Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeit der ArbG, Abgrenzung selbständiger Handelsvertreter - unselbständiger Angestellter
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Beurteilung der Frage, ob der zur Dienstleistung Verpflichtete als selbständiger Handelsvertreter oder als unselbständiger Angestellter tätig geworden ist, und damit, ob eine Zuständigkeit der ArbG oder der ordentlichen Gerichte eröffnet ist, ist das Gesamtbild der vertraglichen Gestaltung und der tatsächlichen Handhabung entscheidend.
2. Auch wenn der Dienstverpflichtete Ort, Zeit und Art der Tätigkeit weitgehend selbst bestimmen kann und nach dem Vertrag als Vergütung Provisionen für vermittelte Verträge zu leisten sind, kann die gelebte Vertragswirklichkeit (u.a. geschuldete Erreichbarkeit, Mitteilungspflicht über Abwesenheitszeiten, Wahrnehmung handelsvertreteruntypischer Aufgaben, fehlende Abrechnung über Provisionen und "Provisionsvorschüsse" durch Unternehmer während der gesamten Vertragslaufzeit, Provisionsrechnung ohne Ausweis der Mehrwertsteuer) gegen eine selbständige Tätigkeit und für eine wirtschaftliche Unselbständigkeit sprechen, mit der Folge, dass für Rechtsstreitigkeiten hieraus die ArbG zuständig sind.
Normenkette
ArbGG § 5
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 26.11.2013; Aktenzeichen 30 O 14260/12) |
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des LG München I vom 26.11.2013 - 30 O 1460/12, wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
IV. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 6.400 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit oder der Arbeitsgerichtsbarkeit.
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage Rückzahlung insb. von Provisionsvorschüssen, die der Beklagte im Zuge "der Zusammenarbeit bis zum 31.12.2011" erhalten hat. Unstreitig war der Beklagte mit Wirkung zum 1.1.2009 als Versicherungsmakler im Angestelltenverhältnis für den Bereich "Transporte und Logistik, Vertrieb" tätig (vgl. Anlage K 1). Mit Wirkung zum 1.1.2010 schlossen die Parteien "um Kosten zu sparen" einen als "Vertriebspartner-Vertrag" bezeichneten Vertrag, in dem der Beklagte Vertriebspartner der Klägerin und selbständiger Handelsvertreter bezeichnet wird, der ausschließlich von der Klägerin angebotene Produkte zu vermitteln hatte und nach § 1 Ziff. 2.1. des Vertrags im Wesentlichen frei war, seine Tätigkeit zu gestalten und seine Arbeitszeit und seinen Arbeitsort zu bestimmen (vgl. Anlage K 2). In einer Anlage zum Vertrag vereinbarten die Parteien einen monatlichen Provisionsvorschuss von 4.000 EUR. Nach § 9 des Vertrags hatte die Klägerin die Pflicht über Provisionsvorschüsse und Provisionen, auf die der Vertriebspartner Anspruch hat, vierteljährlich abzurechnen. Eine vierteljährlich Abrechnung erfolgte in der Folgezeit nicht. Der Beklagte stellte während der Vertragslaufzeit der Klägerin "für erbrachte Dienstleistung" monatlich 4.000 "Vermittlungshonorar" in Rechnung ohne Mehrwertsteuerausweis (vgl. Anlage K 4). Diese Beträge beglich die Klägerin in der Folgezeit jeweils. Unstreitig nahm der Beklagte auch weiterhin seine Tätigkeit im AK Transport wahr, diese wurde während der Vertragslaufzeit der Klägerin nicht gesondert in Rechnung gestellt. Nachdem die Klägerin dem Beklagten mitgeteilt hat, den Provisonsvorschuss auf monatlich 1.000 EUR zu reduzieren, kündigte der Beklagte mit Schreiben vom 28.11.2011 den Vertriebspartnervertrag zum 31.12.2011 (vgl. Anlage K 3), mit Schreiben vom 23.1.2012 fordete die Klägerin den Beklagten zur Zahlung eines Betrags i.H.v. 72.464,33 EUR bis spätestens 6.2.2012 auf. Eine Forderungsaufstellung vom 9.7.2012, in der der "Hauptforderung" - "Honorar" für die jeweiligen Monate jeweils Gutschriften gegenüber gestellt sind und in der sich die streitgegenständliche Forderung errechnet, legt die Klägerin als Anlage K 5 vor. Mit Datum vom 30.12.2011 stellte die Klägerin dem Beklagten ein Zeugnis aus, in dem festgehalten ist, dass der Beklagte vom 1.1.2009 bis 31.12.2011 für die Beklagte als Leiter der Abteilung Transport & Logistik eingesetzt gewesen sei, zum Inhalt wird auf Anlage B 3 verwiesen.
Hinsichtlich des der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalts wird ergänzend auf den landgerichtlichen Beschluss und auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Der Beklagte beantragte die Verweisung des Rechtsstreits an das ArbG München, weil er der Auffassung ist, er sei auch nach Abschluss des Vertriebsvertrags tatsächlich nicht selbständiger Handelsvertreter gewesen, sondern weiterhin Arbeitnehmer der Klägerin. Dies ergäbe sich aus den Tätigkeiten, die er für die Klägerin ausgeführt habe.
Dem widerspricht die Klägerin, die insbesondere darauf verweist, dass der Beklagte seine Zeit selbst einteilen konnte und auch den Arbeitsort. Für eine selbständige Tätigkeit spreche auch, dass der Beklagte seinen Urlaub nicht mehr genehmigen las...