr. 2 und 3 i. V. m. § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO auch gesetzlich anerkannt ist.

Für das Verhältnis zwischen dem Arzt und dem Patienten hat dies neben der Schweige- und Geheimhaltungspflicht des Arztes (vgl. § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB) jedoch keine Bedeutung. Insbesondere folgt daraus kein Anspruch auf Abänderung eines Arztbriefes.

6.2. Die Anlehnung des Behandlungsvertrages an den Dienstvertrag hat zwar zur Folge, dass der Behandlungsvertrag als Dienstvertrag über Dienste höherer Art anzusehen ist, den jede Partei gemäß § 627 BGB jederzeit auch ohne Gründe kündigen kann (vgl. BGH, Urteil vom 13.09.2018 - III ZR 294/16; NJW 2018, 3513). Eine entsprechende Anwendung von § 630 BGB auf den Arztbrief kommt jedoch nicht in Betracht, da der Arztbrief eine grundsätzlich andere Funktion erfüllt als ein Dienst- oder Arbeitszeugnis.

a) Das Zeugnis dient dem beruflichen Fortkommen des Dienstpflichtigen. Es ist Bewerbungsunt...

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