Entscheidungsstichwort (Thema)
Neubeginn der Verjährung, Verjährungsbeginn, drohende Verjährung, Verjährungseinrede, Verjährungsfrist, Hemmung der Verjährung, Beginn der Verjährung, Verjährungshemmung, Verjährungsansprüche, Erstbemessung, Neubemessung, Invaliditätsleistungen, Versicherungsnehmer, Invaliditätsgrad, Invaliditätsbemessung, Neufestsetzung der Invalidität, Berufungserwiderung, Vergleichsangebote, Feststellung des Versicherungsfalles, Abschlagszahlungen
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 22.12.2020; Aktenzeichen 23 O 16885/19) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 22.12.2020, Az. 23 O 16885/19, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
Die zulässige Berufung der Klägerin hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Mit im wesentlichen zutreffender Begründung hat das Landgericht die Klage abgewiesen.
1. Das Landgericht hat ausgeführt, hinsichtlich der Erstbemessung sei ein Anspruch auf weitere Invaliditätsleistung verjährt. Mit der Abrechnung der Beklagten vom 13. Oktober 2015 seien deren Erhebungen abgeschlossen und der Anspruch auf die Versicherungsleistung fällig gewesen, weshalb zum Jahresende die Verjährung begonnen habe (Urteil des Landgerichts, S. 5). Vorher sei die Verjährung nicht gehemmt gewesen (aaO S. 5 f). Vom 1. Januar bis 17. November 2016 sei die Verjährung durch Verhandlungen gehemmt gewesen (aaO S. 6). Hingegen habe das Neubemessungsverfahren nicht zu einer weiteren Hemmung geführt (aaO S. 6 f). Da die Verjährung mit Ablauf des 18. November 2019 eingetreten sei, habe die am 4. Dezember 2019 eingegangene Klage die Verjährung nicht mehr hemmen können (aaO S. 7).
Einen Anspruch aufgrund Neubemessung habe die Klägerin nicht hinreichend dargelegt. Trotz gerichtlichen Hinweises habe die Klägerin keine Veränderungen in ihrem Gesundheitszustand gegenüber der Erstbemessung vorgetragen (aaO S. 7).
2. Die Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).
a) Ein auf die Erstbemessung der Invalidität gestützter Anspruch auf Invaliditätsleistung wäre jedenfalls verjährt. Gemäß der Regelung in § 15 Satz 1 und 2 AUB (Anlage K 2 unter B), die im Wesentlichen den §§ 195, 199 Abs. 1 BGB entspricht, verjähren Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag in drei Jahren beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem die Leistung verlangt werden kann. Die Verjährung begann mit dem Ende des Jahres 2015 zu laufen (dazu unter aa), war nur vom 1. Januar bis 17. (längstens 24.) November 2016 durch Verhandlungen gehemmt (unter bb) und begann durch die Zahlung im November 2018 nicht neu zu laufen (unter cc). Damit lief die Verjährung mit dem 18. November 2019 ab, spätestens jedoch mit dem 25. November 2019, weshalb sie durch die am 4. Dezember 2019 eingegangene Klage nicht mehr gehemmt werden konnte. Die Beklagte darf sich auf die Verjährungseinrede berufen (unter dd).
aa) Die Verjährung begann mit dem Ende des Jahres 2015 zu laufen.
(1) Wie das Landgericht in seinem Urteil (S. 5 Abs. 3) zutreffend begründet hat, setzt der Verjährungsbeginn die Fälligkeit des Anspruchs voraus (vgl. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB), die gemäß § 14 Abs. 1 VVG grundsätzlich eintritt mit der Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Umfanges der Leistung notwendigen Erhebungen. Im gleichen Zeitpunkt hat der Versicherungsnehmer Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners (vgl. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB).
Erklärt der Versicherer gemäß § 11 I Abs. 1 AUB, § 187 Abs. 1 VVG, ob und in welchem Umfang er seine Leistungspflicht anerkennt, wird die Invaliditätsleistung im anerkannten Umfang innerhalb von zwei Wochen fällig gemäß § 11 II Abs. 1 AUB, § 187 Abs. 2 Satz 1 VVG. Soweit eine Leistung zu Unrecht abgelehnt wird, wird sie gemäß § 14 Abs. 1 VVG sofort nach Abschluss der notwendigen Erhebungen fällig, also praktisch mit Zugang der Leistungsablehnung (vgl. MünchKomm-VVG/Dörner, 2. Aufl., § 187 Rn. 10 f mwN).
(2) Für den Beginn der Verjährung eines auf die Erstbemessung gestützten Anspruchs ist die in diesem Sinne maßgebliche Entscheidung des Versicherers diejenige über die Erstbemessung. Auf den Abschluss des Neubemessungsverfahrens kommt es insoweit nicht an.
Der Bundesgerichtshof unterscheidet in ständiger Rechtsprechung zwischen der Erstfeststellung der Invalidität und ihrer Neufestsetzung, wobei die Neufestsetzung stets (lediglich) de...