Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatzanspruch, Berufung, Kenntnis, Nutzungsuntersagung, Anspruch, Anleger, Zeitpunkt, Betriebsstilllegung, Feststellungsklage, Medien, Leistung, Form, Beurteilung, Quartal, erforderliche Sorgfalt, drei Jahre, Schluss des Jahres

 

Verfahrensgang

LG Deggendorf (Urteil vom 27.04.2020; Aktenzeichen 23 O 7/20)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Deggendorf vom 27.04.2020, Az. 23 O 7/20, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 20.08.2020.

 

Gründe

Entgegen der Ansicht der Berufung hat das Landgericht die Klage im Ergebnis zu Recht als unbegründet abgewiesen. Der entscheidende Gesichtspunkt ist jedoch, dass die Ansprüche der Klägerin bei Klageeinreichung bereits verjährt waren.

Zwar wies die Klagepartei schon erstinstanziell zutreffend darauf hin, dass grundsätzlich diejenige Partei, die sich auf Verjährung beruft, die Voraussetzungen für den Verjährungseintritt darzulegen und zu beweisen hat. Dies kann der Berufung allerdings selbst dann, wenn die klägerische Ansicht zuträfe, dass die Beklagte vorliegend nichts Substanzielles zur Begründung ihrer Einrede vorgebracht habe, nicht zum Erfolg verhelfen.

Denn vorliegend besteht die Besonderheit, dass der individuelle Verjährungsbeginn, d.h. der Zeitpunkt der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis des Gläubigers von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners, § 199 Abs. 1 BGB, regelmäßig mit dem unstreitigen Zeitpunkt des allgemeinen Bekanntwerdens des "Dieselskandals" übereinstimmt. Denn über die der Beklagten vorgeworfene Täuschung wurde ab Herbst 2015 umfassend in sämtlichen Medien berichtet. Dass ein in Deutschland lebender Kunde des Konzerns hiervon keine Kenntnis gehabt haben sollte, ihm jedenfalls nicht grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 BGB vorzuwerfen wäre, ist nicht vorstellbar.

Begann die Verjährungsfrist danach bereits mit dem Schluss des Jahres 2015 zu laufen, endete sie mit Ablauf des Jahres 2018, so dass die danach erhobene Klage die Verjährung nicht mehr gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB hemmen konnte.

Zur näheren Erläuterung ist noch auszuführen.

Auch wenn gemäß höchstrichterlicher Rechtsprechung ein deliktischer Anspruch bejaht wird, kann die Beklagte einem entsprechenden deliktischen Anspruch der Klägerin jedenfalls mit Erfolg die Einrede der Verjährung entgegenhalten (§ 214 Abs. 1 BGB).

Nach § 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre. Dies gilt auch für Ansprüche aus § 826 BGB (vgl. etwa BGH, Urteil vom 15.11.2011, XI ZR 54/09). Nach § 199 Abs. 1 BGB beginnt die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in welchem der Anspruch entstanden ist und der Anspruchsteller Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen sowie der Person des Schuldners hat oder diese Kenntnis infolge grober Fahrlässigkeit nicht hat. Nach ständiger BGH-Rechtsprechung liegt die erforderliche Kenntnis in Fällen wie hier im Allgemeinen vor, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, erfolgversprechend, wenn auch nicht risikolos möglich ist. Weder ist es notwendig, dass der Geschädigte alle Einzelumstände kennt, die für die Beurteilung möglicherweise Bedeutung haben, noch muss er bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können. Auch kommt es, abgesehen von Ausnahmefällen, nicht auf eine zutreffende rechtliche Würdigung an (vgl. BGH, Urteile vom 15.11.2011, XI ZR 54/09 und vom 04.07.2017 XI ZR 562/15). Grob fahrlässige Unkenntnis liegt nach dieser Rechtsprechung vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis fehlt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen.

Ausgehend davon begann die 3-jährige Verjährungsfrist im gegenständlichen Fall vor dem 01.01.2016 zu laufen. Denn ein aus § 826 BGB i. V. m. § 31 BGB gegebener Anspruch wäre bereits vor diesem Zeitpunkt entstanden und hätte eine mögliche Unkenntnis der Klägerin von den anspruchsbegründenden Umständen und der Beklagten als Haftungsschuldnerin jedenfalls auf grober Fahrlässigkeit beruht.

Ausgehend davon, dass die Klägerin aufgrund einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung zum Abschluss eines Vertrags veranlasst worden wäre, den sie ohne die Handlung des Schädigers nicht abgeschlossen hätte und weiter unterstellt, dass die Leistung für ihre Zwecke ni...

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