Leitsatz (amtlich)
Der Gläubiger eines Buchgrundpfandrechts ist unbekannt i.S.v. § 1170 BGB, wenn infolge seiner Eintragung vor über 110 Jahren die Identität des eingetragenen Gläubigers nicht geklärt ist und auch nicht mehr ermittelt werden kann, wer seine Erben geworden sind.
Normenkette
BGB § 1170; FamFG § 449
Verfahrensgang
AG München (Beschluss vom 03.08.2012; Aktenzeichen 205r UR II 78/12) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten wird der Beschluss des AG München vom 3.8.2012 aufgehoben und das AG angewiesen, das beantragte Aufgebotsverfahren durchzuführen.
Gründe
I. Die Antragstellerin, eine Immobiliengesellschaft, ist aufgrund Auflassung im Jahr 2011 im Grundbuch als Eigentümerin eines Grundstücks eingetragen.
In Abteilung III des Grundbuchs sind mit Eintragungsdatum vom 27.3.1898 jeweils für "Gruber Franz, Zimmerer, München" unter Nr. 1 eine Hypothek ohne Brief im Betrag von 750 Goldmark (GM) und unter Nr. 2 eine aufgewertete altrechtliche Sicherungshypothek im Betrag von 75 GM eingetragen. Die im Grundbuchamt verwahrten zugehörigen Bewilligungsurkunden wurden bei einem Fliegerangriff am 17.12.1944 vernichtet. Ein Grundbuchauszug anlässlich einer Umschreibung aus dem Jahr 1939 nennt als Datum der Bewilligungsurkunde den 26.3.1898 und die Urkundennummer 911 des Notars Sch.. Im Staatsarchiv liegt als Urkunde Nr. 911 aus dem Jahr 1898 des Notariats Sch. allerdings die Bewilligung einer Briefhypothek über "3000 M" für einen Johann Moser ein.
Die Erben des Franz Gruber konnten nicht ermittelt werden. Ein Geburtsdatum des früheren Gläubigers Franz Gruber ist nicht bekannt, sondern wird auf 1877 oder früher vermutet. Anfragen zu Erben des Franz Gruber an das Nachlassgericht München blieben ohne Ergebnis, da ohne Angabe eines Sterbejahres kein Vorgang ermittelt werden kann. Nach Auskunft des Stadtarchivs unter Hinweis auf das vermutete Geburtsjahr 1877 (oder früher) kommen für die Geburtsjahrgänge 1870 bis 1877 mehrere Personen in Betracht, so dass ohne weitere Informationen keine Auskunft zur möglichen Identität Franz Grubers erfolgen kann.
Unter dem 10.4./12.4.2012 hat die Beteiligte beantragt, nach Durchführung des Aufgebotsverfahrens die unbekannten Hypothekengläubiger auszuschließen. Diesen Antrag hat das AG am 3.8.2012 zurückgewiesen, da bei Buchhypotheken ein dauerndes Unbekanntsein des Gläubigers nicht denkbar sei. Dass die Erben in tatsächlicher Hinsicht unbekannt seien, genüge i.S.v. § 1170 BGB nicht. Zumindest könne eine Nachlasspflegschaft beantragt werden.
Gegen die am 8.8.2012 zugestellte Entscheidung wendet sich die am 7.9.2012 eingegangene Beschwerde der Beteiligten vom 4.9.2012, der das AG nicht abgeholfen hat.
II. Das Rechtsmittel erweist sich als erfolgreich.
1. Da für das Aufgebotsverfahren gem. § 1170 BGB nach § 447 Abs. 1 FamFG die Vorschriften des FamFG anzuwenden sind, ist gegen die Entscheidung des AG die Beschwerde nach § 58 FamFG statthaft. Die Beteiligte ist als Eigentümerin des belasteten Grundstücks gem. § 59 Abs. 1 FamFG beschwerdeberechtigt; denn es besteht die Möglichkeit, dass sie durch die Ablehnung des Erlasses eines Ausschließungsbeschlusses in ihren Rechten beeinträchtigt ist. Aufgrund ihres Antrags vom 10.4./12.4.2012 liegen auch die Voraussetzungen des § 59 Abs. 2 FamFG vor.
Die Beschwerde ist schließlich form- und fristgerecht durch den verfahrensbevollmächtigten Notar erhoben (§ 10 Abs. 2 Nr. 3 FamFG, § 63 Abs. 1 und 3, § 64 Abs. 1 und 2 FamFG).
2. Die Beschwerde ist auch begründet.
Ein Antrag durch den Eigentümer des belasteten Grundstücks (§ 448 FamFG) liegt vor. Mit der Antragstellung wurde gem. § 450 Abs. 1 FamFG durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht, dass eine das Aufgebot ausschließende Anerkennung des Rechts des Gläubigers nicht erfolgt ist. Seit der letzten sich auf die Hypotheken beziehenden Eintragung im Grundbuch am 27.3.1898 sind über 10 Jahre verstrichen, § 1170 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Entgegen der Ansicht des AG hat die Antragstellerin auch gem. § 1170 Abs. 1 BGB, § 449 FamFG glaubhaft gemacht, dass der Gläubiger und daher auch zwangsläufig sein Rechtsnachfolger unbekannt sind.
a) Ein Grundpfandberechtigter ist in jedem Falle dann unbekannt i.S.v. § 1170 BGB, wenn seine Identität nicht zu klären ist (BGH NJW-RR 2004, 664/665; Rpfleger 2009, 325/326). Dies ist nicht nur bei Briefrechten, sondern auch im Fall von Buchpfandrechten denkbar (BGH, a.a.O.). Zutreffend führt das AG zwar aus, dass Buchrechte nicht außerhalb des Grundbuchs abgetreten werden und, weil sie jeweils einer natürlichen Person bestellt waren, nach deren Ableben auf andere Personen (Erben) gem. § 1922 BGB übergehen. Unzutreffend ist jedoch die Ansicht, dass nur die Erben unbekannt seien und daher eine Nachlasspflegschaft eingeleitet werden könne.
Wenn eine Mehrzahl von Personen als Erblasser in Betracht kommen, ist nicht nur die Identität des ursprünglichen Grundpfandgläubigers unbekannt, sondern zwangsläufig nicht festzustellen, wer gegebenenfalls deren Erbe geworden ist. Auch die Anordnu...