Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergabe einer Dienstleistungskonzession zur Stationierung und zum Betrieb von Rettungswagen
Leitsatz (amtlich)
1. Die Bereichsausnahme des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB gilt nur für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen zu Dienstleistungen, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden. Diese Regelung bedarf einer europarechtskonformen Auslegung dahingehend, dass als "gemeinnützig" jedenfalls nur solche Organisationen oder Vereinigungen anzusehen sind, bei denen eine Gewinnerzielungsabsicht fehlt.
2. Bei der Bemessung des Streitwertes eines Nachprüfungsverfahrens betreffend die Vergabe einer Dienstleistungskonzession ist regelmäßig auf die Summe des Angebots abzustellen, das der Antragsteller eingereicht hat. Bei einem Vertrag, der der Vergabestelle gestattet, seine Laufzeit über den fest vorgesehenen Vertragszeitraum hinaus weiter zu verlängern, ist der Verlängerungszeitraum für die Festsetzung des Streitwerts ebenfalls zu berücksichtigten. Die Ungewissheit, ob der Auftraggeber das Optionsrecht ausüben wird, ist mit einem angemessenen Abschlag (idR 50 %) vom vollen Auftragswert zu berücksichtigen, der rechnerisch während der optionalen Laufzeit erzielt werden könnte (ebenso BGH BeckRS 2014, 8155).
Normenkette
BayRDG Art. 13; GWB § 99 Nr. 1, § 107 Abs. 1 Nr. 4, §§ 155-156, 160 Abs. 2, § 170 Abs. 1 Nr. 4, § 172 Abs. 2, § 178; KonzVgV § 13 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Vergabekammer München (Beschluss vom 10.05.2019; Aktenzeichen Z3-3-3194-1-50-12/18) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Beigeladenen und des Antragsgegners wird der Beschluss der Vergabekammer Südbayern vom 10.05.2019, Az. Z3-3-3194-1-50-12/18 in Ziff. 1, Ziff. 2 und Ziff. 4 aufgehoben und der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin vom 21.12.2018 zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer und des Beschwerdeverfahrens.
3. Die Antragstellerin trägt die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des Beigeladenen im Beschwerdeverfahren und im Verfahren vor der Vergabekammer sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners im Verfahren vor der Vergabekammer.
4. Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten durch den Antragsgegner und den Beigeladenen für das Verfahren vor der Vergabekammer wird für notwendig erklärt.
5. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 150.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsgegner beabsichtigt, zwei Dienstleistungskonzessionen zur Stationierung und zum Betrieb von Rettungswagen an Standorten im Rettungsdienstbereich Straubing zu vergeben. Eine europaweite Bekanntmachung erfolgte im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vom 15.09.2018. Streitgegenständlich ist nur das Los 2 betreffend den Standort A.-G.. Bezüglich dieser Dienstleistungskonzession hatte der Antragsgegner bereits zuvor ein Vergabeverfahren eingeleitet, dieses aber aufgrund einer Rüge der hiesigen Antragstellerin wieder aufgehoben.
In Ziff. III 1.4.) der aktuellen Bekanntmachung vom 15.09.2018 ist ausgeführt, dass unter Ziff. 12 a) und c) und Ziff. 13 der Bewerbungsbedingungen die "Teilnahmebedingungen/Mindestanforderungen" im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 1 KonzVgV benannt seien. Teil A der Bewerbungsbedingungen führt in Ziff. 12 a) am Ende aus: "Als weitere Teilnahmebedingungen/Mindestanforderungen i.S. des § 13 Abs. 1 Nr. 1 KonzVgV gilt: auf der ersten Stufe werden zudem Angebote ausgeschlossen, deren Konzepte für die Notfallrettung nicht erkennen lassen, dass die Mindestbedingungen der Leistungsbeschreibung (s. dazu näher Teil B, dort Ziff. 2 ff) erfüllt werden". In Teil B (Leistungsbeschreibung) Ziff. 4 a) wird Folgendes gefordert: "Der Standort ist innerhalb des Versorgungsbereiches der Rettungswache Hengersberg zu wählen. Der Stellplatz soll im Landkreis Deggendorf, hier im Ortsteil G., A., errichtet werden. Die Erfüllung der oben ... genannten Mindestbindungen zum Standort ist insbesondere unter Adressangabe und Beschreibung des genauen Standorts im Konzept Notfallrettung darzustellen ... Weiter ist die Verfügbarkeit des betreffenden Standorts für den Bieter bzw. die Bietergemeinschaft beispielsweise durch Vorlage eines Mietvertrags bzw. eines entsprechenden Vorvertrages zu belegen".
Die Antragstellerin und der Beigeladene reichten fristgerecht Angebote für das Los 2 ein.
Die Antragstellerin erklärte in dem Angebot, die Rettungswache auf dem Grundstück FINr. 5451 in G. errichten zu wollen. Ihrem Angebot fügte die Antragstellerin einen zwischen ihr und dem Grundstückseigentümer, Herrn ... geschlossenen "Vorvertrag über den Bau und die Vermietung einer Rettungswache" betreffend das fragliche Grundstück vom 15.10.2018 bei. In diesem "Vorvertrag" ist u.a. geregelt: "Die Vertragsparteien vereinbaren über die getroffene Vereinbarung Stillschweigen bis zur Verkündung des Ergebnisses der Ausschreibung über den Betrieb des Rettungsdie...