Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungsfähigkeit der Reisekosten eines auswärtigen Anwalts
Leitsatz (amtlich)
1. Die Reisekosten eines Rechtsanwalts, der weder am Gerichtsort noch am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässig ist ("Rechtsanwalt am dritten Ort"), sind regelmäßig nur bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten eines am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalts zu erstatten (vgl. BGH BeckRS 2004, 04201). (Rn. 16)
2. Auch das Interesse, sich durch einen Rechtsanwalt ihres Vertrauens vertreten zu lassen, erlaubt es einer Partei nicht, ohne kostenrechtliche Nachteile einen auswärtigen Rechtsanwalt mit ihrer gerichtlichen Vertretung unabhängig davon zu beauftragen, wie weit dessen Kanzlei von ihrem Wohn- oder Geschäftssitz und dem Gerichtsort entfernt ist. (Rn. 15)
Normenkette
ZPO § 91
Verfahrensgang
LG Augsburg (Beschluss vom 19.07.2019; Aktenzeichen 2 HK O 961/19) |
Tenor
1. Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Augsburg vom 19.07.2019 wird dahingehend abgeändert, dass die von der Beklagtenpartei an die Klagepartei zu erstattenden Kosten gemäß § 104 ZPO nach dem Endurteil des Landgerichts Augsburg vom 16.04.2019 auf 1.566,61 EUR (anstatt 1.486,41 EUR) nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit dem 16.05.2019 festgesetzt werden.
2. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
3. Von den außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Kläger 85 % und die Beklagte 15 %.
4. Die Gerichtskosten trägt der Kläger. Die Gebühr wird auf die Hälfte ermäßigt.
5. Der Wert der Beschwerde beträgt 525,47 EUR.
Gründe
I. Der Kläger, ein Interessenverband von Online-Unternehmern und ein Verband zur Förderung und Verfolgung gewerblicher Interessen im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, machte mit der Klage vor dem Landgericht Augsburg (Az. 2 HK O 961/19) im Wege der einstweiligen Verfügung gegen die Beklagte einen Unterlassungsanspruch wegen eines Wettbewerbsverstoßes nach §§ 3, 3a UWG geltend.
Der in L... ansässige Verband wurde dabei durch einen Prozessbevollmächtigten mit Kanzleisitz in Bremerhaven im Verfahren vertreten.
Nach der am 16.04.2019 durchgeführten mündlichen Verhandlung, erließ das Landgericht Augsburg am 16.04.2019 ein Endurteil, durch welches dem Antrag der Verfügungsklägerin stattgegeben wurde. Die Kosten des Verfahrens wurden der Beklagten auferlegt und der Streitwert auf 10.000,00 EUR festgesetzt.
Mit Schriftsatz vom 16.05.2019 machte die Klagepartei ihre Rechtsanwalts- und Gerichtsvollzieherkosten in Höhe von insgesamt 1.933,07 EUR zur Erstattung im Kostenfestsetzungsverfahren geltend. Dabei wurden anteilig - wegen mehrerer an aufeinanderfolgenden Tagen in verschiedenen Städten wahrgenommener Gerichtstermine, Reisekosten in Höhe von zusammen 446,66 EUR in Ansatz gebracht.
Die Beklagtenpartei wendet hiergegen ein, dass die geltend gemachten Fahrtkosten und Parkgebühren in Höhe von 412,06 EUR deutlich zu reduzieren seien, da lediglich die Reisekosten für die Beauftragung eines am Geschäftssitz der Partei ansässigen Rechtsanwalts erstattungsfähig seien.
Hiergegen bringt die Klagepartei vor, die Vereinsstruktur der Verfügungsklägerin sei sehr komplex, es sei deshalb unumgänglich, dass ein Verfahrensbevollmächtigter beauftragt werde, der in die Problematik der Verbandsmaterie eingearbeitet sei und den Verfügungskläger und dessen Verbandsstruktur hinreichend gut kenne. Der hiesige Verfahrensbevollmächtigte habe den Verfügungskläger bereits seit mehreren Jahren regelmäßig in einer Vielzahl von Verfahren vertreten und sei deshalb als "Hausanwalt" bzw. "Vertrauensanwalt" zu behandeln. Zudem würden die fiktiven Reisekosten eines Rechtsanwalts am Sitz des Verfügungsklägers 563,40 EUR (brutto) bzw. 471,02 EUR (netto) betragen.
Mit Beschluss des Landgerichts Augsburg vom 16.07.2019 wurden die von der Beklagtenpartei an die Klagepartei zu erstattenden Kosten auf 1.486,41 EUR nebst Zinsen festgesetzt. Mit Ausnahme der Reisekosten des Prozessbevollmächtigten zur Terminswahrnehmung wurden die geltend gemachten Kosten antragsgemäß berücksichtigt. Die Erstattung der Reisekosten wurde unter Hinweis auf die Kommentarliteratur und einer BGH-Rechtsprechung abgelehnt, da die Verfügungsklägerin als Verband zur Verfolgung gewerblicher Interessen personell und sachlich so ausgestattet sein müsse, dass er in der Lage sei einen Prozessbevollmächtigten am Gerichtsort schriftlich zu instruieren.
Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 16.07.2019 legte die Klagepartei mit Schriftsatz vom 23.08.2019 sofortige Beschwerde ein, mit dem Antrag in Abänderung des angefochtenen Beschlusses weitere 525,47 EUR als Reisekosten festzusetzen. Zur Begründung wird ausgeführt, dass zwar nicht mehr die Reisekosten eines Anwalts am dritten Ort, also von Bremerhaven aus, jedoch die fiktiven Reisekosten eines Rechtsanwaltes am Sitz der Partei (L...) als erstattungsfähig einverlangt würden. Unter Zugrundelegung der einfachen Fahrtstrecke von 530 km seien Fahrtkoste...