Leitsatz (amtlich)
Die Vorschriften über die Aussetzung des Verfahrens bei Tod eines Beteiligten gem. § 246 ZPO gelten auch für das selbständige Beweisverfahren.
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 25.06.2003; Aktenzeichen 2 OH 7997/99) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners zu 3) wird der Beschluss des LG München vom 25.6.2003 in Ziff. 1. aufgehoben.
II. In Richtung des Antragsgegners zu 3) wird die Aussetzung des selbständigen Beweisverfahrens angeordnet, § 246 ZPO.
III. Die weiter gehende Beschwerde wird als unbegründet zurückgewiesen.
IV. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Gründe
I. In dem gegenständlichen selbständigen Beweisverfahren begehrt die Antragstellerin die Feststellung von Baumängeln. Mit Schreiben vom 12.6.2003 teilte der Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners zu 3) mit, dass sein Mandant am 1.6.2003 verstorben sei und beantragte die Aussetzung des Verfahrens gem. §§ 239, 246 ZPO. Mit Beschl. v. 25.6.2003 wies das LG München I den Antrag zurück mit der Begründung, dass die §§ 239, 246 ZPO im selbständigen Beweisverfahren nicht gälten. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners zu 3).
II. Die zulässige Beschwerde ist zum Teil begründet.
1. Die Frage, ob die §§ 239 f. ZPO auf das selbständige Beweisverfahren anwendbar sind, ist umstritten (bejahend Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., vor § 239 Rz. 1; Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl., vor § 239 Rz. 8, jew. m.w.N.)
Der Senat hat sich mit Beschl. v. 21.12.2001 (OLG München, Beschl. v. 21.12.2001 – 13 W 2641/01, NJW-RR 2002, 1053) im Falle des § 240 ZPO (Unterbrechung durch Insolvenzverfahren) für die Anwendung dieser Vorschriften auch auf das Beweissicherungsverfahren entschieden. Er hat argumentiert:
a) § 240 ZPO sei nach seiner systematischen Stellung auch auf das selbständige Beweisverfahren anwendbar.
b) Das selbständige Beweisverfahren sei nicht eilbedürftiger als das Arrestverfahren, auf das §§ 239 f. ZPO nach allgemeiner Meinung schon anwendbar seien.
c) Den Beteiligten entstehe durch die Unterbrechung kein Nachteil.
d) Es trete kein langes Stadium ein, in dem Beweisverlust drohe, da die Antragsteller die Wiederaufnahme beantragen könnten.
An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch im Falle des Todes eines Beteiligten fest. Insbesondere besteht keine grundlegend andere Situation als im Falle des Todes einer Partei im allgemeinen streitigen Verfahren. Zweck der Aussetzung nach § 246 ZPO ist es, dem Prozessbevollmächtigten Zeit zu geben, sich Anweisungen und Vollmacht der Erben zu beschaffen. Hinzu kommt, dass das Argument der Eilbedürftigkeit des selbständigen Beweisverfahrens regelmäßig nicht greift. Erfahrungsgemäß sind die Fälle, in denen tatsächlich ein Verlust des Beweismittels droht (§ 485 Abs. 1 ZPO), sehr selten. Hauptanwendungsfälle sind die des § 485 Abs. 2 ZPO, in denen eine besondere Eilbedürftigkeit nicht vorausgesetzt wird. Das zeigt auch das vorliegende, bereits 4 Jahre dauernde Verfahren.
2. Auf Antrag des Beschwerdeführers war die Aussetzung anzuordnen, da das Gericht insoweit kein Ermessen hat.
Die Aussetzung kann sich aber nur auf den Prozessbevollmächtigten des verstorbenen Beteiligten bzw. auf dessen Erben beziehen, weil auf der Antragsgegnerseite mehrere Beteiligte nebeneinander stehen und damit wie Streitgenossen zu behandeln sind. Der Tod eines Streitgenossen unterbricht aber nicht den Prozess der anderen Streitgenossen (Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., § 231 Rz. 2; § 61 Rz. 10; § 62 Rz. 18). Das Verfahren kann daher i.Ü. fortgesetzt werden. Soweit ohne Beteiligung der Erben des Antragsgegners zu 3) über die bereits vorliegenden Beweiserhebungen weitere Beweise erhoben werden, können ihnen ggü. diese Beweise im Streitverfahren nicht entgegengehalten werden, § 493 Abs. 2 ZPO; dies gilt nicht für die bis jetzt vorgenommenen Beweiserhebungen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92, 97 ZPO, da die Beschwerde das verfolgte Ziel nur zum Teil erreicht hat.
Dr. Gremmer
RiOLG
Fundstellen
Haufe-Index 1108313 |
BauR 2004, 533 |
MDR 2004, 170 |
OLGR-MBN 2004, 39 |
www.judicialis.de 2003 |