Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 26.03.2021; Aktenzeichen 12 HKO 3978/21) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 26.03.2021 - 12 HKO 3978/21 abgeändert und wie folgt gefasst:
"1. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, die Antragstellerin einstweilen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache über die Einziehung ihrer Geschäftsanteile aufgrund Beschlusses der Gesellschafterversammlung vom 23.03.2021 als Gesellschafterin der Antragsgegnerin mit einer Beteiligung von 5.040,- EUR mit allen Rechten und Pflichten - ausgenommen das ruhende Stimmrecht - zu behandeln.
2. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, eine korrigierte Gesellschafterliste zur Aufnahme im Handelsregister des Amtsgerichts München HRB ...565 einzureichen, in der die Antragstellerin als Gesellschafterin der Antragsgegnerin mit einer Beteiligung von EUR 5.040,00 am Stammkapital genannt ist."
2. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen und bleibt der Antrag abgelehnt.
3. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfügungsverfahrens.
4. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf EUR 50.000,- festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um einstweiligen Rechtsschutz im Zusammenhang mit der am 23.03.2021 beschlossenen Einziehung der Geschäftsanteile der Antragstellerin an der Antragsgegnerin, einem Startup Unternehmen.
Die Antragstellerin ist Gründergesellschafterin der Antragsgegnerin und Beteiligungsvehikel ihres Geschäftsführers und Gesellschafters K. U. Nach dem Einstieg von Investoren im Rahmen einer dritten Finanzierungsrunde, die in den Abschluss eines Investment and Shareholders' Agreement vom 22.06.2020 (Anlage ASt 8; im Folgenden ISA) und einer Neufassung der Satzung vom selben Tag (Anlage ASt 7) mündete, hielt die Antragstellerin 9.602 Anteile zu 1,- EUR, mithin 12,7% des Stammkapitals an der Antragsgegnerin (Anlage ASt 2).
Die Satzung ermöglicht ausweislich Nr. 20.2.3 eine Einziehung der Geschäftsanteile ohne Zustimmung des Betroffenen, wenn ein (sonstiger) den Ausschluss des Gesellschafters rechtfertigender wichtiger Grund in der Person oder im Verhalten des Gesellschafters vorliegt. Nach Ziff. 20.4 und 20.5 wird die Einziehung mit der Beschlussfassung wirksam, wenn der Gesellschafter bei der Beschlussfassung über die Einziehung anwesend ist. Ausweislich Ziff. 20.6 ruht von diesem Zeitpunkt an "bis zur endgültigen Wirksamkeit der Einziehung" das Stimmrecht des betroffenen Gesellschafters. Im Falle der Einziehung aus wichtigem Grund schuldet die Gesellschaft nach Ziff. 21.2 als Abfindung einen Gesamtbetrag in Höhe der "bis zum Zeitpunkt des Einziehungsbeschlusses geleisteten Einlagen (Stammkapital)".
Der Geschäftsführer der Antragstellerin U. (im Folgenden: der Geschäftsführer) war 2020 zugleich Geschäftsführer der Antragsgegnerin. Im Juli 2020 wurde ihm eröffnet, dass er ausweislich der durchgeführten Technologieanalyse der neuen Investorin nicht über die notwendige fachliche Kompetenz und Erfahrung verfüge, um den gestiegenen Anforderungen an den Produktvertrieb gerecht zu werden. In der Folge lud der Geschäftsführer - nach eigenem Bekunden zur Vorbereitung der Rechtsverteidigung, weil er mit einer Sperrung seines Zugangs zu Firmendaten rechnete - mehr als 8.000 sensible Firmendateien, darunter Geschäftsgeheimnisse, auf einen Laptop der Antragsgegnerin und ein Speichermedium herunter. Die Antragsgegnerin nahm dies - nach Sperrung des Zugriffs am 05.08.2020 - zum Anlass, den Geschäftsführer durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 11.08.2020 als Geschäftsführer der Antragsgegnerin abzuberufen und seinen Geschäftsführeranstellungsvertrag fristlos zu kündigen. Im Rahmen der Gesellschafterversammlung gab der Geschäftsführer Laptop und Speichermedium zurück. Er erklärte in einer eidesstattlichen Versicherung vom 25.08.2020 (Anlage AG 23), er habe nur noch auf ca. 200 - in einer eidesstattlichen Versicherung konkret benannte - in einer Cloud der Antragstellerin passwortgeschützt gespeicherte Dokumente Zugriff; diese würden die gesellschaftsrechtliche Dokumentation umfassen (Schutzschrift der Antragsgegnerin vom 26.02.2020, S. 30).
Die Parteien verhandelten in der Folge über einen Abkauf der Anteile der Antragstellerin. Die Antragsgegnerin setzte für den 01.09.2020 und für den 22.09.2020 Gesellschafterversammlungen an, in denen über die Einziehung der Geschäftsanteile der Antragstellerin, hilfsweise über die Ausübung der Call Option B. Leaver aus dem ISA abgestimmt werden sollte (ASt 13, 14). Nach den diesbezüglichen Bestimmungen (vgl. Ziff. 31 ff. des ISA) bietet - vereinfacht gesprochen - jede Gründergesellschaft an, 3.360 der von ihr gehaltenen Stammgeschäftsanteile sowie ihre sog. Zero Shares an die übrigen Gründergesellschaften, die Gesellschaft oder an die anderen Gesellschafter zu übertragen, wenn ein B. Leaver Ereignis vorliegt und die Annahme binnen sechs Monaten ab Kenntnis erklärt wird. Als B. Leaver Ereignis gilt "...