Leitsatz (amtlich)

1. Die urheberrechtliche Schutzfähigkeit sog. presserechtlicher Warnschreiben wird nicht dadurch begründet, dass diese nicht alltäglich sind und besondere Eigenarten im Aufbau der Darstellung haben.

2. Aus dem grundrechtlichen Schutz der Berufsfreiheit und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts von Rechtsanwälten ergibt sich kein allgemeines Verbot, aus deren Schriftsätzen zu zitieren.

 

Normenkette

UrhG § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 97 Abs. 1; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 S. 1, Art. 12 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Passau (Beschluss vom 23.08.2007; Aktenzeichen 4 O 580/07)

 

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des LG Passau vom 23.8.2007 wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 15.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsteller ist als Rechtsanwalt im Bereich des Presserechts tätig. Der Antragsgegner betreibt ein Einzelunternehmen mit Sitz in Passau, über das er im Internet redaktionelle Beträge veröffentlicht. In diesem Rahmen berichtete er u.a. unter der Überschrift Staatsanwalt prüft [...] (vgl. ASt 2) über den Geschäftsführer einer kommunalen Gesellschaft in Passau. Dieser (im Folgenden: der Betroffene) mandatierte den Antragsteller. Dessen Kanzlei wandte sich mit Schreiben vom 16.7.2007 (vgl. Anlage ASt 3) an den Antragsgegner. Darin wurden mehrere Aspekte der Berichterstattung durch den Antragsgegner gerügt und angekündigt, der Betroffene werde sich in geeigneter Form gegen alle unwahren Behauptungen und falschen Verdächtigungen zur Wehr setzen, die der Antragsgegner über ihn aufstelle und verbreite; im vorliegenden Fall könne ein erheblicher Schaden entstehen, weil der Betroffene auf Grund der rechtswidrigen Presseäußerungen beruflich benachteiligt oder in seinem beruflichen Fortkommen behindert werden könne. Der Antragsgegner wurde in dem Schreiben aufgefordert, die publizistischen Mindeststandards für eine Verdachtsberichterstattung einzuhalten und den Betroffenen nicht in einem falschen Licht erscheinen zu lassen. Das zwei unleserliche Unterschriften aufweisende Schreiben enthielt folgenden letzten Absatz:

Zuletzt: Dieser Brief dient lediglich der Kommunikation mit Ihnen. Wir sind nicht damit einverstanden, dass Sie ihn vollständig oder Teile daraus veröffentlichen oder seinen Inhalt öffentlich wörtlich oder sinngemäß verbreiten.

Der Antragsgegner antwortete dem Antragsteller mit Schreiben vom 19.7.2007 (vgl. Anlage ASt 4), dass er dem Wunsch, den Inhalt des Schreibens vertraulich zu behandeln, nicht nachkommen könne; in jenem besonderen Fall sei alles von öffentlichem Interesse. Der Antragsteller habe einem Journalisten und keinem Pfarrer mit Beichtgeheimnis geschrieben.

Der Antragsteller hat durch diese Äußerung die Gefahr begründet gesehen, der Antragsgegner werde den Inhalt des Schreibens vom 16.7.2007 bekannt machen. Dadurch würden sein Persönlichkeitsrecht und sein Recht auf freie Berufsausübung verletzt werden. Er hat beantragt, dem Antragsgegner unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen, das anwaltliche Schreiben des Antragstellers vom 16.7.2007 ganz oder teilweise zu veröffentlichen oder seinen Inhalt öffentlich wörtlich oder sinngemäß zu verbreiten.

Mit Beschluss vom 23.8.2007, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, hat das LG den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsteller den geltend gemachten Verfügungsanspruch weder auf Urheberrecht noch auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts stützen könne. Voraussetzung für die urheberrechtliche Schutzfähigkeit eines Anwaltsschriftsatzes sei, dass die in ihm enthaltenen Leistungen über das bloße routinemäßige Schaffen hinausgingen; dass sei bei dem streitgegenständlichen Schreiben nicht der Fall. Auch wenn unterstellt werde, dass der Antragsteller Verfasser des Schreibens sei, obwohl er das nicht glaubhaft gemacht habe, sei ein Unterlassungsanspruch wegen einer Verletzung dessen Persönlichkeitsrechts nicht gegeben, da dieses Recht bei der gebotenen Abwägung mit der Pressefreiheit nicht überwiege. Das Schreiben stelle einen Versuch dar, die Presse einzuschüchtern, ohne den Weg zu gehen, der üblicherweise gegangen werde (Einfordern einer Gegendarstellung oder Unterlassungserklärung); ein anderer Sinn als der der Einschüchterung sei nicht zu erkennen, denn wenn die Sachdarstellung des Betroffenen nicht in der Öffentlichkeit publik gemacht werden solle, stelle sich die Frage, warum diese andere Darstellung überhaupt dem von Berufs wegen Öffentlichkeitsarbeit leistenden Antragsgegner bekannt gemacht worden sei.

Gegen diesen ihm am 28.8.2007 zugestellten Beschluss wendet sich der Antragsteller mit seiner am 12.9.2007 eingegangenen sofortigen Beschwerde. Zu seiner Aktivlegitimation führt er aus, es sei nicht notwendig, dass er dass Schreiben selbst verfasst habe. Betroffen seien alle auf dem Kanzleipapier aufgeführte...

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