Leitsatz (amtlich)
1. Der in einem Vorvertrag begründete künftige und gegebenenfalls bedingte Anspruch auf Verschaffung des Grundstückseigentums aufgrund eines noch abzuschließenden Hauptvertrags ist vormerkungsfähig, wenn für den Anspruch auf Eigentumsverschaffung bereits ein sicherer Rechtsboden gelegt ist.
2. Bei fehlender materiell-rechtlicher Aufgabeerklärung des Vormerkungsberechtigten führt die Löschung der Vormerkung unabhängig von der Verjährung des vormerkungsgesicherten obligatorischen Rechts zur Unrichtigkeit des Grundbuchs.
Normenkette
BGB § 194 Abs. 1, §§ 875, 883 Abs. 1, § 888 Abs. 1, § 902; GBO §§ 22, 53 Abs. 1 S. 1, § 53 S. 2
Verfahrensgang
AG München - Grundbuchamt (Beschluss vom 27.01.2015) |
Tenor
I. Die Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des AG München - Grundbuchamt - vom 27.1.2015 wird zurückgewiesen.
II. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 541.666,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligte wurde am 13.12.1985 aufgrund Erbscheins als Eigentümerin von Grundbesitz (FlSt 125/32) in das Grundbuch eingetragen. Die Erblasserin Lydia S. hatte aufgrund notariellen Kaufvertrags vom 18.4.1978 (unter Aufhebung einer Grundstücksvereinigung) das benachbarte Flurstück (FlSt 125/33) an Siegfried S. veräußert. Darüber hinaus hatte sie Siegfried S. unter Ziff. XVIII. 3. der Notarsurkunde folgende Berechtigung am gegenständlichen Grundbesitz eingeräumt:
Die Verkäuferin und ihre Rechtsnachfolger verpflichten sich, im Falle einer Verkaufsabsicht des Grundstückes Fl.-Nr ..., dieses Grundstück zuerst dem Käufer, bzw. seinem Rechtsnachfolger, anzubieten. Hat der Käufer kein Interesse, das Grundstück zu kaufen, kann die Verkäuferin das Grundstück an jeden beliebigen Dritten verkaufen ...
Wenn die Verkäuferin dem Käufer das Grundstück anbietet und wenn dabei keine Einigung über den Preis erzielt wird, muss der Käufer nachweisen, dass er zumindest das Geld entsprechend seiner Preisvorstellung zur Verfügung hat, wobei die Preisvorstellung angemessen sein muss.
Der Käufer muss innerhalb von 3 Monaten, nachdem ihm das Grundstück zum Kauf angeboten wurde, entweder ablehnen oder den Nachweis über das gemäß seinen Preisvorstellungen vorhandene Kapital führen, ansonsten anzunehmen ist, dass er das Grundstück nicht kaufen möchte.
Sollte zwischen den Parteien keine Einigung über den Preis erzielt werden, so werden beide Vertragsparteien unabhängig voneinander ohne Angabe des Zwecks über die IHK jeweils einen öffentlich vereidigten und bei Gericht zugelassenen Sachverständigen bestellen, die den Grundstückswert objektiv schätzen. Sollten die Ergebnisse der beiden Sachverständigen weniger als 10 % auseinanderliegen, wird für den Preis der Mittelwert der Gutachten genommen. Sollte eine größere Differenz bestehen, so hat jede Partei das Recht, einen dritten Gutachter durch den Präsidenten des OLG bestellen zu lassen, der ebenfalls öffentlich vereidigt und bei Gericht zugelassen sein muss. Ihm werden die beiden bisherigen Gutachten nicht zur Kenntnis gebracht. Falls einer der beiden Parteien nicht mit dem Wert des dritten Gutachters einverstanden ist, wird das Mittel aller drei Gutachten genommen und gilt als Kaufpreis.
Bei der Erstellung aller Gutachten sind Grunddienstbarkeiten, die erst durch diesen Vertrag in das Grundbuch eingetragen werden, nicht zu berücksichtigen.
Die Kosten der Gutachten trägt jede Partei zur Hälfte,...
Zur Sicherung dieser Verpflichtung beantragte und bewilligte die Verkäuferin die Eintragung einer Vormerkung auf dem gegenständlichen Grundstück.
Weiter vereinbarten die Vertragsparteien, dass im Falle eines Verkaufs des gegenständlichen Grundstücks an einen Dritten die oben genannte Verkaufsverpflichtung (neben weiteren Verpflichtungen) wegfällt. Für diesen Fall bewilligten sie bereits zur Urkunde vom 18.4.1978 die Löschung der Vormerkung.
Das Grundbuchamt hat am 15.11.1978 eine Auflassungsvormerkung zugunsten von Siegfried S. unter Bezugnahme auf die Bewilligung eingetragen und am 23.11.1983 diesen Eintrag ohne Anhörung gelöscht in der in einem handschriftlichen Vermerk festgehaltenen Annahme, eine Auflassungsvormerkung sei nur für das Nachbargrundstück (FlSt 125/33) bewilligt und eingetragen sowie bei der Umschreibung des Grundbuchs versehentlich auf das gegenständliche Grundbuchblatt (FlSt 125/32) übertragen worden.
Nach Überprüfung der Löschung aufgrund notariellen Ersuchens vom 9.12.2010 hat das Grundbuchamt am 10.1.2011 von Amts wegen zugunsten von Thilo S. als Rechtsnachfolger von Siegfried S. einen Widerspruch gegen die Löschung der Auflassungsvormerkung eingetragen.
Die Beteiligte hat, anwaltlich vertreten, am 24.3.2014 beantragt, das Grundbuch durch Löschung des Widerspruchs zu berichtigen. Hinsichtlich des gegenständlichen Flurstücks sei lediglich eine Vormerkung zur Absicherung des Ankaufsrechts, nicht jedoch eine Auflassungsvormerkung bewilligt worden. Die in der Notarsurkunde ferner bewilligte Auflassungsvormerkung betreffe das Nachbarflurstück und habe der Absicherung de...