Leitsatz (amtlich)
1. Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Sicherungshaft nach § 62 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vor, kommt dem Tatrichter ein Ermessen zu, ob er die beantragte Haft anordnet oder nicht. Die dazu erforderlichen Erwägungen müssen in den Beschlussgründen ihren Niederschlag finden.
2. Auch im Rahmen von § 62 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ist Voraussetzung einer Haftanordnung die Annahme einer wesentlichen Erschwerung oder Vereitelung der Abschiebung aufgrund konkreter Umstände im Einzelfall, die eine gewisse Wahrscheinlichkeit begründen, gerade dieser Betroffene stehe der geplanten Abschiebung ohne Vollzug von Haft nicht zur Verfügung (Anschluss an OLG Hamburg vom 3.2.2004 - 2 Wx 128/02 bei Melchior Abschiebungshaft).
Normenkette
AufenthG § 62 Abs. 2 S. 2; FreihEntzG § 6 Abs. 1
Gründe
I. Die Ausländerbehörde betrieb die Abschiebung des Betroffenen, eines sudanesischen Staatsangehörigen. Der Betroffene reiste nach eigenen Angaben am 30.7.2006 auf dem Seeweg in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein. Sein am 28.8.2006 gestellter Asylantrag wurde mit Bescheid vom 3.4.2007, rechtskräftig seit 29.12.2008, abgelehnt. Zugleich wurde festgestellt, dass Abschiebungshindernisse nicht vorliegen; der Betroffene wurde zur Ausreise aufgefordert und die Abschiebung angedroht. Der seit 29.12.2008 ausreisepflichtige Betroffene verblieb jedoch im Inland. Am 23.6.2009 wurde der Betroffene bei einer Vorsprache in den Amtsräumen der Ausländerbehörde in Polizeigewahrsam genommen.
Auf Antrag der Ausländerbehörde hat das AG nach mündlicher Anhörung des Betroffenen mit Beschluss vom 24.6.2009 Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zu deren Vollzug, längstens jedoch für die Dauer von zwei Wochen, und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde hat das LG mit Beschluss vom 29.6.2009 zurückgewiesen. Der Betroffene wurde noch am gleichen Tag abgeschoben. Deswegen beantragt sein anwaltlicher Bevollmächtigter nun die Feststellung, dass der Vollzug von Abschiebungshaft aufgrund des vom LG bestätigten Beschlusses des AG rechtswidrig war; ferner stellt er Kostenantrag und begehrt für die Rechtsbeschwerdeinstanz Prozesskostenhilfe.
II. Auf das Verfahren sind die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden (Art. 111 Abs. 1 FGG-RG vom 17.12.2008, BGBl. I, 2586).
Das zulässige Rechtsmittel hat in der Hauptsache Erfolg.
1. Der im Rahmen der statthaften, form- und fristgerecht erhobenen sofortigen weiteren Beschwerde (§ 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, § 3 Satz 2 FreihEntzG, § 22 Abs. 1, §§ 27, 29 FGG) gestellte Fortsetzungsfeststellungsantrag ist nach ständiger Rechtsprechung schon wegen des nach Haftentlassung regelmäßig fortbestehenden, auch hier nicht in Zweifel zu ziehenden Rehabilitationsinteresses (vgl. BVerfG vom 31.10.2005, 2 BvR 2233/05 = wistra 2006, 59) zulässig.
2. Nach der Antragsfassung bildet die Feststellung, dass der polizeiliche Gewahrsam des Betroffenen vom 22. oder 23.6.2009 bis zum Zeitpunkt der richterlichen Siche-
rungshaftanordnung vom 24.6.2009 rechtswidrig war, nicht den Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass die der richterlichen Haftanordnung vorausgehende vorläufige Festnahme einen gesonderten Verfahrensgegenstand bildet, der schon wegen der damit verbundenen Antragserweiterung nicht erstmals im Rechtsbeschwerdeverfahren eingeführt werden kann (OLG München vom 6.11.2007, 34 Wx 117/07 zitiert nach juris). Gegenstand des Verfahrens der weiteren Beschwerde ist nur das, worüber das Erstbeschwerdegericht eine Entscheidung getroffen hat (vgl. OLG Hamm FGPrax 2005, 90). Das LG hat jedoch nur über die (fortbestehende) Rechtmäßigkeit der Haft auf der Grundlage des Beschlusses vom 24.6.2009 entschieden, ohne Anlass zu sehen, auch eine feststellende Entscheidung zur vorangegangenen Ingewahrsamnahme zu treffen. Soweit der Betroffene im Rahmen der Rechtsbeschwerdebegründung auch die Rechtswidrigkeit der vorläufigen Festnahme rügt, legt dies der Senat dahin aus, dass er daraus weitergehende Schlüsse auch auf die Rechtswidrigkeit der anschließend auf richterlichem Beschluss begründeten Haft ziehen will.
3. Das LG hat ausgeführt:
Der Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 2 AufenthG liege vor. Der Betroffene sei aufgrund des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 3.4.2007 seit 29.12.2008 vollziehbar ausreisepflichtig. Für den Betroffenen sei ein Flug für den 29.6.2009 gebucht. Die Abschiebung des Betroffenen sei daher zulässig und innerhalb von zwei Wochen durchführbar. Nachdem der Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 2 AufenthG zu bejahen sei, sei ein milderes Mittel als die Inhaftierung auch bei Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht gegeben.
4. Die Entscheidung des LG hätte aus Rechtsgründen (§ 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, § 3 Satz 2 FreihEntzG, § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG...