Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenentscheidung gem. § 91a ZPO
Leitsatz (amtlich)
1. Auch wenn allgemein anerkannt ist, dass ein unterlegener Bieter im Unterschwellenbereich im Wege der einstweiligen Verfügung seine Chance auf Zuschlagserteilung wahren kann, ist noch nicht geklärt, ob diese Möglichkeit auch besteht, wenn sein Angebot von Anfang an keine Aussicht auf Erfolg hat.
2. Die Kosten sind gegeneinander aufzuheben, da der Ausgang des Verfahrens offen ist und eine Kostenentscheidung nach § 91a ZPO nicht die Aufgabe hat, schwierige, ungeklärte Rechtsfragen zu lösen.
3. Der Streitwert des einstweiligen Verfügungsverfahrens richtet sich nach dem Angebot der Antragstellerin.
Normenkette
ZPO § 91a; GKG §§ 50, 50 Abs. 2, § 68 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 07.12.2016; Aktenzeichen 5 O 14505/16) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des LG München I vom 07.12.2016, Az. 5 O 14505/16, in Ziffer 1 dahingehend abgeändert, dass die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben werden. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen.
2. Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Streitwertbeschluss des LG München I vom 07.12.2016, Az. 5 O 14505/16 dahingehend abgeändert, dass der Streitwert des Verfahrens auf 119.000 EUR festgesetzt.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
4. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 6.700 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin beteiligte sich im April 2016 an einer national bekannt gemachten öffentlichen Ausschreibung der Antragsgegnerin im Unterschwellenbereich über die Ausführung von Demontagearbeiten (Rohrleitung/Maschinentechnik). Das Angebot der Antragstellerin lag mit mehr als 2 Mio EUR weit über den Angeboten der beiden Konkurrenten, die die ausgeschriebenen Leistungen für 107.833,63 EUR bzw. 267.930,29 EUR angeboten haben. Die Antragstellerin rügte in der Folgezeit wiederholt, dass es sich bei den günstigeren Angeboten um Unterkostenangebote handele, die zwingend auszuschließen seien. Auf Antrag der Antragstellerin erließ das LG ohne mündliche Verhandlung am 26.08.2016 eine einstweilige Verfügung, mit der der Antragsgegnerin vorläufig untersagt wurde, den ausgeschriebenen Auftrag zu vergeben. Die Antragsgegnerin legte hiergegen Widerspruch ein. Beide Parteien haben den Rechtsstreit unter Verwahrung gegen die Kosten übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem die Antragsgegnerin am 20.09.2016 die Aufhebung des Vergabeverfahrens beschlossen hat.
Mit Beschluss vom 07.12.2016 hat das LG der Antragstellerin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt und den Streitwert auf 15.223,67 EUR festgesetzt (B. 55/58 d.A.). Gegen Ziffer. 1 des Beschlusses (Kostenentscheidung) hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 28.12.2016 sofortige Beschwerde eingelegt. Die Antragsgegnerin wendet sich mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 29.12.2016 gegen die Streitwertfestsetzung, die ihrer Auffassung nach zu niedrig ist. Das LG hat beiden Beschwerden mit Beschluss vom 13.02.2017 nicht abgeholfen (Bl. 71/73 d.A.) und die Akten dem Senat vorgelegt. Eine vom Senat angeregte einvernehmliche Einigung über die Kostenverteilung konnte nicht erzielt werden. Ergänzend wird auf die Beschlüsse des LG und die gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
II.1. Die gemäß §§ 91a, 561 ZPO zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist teilweise begründet. Gemäß § 91a ZPO sind die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben.
Nach übereinstimmender Erledigungserklärung der Parteien ist über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden, § 91a ZPO. Es ist eine summarische Prüfung der Erfolgsausichten der Klage (bzw. des Antrags) durchzuführen. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im materiellen Recht sind nicht zu klären (Thomas/Putzo, ZPO, 38. Aufl., Rn. 46a, Rn. 48). Wer die Erledigung herbeigeführt hat, ist für sich genommen kein relevanter Aspekt für die Verteilung der Kosten.
Vorliegend war der Ausgang des Verfahrens zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses offen, weswegen die Kosten gegeneinander aufzuheben sind.
a) In der Rechtsprechung ist mittlerweile allgemein anerkannt, dass ein nicht zum Zuge kommender Bieter auch im Unterschwellenbereich mit Hilfe einer einstweiligen Verfügung Primärrechtsschutz in Anspruch nehmen und dadurch seine Chance auf eine Zuschlagserteilung wahren kann (vgl. Scharen, Rechtsschutz bei Vergaben unterhalb der Schwellenwerte, VergabeR 2011, S. 653 ff; Dicks, Nochmals: Primärrechtsschutz bei Aufträgen unterhalb der Schwellenwerte, VergabeR 2012, S. 531 ff; OLG Düsseldorf vom 13.01.2010, Az. 27 U 1/09; OLG Schleswig vom 08.01.2013, Az. 1 W 51/12, OLG Saarbrücken vom 13.06.2012, Az. 1 U 357/11 und vom 16.12.2015, Az. 1 U 87/15; OLG Dresden vom 13.08.2013, Az. 16 W 439/13; OLG Frankfurt vom 21.04.2017, Az. 11 U 10/17). Einige Oberlandesgerichte haben dabei au...