Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurückweisung einer Kündigungserklärung wegen fehlender Vorlage einer Vollmachtsurkunde
Leitsatz (amtlich)
1. Schließt der vom Verkäufer hierzu Bevollmächtigte einen Grundstückskaufvertrag ab, in dem der Käufer bevollmächtigt wird, vor Eigentumsübergang das Grundstück betreffende Mietverträge zu kündigen, so ist die vom Käufer ausgesprochene Kündigung eines solchen Mietvertrages, der lediglich die notarielle Ausfertigung des Kaufvertrages und eine beglaubigte Abschrift der Vollmacht des von dem Verkäufer Bevollmächtigten beigefügt ist, unwirksam, wenn der Kündigungsempfänger die Kündigung aus diesem Grund unverzüglich zurückweist.
2. Dem Schutzzweck des § 174 BGB wird nicht dadurch genüge getan, dass die von dem Verkäufer dem Bevollmächtigten erteilte Vollmacht dem Notar bei Beurkundung des Vertrages vorlag und von diesem überprüft worden ist.
Normenkette
BGB §§ 172, 174, 286 Abs. 4; ZPO §§ 97, 522 Abs. 2, § 540 Abs. 1, § 543 Abs. 1, 2 Nr. 1, § 708 Nr. 10, § 711
Verfahrensgang
LG München I (Entscheidung vom 29.05.2019; Aktenzeichen 16 HK O 18173/18) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 29.05.2019, Az. 16 HK O 18173/18, wird einstimmig zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das in Ziffer I bezeichnete Endurteil des Landgerichts München I sowie dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten hinsichtlich der Freistellung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 4.200,00 EUR abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Im Übrigen kann die Klägerin die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
A. Die Parteien streiten um die Räumung eines Gewerbegrundstücks.
Die Beklagte betreibt auf dem Grundstück A. Straße 19 in M. ein Lebensmitteleinzelhandelsgeschäft.
Am 05.09.2005 schlossen die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die P. Warenhandelsgesellschaft mbH, und die seinerzeitige Grundstückseigentümerin, die C. PRO Immobilien GmbH den Mietvertrag laut Anl. K 2 (im Folgenden als MV bezeichnet) über das streitgegenständliche Grundstück. Das Mietverhältnis begann am 27.09.2006 und war auf 13 Jahre befristet (§ 4 Nr. S. 1 MV). Nach § 4 Nr. 3 MV ist der Mieter berechtigt, durch schriftliche Erklärung die Verlängerung des Mietverhältnisses zu den Bedingungen dieses Mietvertrages um fünf Jahre zu verlängern. Dieses Recht kann der Mieter drei Mal ausüben.
Der monatliche Mietzins beträgt 24.000,00 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer (§ 2 Nr. 1 Abs. 1 MV). Er ist monatlich im Voraus bis zum 5. Werktag eines jeden Monats zu entrichten (§ 2 Nr. 6 MV)
Mit notariellem Kaufvertrag vom 17.05.2018 (Anl. K 3, im Folgenden als KV bezeichnet) erwarb die Klägerin von der damaligen Eigentümerin P. Q. PropCo 1 S.a.r.l. (im Folgenden als P. bezeichnet) das streitgegenständliche Grundstück. Die P. wurde bei der Beurkundung des Kaufvertrages von Herrn Simon H. aufgrund einer Vollmacht vom 23.04.2018 vertreten.
Im Rubrum der Urkunde ist diesbezüglich ausgeführt:
"(...) erschienen Herr Simon H. (...) handelnd nicht in eigenem Namen, sondern als Vertreter (...) für die P. aufgrund Vollmacht vom 23. April 2018, die bei Beurkundung im Original vorlag und in Kopie, deren Übereinstimmung mit dem Original der Notar hiermit beglaubigt, dieser Urkunde beigesiegelt ist (...)."
Nach § 13.1.1 KV übernahm die Klägerin den Mietvertrag mit der Beklagten im Innenverhältnis zur Patrizia ab dem Übergabetag. Die P. trat mit Wirkung zum Übergabetag sämtliche ihr nach dem Mietvertrag mit der Beklagten entstehenden Ansprüche an die Klägerin ab (§ 13.1.2 KV).
§ 13.1.3 KV lautet:
"Der Verkäufer bevollmächtigt hiermit den Käufer, ab dem Übergabetag alle Rechte aus dem Netto-Mietvertrag geltend zu machen einschließlich des Rechts, Kündigungen auszusprechen und den Nettomietvertrag zu ändern und neue Mietverträge abzuschließen. Auf Wunsch und Kosten des Käufers wird der Verkäufer entsprechende schriftliche Vollmachten in vom Käufer gewünschter Anzahl in gesonderten Urkunden erteilen."
Die Übergabe des streitgegenständlichen Grundstücks von der P. an die Klägerin erfolgte zum 01.08.2018.
Am 05.12.2018 wurde die Klägerin als Eigentümerin ins Grundbuch eingetragen.
Mit Schreiben vom 10.08.2018 (Anl. B 1) teilte die Klägerin der Beklagten den Erwerb der Liegenschaft und den Besitzübergang mit und kündigte an, nach Eintragung im Grundbuch der Beklagten eine neue Dauerrechnung zu übersenden.
Ab September 2018 stellte die Beklagte die Mietzinszahlungen an die P. ein, zahlte aber auch an die Klägerin keine Miete.
Mit Schreiben vom 14.11.2018 (Anl. K 6) sprach die Klägerin - namens und in Vollmacht der P. - unter Berufung auf den Verzug der Beklagten mit der Zahlung der Mieten für ...