Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz gegen Ausschließung als Gesellschafter
Leitsatz (amtlich)
1. Bei fehlender Satzungsregelung über den Ausschluss eines Gesellschafters aus der Gesellschaft führt ein Ausschließungsbeschluss der Gesellschafterversammlung noch nicht zum Ausschluss des betroffenen Gesellschafters. Vielmehr bedarf es in einer solchen Konstellation für einen wirksamen Ausschluss eines Gestaltungsurteils nach erfolgreich erhobener Ausschlussklage. Bis zur Erwirkung eines rechtskräftigen Gestaltungsurteils über seinen Ausschluss behält der auszuschließende Gesellschafter vielmehr seine vollen Gesellschafterrechte. Bis zur Erwirkung eines rechtskräftigen Gestaltungsurteils über seinen Ausschluss behält der auszuschließende Gesellschafter vielmehr seine vollen Gesellschafterrechte. (Rn. 29)
2. Zwar kann auch bei einer fehlenden vorläufigen Verbindlichkeit des Ausschlusses die Gefahr einer Einreichung einer geänderten, den auszuschließenden Gesellschafter nicht mehr ausweisenden Gesellschafterliste zum Handelsregister bestehen, die ein Vorgehen des auszuschließenden Gesellschafters im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes rechtfertigen könnten. Die in einer solchen Konstellation an die Glaubhaftmachung eines Verfügungsgrundes zu stellenden Anforderungen sind jedoch hoch. Neben dem Beschluss müssen weitere, die aktuelle Gefahr der Einreichung einer unrichtigen Gesellschafterliste begründende Umstände hinzutreten. (Rn. 30)
Normenkette
GmbHG §§ 16, 34, 54; ZPO § 940
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 01.07.2020; Aktenzeichen 10 HK O 5152/20) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten werden das Endurteil des Landgerichts München I vom 01.07.2020, Az. 10 HK O 5152/20 in Ziffern 1 und 2 des Tenors und der Beschluss des Landgerichts München I vom 29.04.2020, Az. 10 HK O 5152/20, soweit er nicht schon durch Ziffer 3 des oben bezeichnete Endurteils vom 01.07.2020 aufgehoben wurde, aufgehoben und der Antrag des Klägers zur Gänze zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Gründe
A. Die Parteien streiten in der Berufung des vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahrens nur noch über die Gesellschafterstellung des Klägers in der Beklagten.
Die Beklagte ist eine GmbH mit einem in vier Geschäftsanteile eingeteilten Stammkapital von jeweils 25.000 DM. Inhaber der Geschäftsanteile Nrn. 1 und 2 war der Kläger, Inhaberin der Geschäftsanteile Nrn. 3 und 4 Frau C. P., ... (Anl. A 5). Einziger Geschäftsführer war zunächst der Kläger. Mit Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 23.07.2019 wurde Frau A. R. zur einzelvertretungsberechtigten und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiten weiteren Geschäftsführerin der Beklagten bestellt (vgl. Anl. A 6). Eine Regelung zum Ausschluss eines Gesellschafters enthält die Satzung der Beklagten (Anl. A 1) ebenso wenig wie zur Einziehung von Geschäftsanteilen.
Mit Schreiben vom 09.04.2020 (Anl. A 7) lud die Geschäftsführerin R. den Kläger zu einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung am 27.04.2020 in den Räumen der KMO G.straße 54 in ... F. ein. Dem Einladungsschreiben beigefügt war eine Tagesordnung, die als TOP 1 die "Abberufung Herr S. G. als Geschäftsführer wegen gravierender Pflichtverletzungen, Interessenkollisionen (...)" [sic] enthielt.
Mit Schreiben vom 09.04.2020 (Anl. A 10a) übermittelte die Geschäftsführerin R. dem Kläger eine ergänzte Tagesordnung zur Gesellschafterversammlung vom 27.04.2020, die u.a. als TOP 9 folgenden Punkt enthielt: "Ausschließung des Gesellschafters S. G. wegen pflichtwidriger und gesellschaftsschädigender Handlungen, erheblicher unberechtigter Privatentnahmen, Verweigerung von Aufklärungsmaßnahmen im Hinblick auf zum Vorwurf gemachten [sic] Pflichtverletzungen, Gewährung von unberechtigten wirtschaftlichen Vorteilen an Dritte etc. sowie Prüfung zur Einleitung gerichtlicher Verfahren diesbezüglich".
Obwohl der Kläger mit Schreiben seines vormaligen Prozessbevollmächtigten vom 16.04.2020 (Anl. A 8), 22.04.2020 (Anl. A 10) und 24.04.2020 (Anl. A 11) den Versammlungsort Frankfurt/Main gerügt hatte, hielt die Beklagte an der Durchführung der Gesellschafterversammlung am 27.04.2020 in Frankfurt/Main fest.
An der Gesellschafterversammlung nahm für den Kläger Herr Rechtsanwalt M. S. teil, der den Ort der Versammlung vorab als unzulässig rügte. Hinsichtlich der streitgegenständlichen TOP 1 und 9 stimmten der Kläger jeweils mit Nein und die andere Gesellschafterin C. P. jeweils mit Ja. Nach der Abstimmung zu TOP 1 stellte die Geschäftsführerin R. als Versammlungsleiterin fest, dass die Gesellschafterversammlung mit den Stimmen der Gesellschafterin P. die sofortige Abberufung des Klägers als Geschäftsführer der Beklagten aus wichtigem Grund beschlossen habe. Der Kläger unterliege einem Stimmverbot. Nach der Abstimmung zu TOP 9 stellte die Versammlungsleiterin fest, dass die Gesellschafterversammlung mit den Stimmen der Gesellschafterin P. den Ausschluss des Klägers aus der Beklagten beschlossen habe. Auch...