Leitsatz (amtlich)
Daraus allein, dass ein konkreter Mitbewerber gegen diverse, wenn auch gleich gelagerte Wettbewerbsverstöße verschiedener Antragsgegner vorgeht, kann ein Rechtsmissbrauch i.S.d. § 8 Abs. 4 UWG nicht gefolgert werden.
Normenkette
UWG § 8 Abs. 4
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 29.08.2006; Aktenzeichen 33 O 15075/06) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des LG München I vom 29.8.2006 aufgehoben.
Dem Antragsgegner wird bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000 EUR, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken für Fernabsatzverträge mit niedrigeren als den tatsächlich verlangten Versandkosten zu werben.
II. Der Antragsgegner hat die Kosten beider Instanzen des Verfügungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten des Beschwerdeverfahrens 29 W 2678/06 zu tragen.
III. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens 29 W 2905/06 wird auf 30.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des LG München I vom 29.8.2006, mit dem der Antrag der Antragstellerin vom 17.8.2006 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen wurde, ist zulässig (§ 567 Abs. 1 Nr. 2, § 569 ZPO) und begründet. Der Antragstellerin stehen sowohl ein Verfügungsanspruch als auch ein Verfügungsgrund zur Seite.
1. Der Antrag der Antragstellerin vom 17.8.2006 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung kann - entgegen der Auffassung des LG - nicht als rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig i.S.v. § 8 Abs. 4 UWG eingestuft werden. Allerdings kann die Rechtsverfolgung in jeweils getrennten Verfügungsverfahren gegen mehrere Unterlassungsschuldner, die eine gemeinschaftliche Werbeanzeige geschaltet haben, rechtsmissbräuchlich sein, wenn diese einen einheitlichen Gerichtsstand haben und durch denselben Rechtsanwalt vertreten werden, weil dadurch im Vergleich zu einer streitgenössischen Inanspruchnahme eine höhere Kostenbelastung entsteht (vgl. BGH, Urt. v. 11.5.2006 - I ZR 79/03 = Beck RS 2006 Nr. 06769 - Alles muss raus!; BGH v. 17.11.2005 - I ZR 300/02, BGHReport 2006, 383 = MDR 2006, 585 = GRUR 2006, 243, 244, Rz. 15 bis 21 - MEGA SALE). So liegt der Fall hier indes nicht. Es ist nicht ersichtlich - das LG hat hierzu auch keine Feststellungen getroffen -, dass es sich bei den von der Antragstellerin bzw. anderen Unternehmen, die zum selben Konzern wie die Antragstellerin gehören, beanstandeten Werbeaussagen um gemeinschaftliche Werbeaussagen der verschiedenen Antragsgegner handelt. Daraus allein, dass ein konkreter Mitbewerber gegen diverse, wenn auch gleich gelagerte Wettbewerbsverstöße verschiedener Antragsgegner vorgeht, kann ein Rechtsmissbrauch i.S.d. § 8 Abs. 4 UWG nicht gefolgert werden (ebenso OLG München, Beschl. v. 12.12.2006 - 6 W 2908/06 unter Nr. 4 der Gründe).
2. Die Antragstellerin hat die Voraussetzungen für einen Verfügungsanspruch nach § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 5, § 3 UWG hinreichend glaubhaft gemacht. Der Antragsgegner hat ausweislich der Anlage JS 1 am 4.8.2006 unter "pr.de" für das Fernsehgerät Pa. mit Versandkosten "ab 14" EUR geworben, wohingegen er ausweislich der Anlage JS 2 unter www.k.com für Lieferungen von 30-40 kg 50 EUR Versandkosten einschließlich einer Nachnahmegebühr i.H.v. 5 EUR berechnet; das Fernsehgerät Pa. wiegt, wie mit der Anlage JS 3 hinreichend glaubhaft gemacht ist, verpackt 39 kg. Bei der unzutreffenden Angabe der Versandkosten in Anlage JS 1 handelt es sich um eine relevante Irreführung i.S.v. § 5 UWG (vgl. BGH, Beschl. v. 3.12.1998 - I ZR 125/98 = MD 1999, 135 - Versandkosten), mit der ein Anlockeffekt verbunden ist; auch eine derartige Irreführung wird von § 5 UWG erfasst (vgl. Bornkamm in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 24. Aufl., § 5, Rz. 2.192; 2.193). Ohne Erfolg macht der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 18.12.2006 i.V.m. der eidesstattlichen Versicherung vom 15.12.2006 geltend, er habe die korrekten Versandkosten i.H.v. 45 EUR dem Betreiber der Preissuchmaschine übermitteln lassen, der diese jedoch nicht in sein System eingepflegt habe. Der Antragsgegner haftet für das Handeln des von ihm beauftragten Preissuchmaschinenbetreibers nach § 8 Abs. 2 UWG.
3. Ein Verfügungsgrund ist gegeben. Die Dringlichkeit wird vermutet (§ 12 Abs. 2 UWG). Die Vermutung ist im Streitfall nicht widerlegt. Der beanstandete Internetauftritt datiert vom 4.8.2006. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist am 21.8.2006 bei den Justizbehörden in München eingegangen (Bl. 1). Die Einreichung des Ablehnungsgesuchs vom 2.9.2006 und die Durchführung des Beschwerdeverfahrens betreffend die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs können aus Rechtsgründen nicht als dringlichkeitsschädlich eingestuft werden. Denn mit dem Institut der Ableh...