Leitsatz (amtlich)

Der Antragsteller in einem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren, der sofortige Beschwerde gegen eine ihn teilweise materiell und formell beschwerende Entscheidung der Vergabekammer eingelegt hat, hat grundsätzlich ein schutzwürdiges Interesse an einer Anordnung der Verlängerung des prozessualen Zuschlagverbots i.S.v. § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB.

a) Die Anordnung der Wiederholung der Wertung durch die Vergabekammer beinhaltet kein generelles Zuschlagsverbot i.S.v. § 118 Abs. 3 GWB, sondern macht einen Zuschlag lediglich von weiteren vorherigen Maßnahmen abgängig, die durchaus im Verlaufe des Nachprüfungsverfahrens geschaffen werden können (entgegen OLG Düsseldorf, Beschluss v. 12.7.2004, VII-Verg 39/04, NZBau 2004, 520; OLG München, Beschl. v. 17.5.2005 - Verg 9/05, OLG Celle, Beschluss v. 5.3.2007, 13 Verg 5/06, VergabeR 2007, 554)

b) Die gleiche prozessuale Unsicherheit besteht für den Antragsteller, wenn ihm ein Rechtsschutzbedürfnis an einer Entscheidung nach § 118 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 GWB aberkannt wird, weil sich das Vergabeverfahren nach Einschätzung des Vergabesenats in einem Stadium befindet, in welchem es nicht oder zumindest nicht auf absehbare Zeit zu einem wirksamen Zuschlag kommen kann (entgegen OLG München, Beschluss v. 5 November 2007, Verg 12/07).

c) Das Rechtsschutzbedürfnis eines Bieters an einer Anordnung der Verlängerung des prozessualen Zuschlagsverbots entfällt auch nicht etwa im Hinblick auf § 13 VgV.

 

Verfahrensgang

2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 17.12.2007; Aktenzeichen 2 VK LVwA 23/07)

 

Tenor

Auf den Antrag der Antragstellerin wird die aufschiebende Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt vom 17.12.2007, 2 VK LVwA 23/07, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Beschwerdeverfahrens angeordnet.

 

Gründe

I. Der Antragsgegner ist ein Zweckverband nach öffentlichem Recht, gegründet und betrieben zur Wasserversorgung und Abwasserentsorgung im Verbandsgebiet mit derzeit etwa 30.000 Einwohnern sowie mit gewerblichen Kunden. Seine Verbandsmitglieder sind ausschließlich kommunale Gebietskörperschaften.

Im Mai 2007 schrieb er den o.g. Dienstleistungsauftrag der vollständigen technischen und kaufmännischen Betriebsführung sowie der Geschäftsbesorgung der laufenden Verbandsgeschäfte ab dem 1.10.2007 EU-weit im Nichtoffenen Verfahren auf der Grundlage der Verdingungsordnung für Leistungen - Ausgabe 2006, dort Abschnitt 3 (VOL-SKR), zur Vergabe aus. Die Ausschreibung erfolgte mit funktionaler Leistungsbeschreibung unter Vorgabe eines Betriebsführungsvertrages und des Abschlusses eines Personalüberleitungsvertrages sowie eines Mietvertrages über Gewerbeflächen des Antragsgegners. Der Betriebsführungsvertrag sah u.a. in §§ 5 bis 8 die Beistellung aller technischen Anlagen zur Nutzung und Erhaltung sowie in § 25 Abs. 5 die Beistellung der gesamten IT-Infrastruktur zur Nutzung, Weiterführung und Pflege durch den Auftragnehmer über die gesamte Vertragslaufzeit vor. Als Vertragsdauer waren fünfzehn Jahre vorgesehen mit einer einmaligen fünfjährigen Verlängerungsoption des Antragsgegners. Das ordentliche Kündigungsrecht war für beide Vertragsparteien ausgeschlossen. Allerdings war dem Antragsgegner ein einmaliges Sonderkündigungsrecht zum 30.9.2012, also nach Ablauf von fünf Jahren, einzuräumen; für den Fall der Ausübung des Kündigungsrechts sollte dem Auftragnehmer ein Anspruch auf Zahlung einer von ihm anzubietenden sog. Ausstiegspauschale zustehen (vgl. § 19 Betriebsführungsvertrag).

Die Anforderungen an das abzugebenden Angebot sahen unter Ziff. 1.1. u.a. vor, dass "... das Angebot (Angebotsschreiben), die Übersicht, die Angebotsbedingungen, die Wertungskriterien, der Betriebsführungsvertrag, die Leistungsbeschreibung, der Personalüberleitungsvertrag, der Gewerbemietvertrag ..." vollständig auszufüllen, an der jeweils dafür vorgesehenen Stelle zu unterschreiben und "... als Angebot 3-fach in einem verschlossenen Umschlag ..." einzureichen seien. Der verschlossene Umschlag sei außen mit dem beiliegenden Aufkleber, Namen und Anschrift des Bieters zu versehen.

Nebenangebote waren nach Ziff. 2.1 nur bei gleichzeitiger Abgabe eines Hauptangebotes zugelassen und pro Bieter auf ein Nebenangebot begrenzt. Als Mindestbedingung war angegeben, dass Nebenangebote "... den Betriebsführungsvertrag, mit Ausnahme der Zahlungsmodalitäten in § 36, voll inhaltlich anerkennen ...". Es müsse in der technischen und kaufmännischen Betriebsführung mindestens gleichwertig zu den Leistungen im Hauptangebot sein und dürfe weder technisch noch kaufmännisch den Wert der Anlagen und Einrichtungen des Verbandes mindern.

Nach Ziff. 2.3 sollte jeder Bieter "... mit seinem Angebot einen gesonderten versiegelten Umschlag die Kalkulation für die angebotenen Entgelte ..." vorlegen (Urkalkulation). Es folgten nähere inhaltliche Vorgaben zum Umfang der geforderten Angaben. Der Umschlag sollte...

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