Leitsatz (amtlich)

Beanstandet eine Partei die Streitwertfestsetzung für die Gerichtsgebühren oder beruft sie sich darauf, die Rechtsanwaltsgebühren seien aus einem anderen Gegenstandswert als die Gerichtsgebühren zu bemessen (Antrag gemäß § 33 Abs. 1 RVG, gegebenenfalls konkludent gestellt), so ist vor der Kostenfestsetzung zunächst eine diesbezügliche richterliche Entscheidung herbeizuführen.

 

Normenkette

RVG § 11 Abs. 4, § 23 Abs. 1 S. 1, § 32 Abs. 1, § 33 Abs. 1; ZPO § 103 ff., § 107

 

Verfahrensgang

LG Traunstein (Aktenzeichen 5 O 2873/17)

 

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde wird der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 31.08.2020 aufgehoben.

II. Das Verfahren wird zu erneuter Behandlung - nach einer gerichtlichen Entscheidung über den Antrag der Beklagten gemäß § 33 Abs. 1 RVG - an das Landgericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu befinden hat.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Bemessungsgrundlage für eine anwaltliche Einigungs- und Terminsgebühr.

Der Kläger hat am 24.08.2017 eine Stufenklage zur Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen erhoben.

Nach Anerkenntnis des Auskunftsanspruches kam es am 29.11.2017 zu einer Zahlung der Beklagten in Höhe von 50.000,00 EUR an den Kläger. Nach zeitweiligem Ruhen des Verfahrens erging am 05.04.2018 ein Teilurteil gegen die Beklagte. Anschließend kam es zu Auseinandersetzungen über die Auskunftserteilung und ein Zwangsgeld, nach deren Beendigung der Kläger mit Schriftsätzen vom 06.02. sowie vom 05.03.2020 die Hauptsache insgesamt für erledigt erklärte. Das Gericht legte hierauf die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91a Abs. 1 ZPO der Beklagten auf und setzte den Streitwert auf EUR 58.567,35 fest. Die Beklagte legte - nur - gegen die Kostenverteilung in Ziffer 1. dieses Beschlusses sofortige Beschwerde ein, die ohne Erfolg blieb.

Im Zuge des Kostenfestsetzungsverfahrens wandte sich die Beklagte mit Schriftsatz vom 26.05.2020 gegen das Festsetzungsgesuch des Klägers: Der Gegenstandswert für die Einigungs- und Terminsgebühr müsse die erfolgte Zahlung von EUR 50.000,00 berücksichtigen; Gegenstand des Vergleichs sei nurmehr der diese Summe übersteigende Restbetrag gewesen. Der Kläger verwies demgegenüber darauf, die Beklagte habe die Festsetzung des Streitwertes in dem Beschluss vom 18.03.2020 nicht angefochten.

Das Landgericht legte sodann in dem angefochtenen Festsetzungsbeschluss den Streitwert von EUR 58.567,35 zu Grunde. Die Beklagte habe eine Zahlung geleistet, dies jedoch insbesondere zur Verhinderung weiterer Vollstreckungsmaßnahmen des Klägers.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer sofortigen Beschwerde, zu deren Begründung sie im Wesentlichen anführt, sowohl Termins- wie auch Einigungsgebühr dürften nicht aus dem gerichtlich festgesetzten Gegenstandswert berechnet werden; bereits vor Anfall dieser Gebühren sei der Betrag von EUR 50.000,00 bezahlt worden; auf die übrige Begründung wird Bezug genommen.

II. Die gemäß §§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde - als solche ist die "Erinnerung" auszulegen - hat in der Sache Erfolg; die Unterscheidung zwischen der Festsetzung von Gerichtskosten einerseits und der von Rechtsanwaltskosten andererseits wurde nicht hinreichend beachtet.

1. Richtig ist, dass im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich eine Bindung des Rechtspflegers an den gerichtlich bestimmten Streitwert besteht.

Gemäß § 23 Abs. 1 RVG bestimmen sich - im Grundsatz - die anwaltlichen Gebühren nach den Wertvorschriften, die für die Gerichtsgebühren gelten; deshalb ist - wiederum im Grundsatz - eine Festsetzung von Gerichtsgebühren auch für die Bemessung der Gebühren des Anwaltes maßgebend, das heißt der festgesetzte Streitwert gilt auch für diese. Allerdings gibt es Fälle, in denen der für die Tätigkeit des Rechtsanwaltes maßgebende Wert anders ist als derjenige für die Gerichtsgebühren, beispielsweise wenn eine Klage während des Rechtsstreits teilweise zurückgenommen wird und anschließend noch ein gerichtlicher Termin stattfindet: Die Gerichtsgebühr bestimmt sich immer nach dem höheren Wert und dieser gilt auch für die Verfahrensgebühr des Rechtsanwaltes; der maßgebliche Gegenstandswert für die anwaltliche Terminsgebühr ist in diesem Falle jedoch geringer (vgl. z.B. OLG Frankfurt, Beschl. v. 07.03.2018 - 14 W 89/18; OLG München, Beschl. v. 13.12.2016 - 15 U 2407/16; LG Mainz, Beschl. v. 04.10.2018 - 1 O 264/16 oder KG Berlin, Beschl. v. 02.03.2018 - 26 W 62/17; aus der Senatsrechtsprechung etwa Beschl. v. 18.10.2016 - 11 WF 1225/16; Beschl. v. 10.08.2016 - 11 W 1152/16; aus der Literatur Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, RVG, 24. Aufl., § 32 Rn. 7 ff.). Entsprechendes kann auch bei einer (teilweisen) Erledigterklärung wie hier gelten.

2. Verfahrenstechnisch ist das Gericht dabei nicht gehalten, von sich aus neben der Festsetzung des Wertes für die Gerichtskosten auch die - möglicherweise unterschiedlichen - Gegenstandswerte für die Bemessung der Rechtsanwalts gebühren zu bestimmen. Vielmehr obliegt es der Partei, di...

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