Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung bei Verwerfungsantrag bezüglich offensichtlich unzulässiger Berufung
Leitsatz (amtlich)
Legt eine Partei selbst in unzulässiger Weise Berufung ein, so führt ein Verwerfungsantrag des Berufungsbeklagtenvertreters nicht zu einem Erstattungsanspruch in Höhe einer 1,6 Verfahrensgebühr, es sei denn, der Antrag wird gestellt, nachdem das Gericht innerhalb einer angemessenen Frist keinen Verwerfungsbeschluss erlassen hat.
Normenkette
ZPO § 104; RVG-VV Nrn. 3200-3201
Verfahrensgang
AG Mühldorf a. Inn (Beschluss vom 17.01.2008; Aktenzeichen 002 F 00291/07) |
Tenor
I. Die der Klägerin von dem Beklagten aufgrund des Beschlusses des OLG München vom 26.11.2007 zu erstattenden Kosten werden festgesetzt auf 381,16 EUR nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB ab 28.11.2007.
II. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
III. Von den außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Klägerin 1/3, der Beklagte 2/3. Die Gerichtskosten trägt die Klägerin.
IV. Der Beschwerdewert beträgt 543,59 EUR.
V. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin wendet sich dagegen, dass ein Erstattungsanspruch für Kosten der Klägervertreterin im Berufungsverfahren nicht anerkannt wurde.
Der mit Endurteil des AG Mühldorf vom 8.10.2007 zur Unterhaltszahlung verurteilte Beklagte legte selbst, also ohne die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes mit Schreiben vom 29.10.2007 Berufung ein. Mit Schriftsatz vom 13.11.2007 beantragte die Klägervertreterin die Berufung zurückzuweisen, weil hinsichtlich der Berufung Anwaltszwang bestehe. Mit Beschl. v. 26.11.2007 hat das OLG München die Berufung des Beklagten verworfen, diesem die Kosten auferlegt und den Streitwert auf 4.188 EUR festgesetzt.
Die Klägerin meldete zur Kostenfestsetzung 542,59 EUR an (1,6-Verfahrensgebühr gem. RVG-VV 3200 aus 4.188 EUR Auslagenpauschale RVG-VV 7002, 19 % Mehrwertsteuer).
Das AG Mühldorf wies den Kostenfestsetzungsantrag mit Beschluss vom 17.1.2008 zurück, da die Einschaltung einer Anwältin nicht erforderlich gewesen sei. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin, mit der der ursprüngliche Kostenfestsetzungsantrag in vollem Umfang weiter verfolgt wird.
II. Die sofortige Beschwerde ist in Höhe einer 1,1-Verfahrensgebühr nebst Kommunikationspauschale und 19 % Mehrwertsteuer begründet; im Übrigen unbegründet.
1. Es ist anerkannt, dass sich der oder die Berufungsbeklagte anwaltlicher Unterstützung bedienen darf, bevor eine Berufungsbegründung eingegangen ist. Die mit einem Rechtsmittel überzogene Partei kann regelmäßig nicht selbst beurteilen, was zur Rechtsverteidigung sachgerecht zu veranlassen ist (BGH NJW 03, 756).
Nichts anderes gilt, wenn die Berufungseinlegung unwirksam ist, weil sie von der Partei selbst vorgenommen wurde. Auch hier weiß eine Partei nicht, dass damit die Berufung ohne weiteres unzulässig ist, und dies vom Gericht von Amts wegen festzustellen ist (§ 522 Abs. 1 ZPO).
Für die Entstehung einer 1,1-Verfahrensgebühr gem. RVG-VV 3201 Anm. Nr. 1 genügt, dass die Klägervertreterin antragsgemäß irgendetwas im Interesse der Klägerin unternommen hat. Dafür genügt, dass sie sich Gedanken gemacht hat, ob etwas zu tun veranlasst ist. Eine solche Prüfung hat die Klägervertreterin vorgenommen wie sich aus ihrem Schriftsatz vom 13.11.2007 ergibt.
Ein Erstattungsanspruch für eine 1,1-Verfahrensgebühr wäre allerdings dann zu verneinen, wenn gleichzeitig mit der Zustellung der Berufungsschrift an die Klägervertreterin der Hinweis des Gerichts vom 12.11.2007, dass die Berufung im Hinblick auf den Anwaltszwangs unzulässig ist, bei der Klägervertreterin eingegangen wäre (vgl. hierzu BGH Rechtspfleger 06, 416, 418b zu Einspruch gegen Versäumnisurteil). Es ist davon auszugehen, dass, wie von der Klägerin vorgetragen, die Klägervertreterin erst die Berufung und erst später den Hinweis des Gerichts erhalten hat. Die Behauptung der Klägerin steht in Übereinstimmung mit der Vorgehensweise beim 12. Familiensenat des OLG München. Die Geschäftsstelle stellt erst die Berufung dem Berufungsgegner zu und legt dann die Akte dem Richter vor.
2. 1,6-Verfahrensgebühr.
Ein Erstattungsanspruch besteht jedoch nicht in Höhe einer 1,6 Verfahrensgebühr. Zwar hat die Klägervertreterin mit Schriftsatz vom 13.11.2007 einen Sachantrag gestellt, was für die Entstehung einer 1,6-Verfahrensgebühr ausreicht. Die 1,6-Verfahrensgebühr ist jedoch nicht zu erstatten, da es unter dem Gesichtspunkt, dass Kosten gering zu halten sind, unnötig war, einen derartigen Antrag zu stellen. Es ist offensichtlich, dass die vom Beklagten selbst eingelegte Berufung wegen des Anwaltszwanges (§ 78 Abs. 1 S. 1 ZPO) unzulässig war. Das ist derart offensichtlich, dass kein Richter beim OLG die Unzulässigkeit, die er von Amts wegen prüfen muss (§ 522 Abs. 1 ZPO), übersehen kann. Deshalb ist es im Interesse der Klägerin nicht erforderlich gewesen, einen Zurückweisungsantrag, gemeint war wohl ein Verwerfungsantrag, zu stell...