Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung einer Auflassung im Grundbuch

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Auslegung einer Auflassung, mit der die im Grundbuch als Miteigentümer zu gleichen Anteilen eingetragenen Übergeber den Grundbesitz an eine Mehrzahl von Übernehmern zum Miteigentum zu gleichen Teilen übertragen.

Zum Vorbehalt von Nießbrauch am (gesamten) Wohnungs-/Teileigentum durch gemeinschaftliche Verfügung oder am jeweiligen ideellen Bruchteil durch Einzelverfügungen der Bruchteilseigentümer.

 

Normenkette

BGB §§ 747, 873 Abs. 1, § 925 Abs. 1, §§ 1008, 1009 Abs. 1, § 1030 Abs. 1, § 1061 S. 1, § 1066 Abs. 1; GBO § 20; RPflG § 11 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Augsburg (Beschluss vom 23.05.2016)

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des AG Augsburg - Grundbuchamt - vom 23.5.2016 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 200.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten zu 1 und 2 sind im Wohnungs- und Teileigentumsgrundbuch als Eigentümer je zur Hälfte an einer Wohnung sowie zu je 1/8 an einem Tiefgaragenstellplatz, beide verbunden mit Miteigentumsanteilen an einem Grundstück, eingetragen. Zu notarieller Urkunde vom 8.2.2016 überließen sie ihre Anteile den Beteiligten zu 3 und 4, ihren Söhnen, und vereinbarten hierzu unter Ziff. 2 ("Überlassung und weitere Modalitäten") folgendes:

2.1 Übergabe

(Die Beteiligten zu 1 und 2) - "Übergeber"/"Veräußerer" - übergeben den vorbezeichneten Grundbesitz (Wohnungs-/Teileigentum)... an ... (die Beteiligten zu 3 und 4) - "Übernehmer"/"Erwerber" - zum Miteigentum zu gleichen Teilen ...

2.3 Nießbrauch

2.3.1 Grundsatz

(Die Beteiligten zu 1 und 2) behalten sich das alleinige ... Nutzungsrecht am gesamten übergebenen Wohnungs-/Teileigentum ... - "Nießbrauch" - vor. Nießbrauchsberechtigt ist jeder Übergeber an dem von ihm übergebenen Miteigentumsanteil und für die Zeit nach dem Tod des anderen Übergebers auch an dessen Anteil. Der Nießbrauch ist personengebunden und nicht übertragbar und erlischt mit dem Ableben des jeweiligen Nießbrauchers ...

2.3.3 Grundbuchliche Sicherung

Zur Sicherung dieses Anspruchs beantragen die Beteiligten den Eintrag je eines Nießbrauchs für Herrn ... (Beteiligter zu 1) und Frau ... (Beteiligte zu 2) verbunden mit dem Vermerk teilweise bedingt, untereinander im Gleichrang und je löschbar gegen Todesnachweis ...

Unter Ziff. 2.6 erklärten die Beteiligten, über den Eigentumsübergang an der ... "genannten Immobilie auf ... (die Beteiligten zu 3 und 4) und zwar untereinander im ... angegebenen Erwerbsverhältnis einig" zu sein. Sie bewilligten (soweit hier von Bedeutung) den Vollzug der Auflassung sowie den Nießbrauch nach Abschnitt 2.3.3. Unter Vorlage der Urkunde beantragte der Notar namens aller Antragsberechtigten am 15.3.2016 die Eintragung der Auflassung und des jeweiligen Nießbrauchs.

Mit Beschluss vom 23.5.2016 hat das Grundbuchamt nach Anhörung die Eintragungsanträge wegen Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz zurückgewiesen. Jeder Übergeber sei nießbrauchsberechtigt an seinem Anteil und aufschiebend bedingt auf den Tod des jeweils anderen Übergebers an dessen Anteil. Deshalb müssten insgesamt vier Nießbrauchsrechte eingetragen werden, zwei unbedingte und zwei bedingte. Zum Zweck eindeutiger Zuordnung der Rechte müssten die Beteiligten in einer Nachtragsurkunde festlegen, welchen Hälfteanteil der jeweilige Erwerber von welchem Übergeber erhalte. Da ein Quoten-Nießbrauch ausdrücklich nicht gewünscht sei und die für erforderlich erachtete Zuweisung abgelehnt werde, sei der Eintragungsantrag insgesamt nicht vollziehbar.

Gegen diese Entscheidung wenden sich die Beteiligten über den Notar mit der Beschwerde. Jedes Nießbrauchsrecht des jeweiligen Übergebers, also der jeweils unbedingt zum Eigenschutz und der jeweils für den Todesfall zum Schutz des Ehegatten bestellte Nießbrauch, beruhe auf einem einzigen Schuldgrund und beziehe sich auf eine Immobilie, habe einen einzigen Gläubiger, nämlich den jeweiligen Übergeber, und zwei Schuldner, den jeweiligen Übernehmer. Der Vorgang sei einer Sukzessivberechtigung vergleichbar. An einer differenzierten grundbuchlichen Darstellung bestünde kein Interesse des Rechtsverkehrs.

Das Grundbuchamt hat unter Verweis auf die Gründe des Zurückweisungsbeschlusses nicht abgeholfen.

II. Die gegen die Zurückweisung des Eintragungsantrags nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 71 Abs. 1 GBO statthafte und auch im Übrigen zulässige (§ 73 GBO, § 10 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 FamFG) Beschwerde der Antragsberechtigten (§ 13 Abs. 1 Satz 2 GBO) hat in der Sache keinen Erfolg.

Es kann dahinstehen, ob ein Nachrücken des Längerlebenden in die Nießbrauchsposition des Erstversterbenden kraft Sukzessivnachfolge möglich ist oder ob der aufschiebend bedingte Nießbrauch des Längerlebenden als selbstständiges dingliches Recht neben den auflösend bedingten Nießbrauch des Erstversterbenden tritt. Die begehrte Eintragung ist jedenfalls deshalb nicht zulässig, weil die Bewilligung unklar und in sich widersprüchlich ist und ein eindeutig...

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