Entscheidungsstichwort (Thema)
Dinglicher Arrest in das Vermögen eines ehemaligen Vorstands der Wirecard AG
Leitsatz (amtlich)
Stellt das dem Arrestanspruch zugrunde liegende Verhalten eine vorsätzliche strafbare Handlung dar, die sich gegen das Vermögen des Arrestgläubigers richtet, besteht in der Regel ein Arrestgrund. (Rn. 30)
Normenkette
BGB § 826; InsO § 15a; StPO § 111h Abs. 2 S. 1; ZPO §§ 916, 917 Abs. 1, § 920 Abs. 2
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 07.04.2021; Aktenzeichen 40 O 4463/21) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 23.04.2021 wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 07.04.2021, Az. 40 O 4463/21, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
I. Zur Sicherung der Zwangsvollstreckung wegen einer Schadensersatzforderung des Antragstellers gegen den Antragsgegner auf Zahlung von 40.000,00 EUR wird der dingliche Arrest in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Antragsgegners angeordnet.
I. Die Vollziehung des Arrestes wird durch Hinterlegung eines Betrages in Höhe von 40.000,00 EUR gehemmt.
II. Von den Kosten des Verfahrens beider Instanzen trägt der Antragsteller 23 % und der Antragsgegner 77 %.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 17.265,48 EUR festgesetzt.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Mit Schriftsatz vom 30.03.2021, beim Landgericht München I eingegangen am 06.04.2021, beantragte der Antragsteller zur Sicherung einer Schadensersatzforderung aus unerlaubter Handlung in Höhe von 51.796,45 EUR nebst Zinsen die Anordnung des dinglichen Arrests in das gesamte Vermögen des Antragsgegners.
Der Antragsteller erwarb im Zeitraum vom 28.04.2020 bis zum 02.07.2020 durch 16 Ordergeschäfte insgesamt 1.251 Inhaber-Aktien der W. AG zu einem Gesamtpreis von 73.288,44 EUR (inklusive Erwerbskosten).
In der Zeit zwischen dem 19.06.2020 und dem 03.07.2020 verkaufte der Antragsteller die erworbenen Aktien wieder und erzielte hierbei einen Erlös von 20.158,15 EUR.
Der Antragsgegner war Vorstandsvorsitzender der W. AG; er trat im Juni 2020 zurück.
Am 25.06.2020 stellte die W. AG Insolvenzantrag beim Amtsgericht München.
Fünf der oben genannten Aktienkäufe erfolgten nach dem 25.06.2020.
In dem Insolvenzgutachten ist u.a. ausgeführt, dass die Staatsanwaltschaft München I am 22.07.2020 eine Pressemitteilung veröffentlichte, in welcher unter anderem mitgeteilt wird, dass sie aufgrund zuvor vom Amtsgericht München erlassener Haftbefehle den Beschuldigten L., bis Ende 2017 Finanzvorstand der W. AG, und den Beschuldigten von E., früherer Head auf Accounting bei der W. AG, jeweils in München festgenommen habe. Gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der W. AG, Dr. M. B., sei ein neuer, erheblich erweiterter Haftbefehl beantragt und erlassen worden. Er sei in München festgenommen worden. Alle drei Beschuldigten seien bereits der Haftrichterin vorgeführt worden, die auf Antrag der Staatsanwaltschaft Haftfortdauer angeordnet habe. Die bisherigen intensiven Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München I hätten ergeben, dass der den Beschuldigten zur Last zu legende Sachverhalt erheblich erweitert werden müsse. Insbesondere die umfassenden Angaben eines Kronzeugen, aber auch weitere Beweismittel wie Zeugenaussagen und Urkunden, begründeten den Verdacht, dass die Beschuldigten Dr. B., L., von E. und B., der Geschäftsführer der Card Systems M.E. FZ-LLC mit Sitz in Dubai, unter Beteiligung von weiteren Mittätern im Jahr 2015 übereinkamen, die Bilanzsumme und das Umsatzvolumen der W. AG durch das Vortäuschen von Einnahmen aus Geschäften mit sog. Third Party Acquirern (TPA) aufzublähen. Das Unternehmen sollte - so die Staatsanwaltschaft in ihrer Pressemitteilung - finanzkräftiger und für Investoren und Kunden attraktiver dargestellt werden, um so regelmäßig Kredite von Banken und sonstigen Investoren zu erlangen und daraus fortwährend eigene Einkünfte zu generieren. In Wirklichkeit sei den Beschuldigten spätestens seit Ende 2015 klar gewesen, dass der Wirecard Konzern mit den tatsächlichen Geschäften insgesamt Verluste erzielte. Entsprechend dem gemeinsamen Plan und in dem Wissen, dass angeblich vorhandene Vermögenswerte in Höhe von zuletzt 1,9 Milliarden Euro ... nicht existierten, hätten die Beschuldigten die Verhandlung verschiedener Kredite und ähnlicher Geschäfte mit Investoren veranlasst. Banken in Deutschland und Japan sowie sonstige Investoren hätten, durch die falschen Jahresabschlüsse getäuscht, Gelder in Höhe von rund 3,2 Mrd. Euro bereitgestellt, die aufgrund der Insolvenz der W. AG höchstwahrscheinlich verloren sind. Die Beschuldigten Dr. B., L. und von E. sollen zudem entgegen ihrer Verpflichtungen gegenüber der W.AG das Vermögen des Unternehmens durch den Kauf von Unternehmen und Unternehmensanteilen zu überhöhten Preisen geschädigt haben. Nach derzeitiger rechtlicher Prüfung - so die Staatsanwaltschaft - würden den Beschuldigten in zum Teil verschiedenem Umfang gewerbsmäßiger Bandenbetrug, Untreue, unrichtige Darstellung und Marktmanipulation...