Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschwerdeberechtigung des Betreuers bei Akteneinsicht für einen Verfahrensbeteiligten
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Betreuer (hier: Sohn der Betroffenen) ist im eigenen Namen beschwerdeberechtigt, wenn einem Verfahrensbeteiligten Akteneinsicht gewährt wird und die Akten auch wesentliche Informationen über die persönlichen, namentlich finanziellen, Verhältnisse des Betreuers enthalten.
2. Interessen des Betreuers an der Geheimhaltung des Akteninhalts überwiegen nicht das verfassungsrechtlich gewährleistete Informationsinteresse des Verfahrensbeteiligten, wenn die Akteneinsicht diesem auch die Beurteilung der Geeignetheit des Betreuers ermöglichen kann und im Übrigen nicht offensichtlich rechtsmissbräuchlich verlangt wird.
Normenkette
GG § 103 Art. 1; FGG §§ 20, 34
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 23.03.2005; Aktenzeichen 13 T 3245/05) |
AG München (Aktenzeichen 715-XVII 05669/02) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde gegen den Beschluss des LG München I vom 23.3.2005 wird zurückgewiesen.
II. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Das VormG bestellte am 4.12.2002 für die Betroffene einen ihrer Söhne, den Beteiligten zu 1), als Betreuer mit den Aufgabenkreisen Gesundheitsfürsorge, Vertretung ggü. Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post im Aufgabenkreis, Organisation der ambulanten Versorgung. Für die Konten der Betroffenen besaß der Beteiligte zu 1) Vollmachten. Mit Anwaltsschreiben vom 21.4.2004 "beantragte" der Beteiligte zu 2), ein weiterer Sohn der Betroffenen, die Entlassung seines Bruders wegen Interessenkollisionen im Vermögensbereich und seine eigene Bestellung als Betreuer. Das VormG bestellte mit Beschl. v. 2.8.2004 eine Rechtsanwältin als berufsmäßige weitere Betreuerin mit den Aufgabenkreisen Vermögenssorge, Geltendmachung von Rechten ggü. dem Bevollmächtigten (einschließlich Widerruf der Vollmacht). Der Beteiligte zu 2 beantragte mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 25.11.2004 Übersendung von Ablichtungen eines etwa vorhandenen Vermögensverzeichnisses und Schlussberichts zur Rechnungslegung sowie mit Anwaltsschreiben vom 18.12.2004 umfassende Akteneinsicht. Dieses Gesuch lehnte das VormG mit Beschl. v. 21.12.2004 ab. Auf die hiergegen eingelegte Beschwerde des Beteiligten zu 2 hob das LG am 22.3.2005 nach Anhörung des Beteiligten zu 1), der weiteren Betreuerin und der für die Betroffene für das Beschwerdeverfahren bestellten Verfahrenspflegerin den vormundschaftsgerichtlichen Beschluss auf und verfügte, dem Beteiligten zu 2 Akteneinsicht zu gewähren. Mit seiner hiergegen im eigenen Namen eingelegten weiteren Beschwerde verfolgt der Beteiligte zu 1) das Ziel, den vormundschaftsgerichtlichen Beschluss wieder herzustellen.
II.1. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist statthaft und entspricht der gesetzlichen Form, § 27 Abs. 1, § 29 Abs. 1 FGG. Der Beteiligte zu 1) ist beschwerdeberechtigt. Er hat die weitere Beschwerde nicht als Betreuer und Vertreter der Betroffenen (§ 1901 BGB), sondern im eigenen Namen eingelegt.
a) Es kann dahinstehen, ob sich aus § 69g Abs. 2 S. 1 FGG ein eigenes Beschwerderecht des Betreuers ableiten lässt, ohne dass es auf die Voraussetzungen des § 20 FGG ankäme (Keidel/Kayser, FGG, 15. Aufl., § 69g Rz. 20). Durch die gerichtliche Entscheidung ist der Aufgabenkreis des Beteiligten zu 1) nicht berührt.
b) Dem Beteiligten zu 1) steht jedoch im vorliegenden Fall ein Beschwerderecht nach § 20 Abs. 1 FGG zu. In der Regel ist der Betreuer im Verfahren der Akteneinsichtsgewährung nicht beschwerdeberechtigt, da die Betreuungsakten normalerweise nur wenige Informationen über Person und Privatleben des Betreuers enthalten. Hier liegt jedoch kein derartiger Sachverhalt vor. Vielmehr enthält die Betreuungsakte eine Fülle von Informationen über die private und die Einkommens- und Vermögenssituation des Beteiligten zu 1), so dass auch sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung durch die Gewährung von Akteneinsicht berührt wird.
2. Das Rechtsmittel des Beteiligten zu 1) hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet: Der Beteiligte zu 2) gehöre zum Kreis der gem. § 69a S. 3, § 69g Abs. 1 FGG privilegierten Verfahrensbeteiligten, die im Interesse der Betroffenen Rechtsmittel einlegen könnten. Als Verfahrensbeteiligter habe er gem. Art. 103 Abs. 1 GG Anspruch auf rechtliches Gehör und brauche ein berechtigtes Interesse an Akteneinsicht nicht glaubhaft zu machen. Allerdings sei das Interesse der Betroffenen am Schutz ihrer personenbezogenen Daten im Rahmen des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) mit dem Akteneinsichtsinteresse des Beteiligten zu 2) abzuwägen. Das Grundrecht der Betroffenen stehe der Akteneinsichtsbefugnis des Beteiligten zu 2) hier jedoch nicht entgegen, da jedenfalls der natürliche Wille der Betroffe...