Leitsatz (amtlich)

Untersagt die Vergabekammer der Vergabestelle die Erteilung des Zuschlags auf das Angebot eines Beigeladenen, ist ein Antrag des Beigeladenen auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung seiner sofortigen Beschwerde entsprechend § 118 Abs. 1 S. 3 GWB unzulässig, weil auch in diesem Fall das gesetzliche Zuschlagsverbot nach § 118 Abs. 3 GWB besteht.

 

Normenkette

GWB § 118 Abs. 3

 

Tatbestand

Die Antragsgegnerin errichtet in Münster den Neubau eines Instituts für molekulare Biomedizin mit prognostizierten Gesamtkosten von 47,1 Mio. EUR. Das Gewerk "Gebäudeautomation" schrieb sie Europaweit im Offenen Verfahren aus. Nach der Vergabebekanntmachung soll der Zuschlag auf das wirtschaftlich günstigste Angebot bezüglich der in den Verdingungsunterlagen genannten Kriterien erfolgen. Als Kriterien sind in der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots Preis, Qualität, Konstruktion, Ausführungsfrist und Betriebskosten genannt.

Angebote wurden von der Antragstellerin, der Beigeladenen zu 1) und der Beigeladenen zu 2) abgegeben. Die auf den 31.12.2004 festgelegte Bindefrist wurde für alle Bieter bis zum 30.1.2005 verlängert. Am 28.1.2005 wurde die Bindefrist für die Beigeladene zu 1) verlängert auf den 31.3.2005 und am 10.2.2005 wurde die Frist mit allen drei Bietern auf den 1.3.2005 verlängert. Mit Schreiben vom 31.1.2005 teilte die Antragsgegnerin den Bietern mit, es sei beabsichtigt, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu 1) zu erteilen. Der Antragstellerin wurde zur Begründung beigefügt, ihr Angebot könne nicht berücksichtigt werden, weil ein niedrigeres Hauptangebot vorliege. Das Angebot der Beigeladenen zu 2) wurde wegen Unvollständigkeit ausgeschlossen.

Die Antragstellerin rügte mit Anwaltsschreiben vom 3.2.2005 die Nichtverlängerung der Bindefrist über den 30.1.2005 hinaus ihr ggü. und die Nichtberücksichtigung ihrer Nebenangebote, die günstiger und wirtschaftlicher seien als das Hauptangebot der Beigeladenen zu 1). Die Antragsgegnerin wies die Rügen am 15.2.2005 zurück. Sie habe die Bindefrist am 10.2.2005 für alle Bieter verlängert und die Nebenangebote der Antragstellerin gewertet.

Die Vergabekammer gab dem Nachprüfungsantrag der Antragstellerin statt, verpflichtete die Antragsgegnerin, das Angebot der Antragstellerin wieder in das Vergabeverfahren aufzunehmen und neu zu werten, und untersagte der Antragsgegnerin, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu 1) zu erteilen. Das Angebot der Beigeladenen zu 1) sei zwingend auszuschließen wegen fehlender Einheitspreise. Die Beigeladene zu 1) habe bei zahlreichen Positionen keinerlei Preiseintragung vorgenommen, sondern lediglich vermerkt: "in Pos. enthalten." Damit fehle eine Preisangabe.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beigeladene zu 1) mit ihrer sofortigen Beschwerde, mit welcher sie einen Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung verbindet.

 

Entscheidungsgründe

1. Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde entsprechend § 118 Abs. 1 S. 3 GWB zu verlängern, ist unzulässig.

a) Zwar steht auch einem Beigeladenen das Recht zu, einstweiligen Rechtsschutz zu beantragen (vgl. OLG Naumburg v. 5.5.2004 - 1 Verg 7/04; OLG Jena v. 30.10.2001 - 6 Verg. 3/01; OLG Koblenz v. 29.8.2003 - 1 Verg. 7/03), da er wie jeder andere Bieter ein Interesse daran haben kann, die Erteilung des Zuschlags zu verhindern, weil er selbst den Zuschlag auf sein Angebot erhalten will. Der Antrag der Beigeladenen zu 1) ist aber aus anderen Gründen nicht zulässig.

b) Nach dem Gesetzeswortlaut des § 118 Abs. 1 S. 3 GWB ist ein Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde nur für den Fall zulässig, dass die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag abgelehnt hat. Sinn und Zweck dieses einstweiligen Rechtsschutzes ist es, das zunächst durch Zustellung des Nachprüfungsantrages eingetretene Zuschlagsverbot nach § 115 Abs. 1 GWB für die Dauer des Beschwerdeverfahrens zu verlängern, damit nicht durch die Zuschlagserteilung wegen § 114 Abs. 2 S. 1 GWB ein Ende des Primärrechtsschutzes eintritt.

c) Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Vielmehr hat die Vergabekammer dem Nachprüfungsantrag der Antragstellerin stattgegeben und der Antragsgegnerin untersagt, den Zuschlag, wie von dieser geplant, auf das Angebot der Beigeladenen zu 1) zu erteilen. Für diese Konstellation sieht § 118 Abs. 3 GWB vor, dass der Zuschlag zu unterbleiben hat, bis der Vergabesenat die Entscheidung der Vergabekammer nach § 121 GWB oder § 123 GWB aufhebt. Eine frühere Zuschlagserteilung wäre unwirksam. Da die ursprüngliche Wertung der Angebote durch die Vergabestelle der Überprüfung durch die Vergabekammer nicht standgehalten hat, müsste vor erneuter Zuschlagserteilung nicht nur eine neue Wertung, sondern auch eine neue Vorabinformation erfolgen. Würde nun dennoch ein Zuschlag erteilt, würde dieser nicht nur dem Zuschlagsverbot des § 118 Abs. 3 GWB, sondern auch dem Zuschlagsverbot des § 13 S. 6 VgV widersprechen. In beiden Fällen wäre der Zuschlag nach § 134 BGB...

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