Leitsatz (amtlich)
1. In Zivil- und Handelssachen ergangene Gerichtsentscheidungen eines Mitgliedstaats der Europäischen Union bedürfen der Vollstreckbarerklärung im Inland, wenn das Gerichtsverfahren vor dem 10.1.2015 eingeleitet worden ist.
2. Grundlage der Zwangsvollstreckung ist in diesen Fällen nicht der ausländische Gerichtsentscheid, sondern die im Exequaturverfahren vom deutschen Gericht ausgesprochene Vollstreckbarerklärung.
3. Bezieht sich die Vollstreckbarerklärung auf einen ausländischen Titel, der seiner Art nach einem Arrestbefehl nach deutschem Recht entspricht, ist die Vollstreckung nach Ablauf der Vollziehungsfrist unstatthaft. Die Vollziehungsfrist beginnt hierbei mit der Bekanntgabe der Vollstreckbarerklärung an den Gläubiger.
Normenkette
EuGVVO (EU) Nr. 1215/2012 Art. 80 Abs. 1; EuGVVO Nr. 1215/2012 Art. 81; EuGVVO a.F. Nr. 44/2001 Art. 38; EuGVVO Nr. 44/2001 Art. 66 Abs. 2; AVAG § 8; ZPO §§ 916, 929 Abs. 2, § 932
Verfahrensgang
AG München (Beschluss vom 22.06.2015) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des AG München Grundbuchamt - vom 22.6.2015 wird zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Der Schuldner ist im Grundbuch als Eigentümer von Miteigentumsanteilen, verbunden mit dem Sondereigentum an einer Wohnung bzw. an je einem Tiefgaragenstellplatz, eingetragen.
Gegen ihn erwirkte die Antragstellerin, eine Gesellschaft in der Rechtsform der s.r.l. (societa a responsabillta limitata) italienischen Rechts mit Sitz in Italien, in einem vor einem italienischen Zivilgericht geführten Hauptsacheverfahren am 19.11.2013 ein "sequestro conservativo" gemäß "art. 671 669 octies c.p.c". Darin wurde die Antragstellerin ermächtigt, die Sicherstellungsbeschlagnahme bis zur Höhe eines Betrages von 1.000.000,00 EUR vorzunehmen Cautorizza ... a procedere al sequestro conservativo"), und zwar auf bewegliche und unbewegliche, materielle und immaterielle Werte des Schuldners sowie auf die ihm gegenüber Dritten zustehenden Forderungen. Aufgrund Anordnung des Oberlandesgerichts München vom 22.8.2014, dem Schuldner von Amts wegen zugestellt am 7.9.2014, wurde der italienische Titel am 15.9.2014 mit der Vollstreckungsklausel versehen.
Im Zuge eines von deutschen Strafverfolgungsbehörden gegen den Schuldner geführten Ermittlungsverfahrens wurden am 2.7.2014 aufgrund Arrestbeschlusses vom 31.3.2014 in die Grundbücher Sicherungshypotheken bis zu Höchstbeträgen von 250.000,00 EUR und 25.000,00 EUR für den Freistaat Bayern, vertreten durch die Staatsanwaltschaft, eingetragen. Mit Beschluss vom 18.12.2014 ließ das Strafgericht die Zwangsvollstreckung der Antragstellerin aus der mit Vollstreckungsklausel versehenen Verfügung des italienischen Gerichts in die sichergestellten Vermögenswerte des Schuldners zu.
Am 23.4.2015 beantragte die Beteiligte die Eintragung einer verteilten Arresthypothek als Höchstbetragssicherungshypothek zu 250.000,00 EUR und zweimal je 25.000,00 EUR an drei Blattstellen.
Das Grundbuchamt hat den Antrag mit Beschluss vom 22.6.2015 zurückgewiesen. Die begehrte Eintragung sei schon deshalb schwierig, weil dem italienischen Titel nicht hinreichend klar zu entnehmen sei, ob der Höchstbetrag von 1.000.000,00 EUR als Lösungssumme im Sinne der deutschen Prozessvorschriften aufzufassen sei. Vor allem aber lägen die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen nicht vor, weil der Eintragungsantrag erst weit nach Ablauf der einmonatigen Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO gestellt worden sei und das Grundbuchamt diesen Umstand als verfahrensrechtliches Hindernis auch nach geltendem Unionsrecht von Amts wegen zu beachten habe. Zudem seien die Vollstreckungsunterlagen nur als rechtsanwaltsbeglaubigte Kopien und daher nicht in grundbuchtauglicher Form vorgelegt.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit der Beschwerde, mit der sie ihr Eintragungsbegehren weiterverfolgt. Sie folgert aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm vom 19.7.1985 (20 W 39/83), dass die nationale Vorschrift über die Vollziehungsfrist auch bei der hier gegebenen Sachlage nicht zur Anwendung komme.
Das Grundbuchamt hat nicht abgeholfen.
Vor dem Beschwerdegericht hat die Beteiligte die mit dem italienischen Titel nebst Übersetzung ins Deutsche verbundene Vollstreckungsklausel des deutschen Gerichts im Original, die gerichtliche Anordnung zur Erteilung der Vollstreckungsklausel als vollstreckbare Ausfertigung und die am 13.12.2013 ausgestellte Bescheinigung des italienischen Gerichts über die Vollstreckbarkeit des italienischen Titels in Italien nebst Übersetzung ins Deutsche im Original vorgelegt.
II. Die nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 71 Abs. 1, § 73 GBO, § 10 Abs. 2 Satz 1 FamFG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Denn die vollstreckungsrechtlichen Voraussetzungen für die begehrte Grundbucheintragung (vgl. SchönerlStöber Grundbuchrecht 1...