Leitsatz (amtlich)

1. Entscheidet ein Schiedsgericht ohne ausdrückliche Ermächtigung nach Billigkeitsgesichtspunkten anstatt eine Rechtsentscheidung zu fällen, begründet dies einen Verfahrensfehler, der eine Aufhebung des Schiedsspruchs rechtfertigt.

2. Eine nur konkludent erteilte Ermächtigung zu einer Billigkeitsentscheidung ist auch nachträglich im laufenden Schiedsverfahren nicht ausreichend.

 

Normenkette

ZPO § 1051 Abs. 3, § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d, § 1060 Abs. 2 S. 1

 

Tenor

I. Der Antrag des Antragstellers auf Vollstreckbarerklärung des am 31.1.2005 im schiedsrichterlichen Verfahren zwischen den Parteien ergangenen Schiedsspruchs wird abgelehnt.

II. Der Schiedsspruch vom 31.1.2005 wird aufgehoben. Die Sache wird an das Schiedsgericht zurückverwiesen.

III. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

IV. Der Streitwert wird auf 28.800 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsteller als Verpächter und der Antragsgegner als Pächter schlossen am 29.1.2003 einen Hofpachtvertrag über ein landwirtschaftliches Anwesen in D., Bayern. Der Pachtvertrag beinhaltet in § 14 eine Schiedsvereinbarung. Danach entscheidet über alle Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Pachtvertrag ein Schiedsgericht unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges. In der dem Vertrag anliegenden Schiedsvereinbarung ist geregelt:

"1. Über alle Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Hofpachtvertrag - auch über die Rechtswirksamkeit des Hofpachtvertrages oder einzelne seiner Bestimmungen - entscheidet unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges ein Schiedsgericht.

...

5. Die Parteien müssen vom Schiedsgericht mündlich gehört werden (rechtliches Gehör). Das Schiedsgericht bestimmt die Einzelheiten des Verfahrensgangs. Der Ort des Verfahrens wird vom Schiedsgericht bestimmt."

Nach einer zusätzlichen Vereinbarung in § 16 des Pachtvertrages ist der Pächter u.a. berechtigt, die Wohnung im Obergeschoss der Hofstelle unentgeltlich zu nutzen. Zwischen den Parteien kam es zu Streitigkeiten über die Wirksamkeit und Durchführung des Pachtvertrages. Der Antragsteller rief das Schiedsgericht an und machte geltend, dass er den Vertrag wegen arglistiger Täuschung durch den Antragsgegner angefochten, jedenfalls aber fristlos gekündigt habe. Der Antragsgegner bestritt die Berechtigung zur Anfechtung bzw. fristlosen Kündigung. Am 31.1.2005 erließ das Schiedsgericht, bestehend aus drei Schiedsrichtern, einen begründeten Schiedsspruch, in dem der Antrag, den Pachtvertrag insgesamt für unwirksam oder nichtig zu erklären, zurückgewiesen wurde (Ziff. 1). Zugleich entschied es, dass der Pachtvertrag unter neuen, vom Schiedsgericht ausgearbeiteten und detailliert aufgeführten Regelungen bis 31.3.2023 fortgesetzt werde, u.a. jedoch die Wohnung zum 30.9.2005 zu räumen und herauszugeben sei (Ziff. 2). Es folgen die Kostenentscheidung (Ziff. 3), eine Anlagenauflistung (Ziff. 4) sowie Organisatorisches (Ziff. 5).

Unter Vorlage des Schiedsspruchs im Original hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 4.3.2005 beantragt, den Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären. Der Antragsgegner hat dem Antrag widersprochen und seinerseits mit Schriftsatz vom 25.4.2005, eingegangen beim OLG spätestens am 28.4.2005, beantragt, den Schiedsspruch in den Ziff. 2 bis 5 aufzuheben. Zur Begründung macht er geltend, der Schiedsspruch sei eine Entscheidung, zu der das Schiedsgericht nicht befugt gewesen sei. Das Schiedsgericht habe sich eine eigene Rechtsetzungsmacht über die Parteien angemaßt, da es den Pachtvertrag völlig neu geregelt habe. Der Antragsteller hat beantragt, den Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruchs zurückzuweisen. Seiner Ansicht nach war das Schiedsgericht von den Parteien zu einer solchen Entscheidung ermächtigt, da die Parteien um einen Vergleichsvorschlag gebeten hätten. Hilfsweise hat er beantragt, die Sache an das Schiedsgericht zurückzuverweisen. Der Senat hat mit Beschl. v. 23.5.2005 die mündliche Verhandlung angeordnet.

II. 1. Für Anträge auf Vollstreckbarerklärung von in Bayern erlassenen Schiedssprüchen ist seit dem 1.1.2005 das OLG München zuständig (§ 1025 Abs. 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 5 ZPO i.V.m. § 8 der Gerichtlichen Zuständigkeitsordnung Justiz i.d.F. vom 16.11.2004, GVBl S. 471). Der streitige Schiedsspruch wurde in Bayern erlassen. Entscheidend hierfür ist der Sitz des Schiedsgerichts, § 1043 Abs. 1 ZPO. Eine ausdrückliche Vereinbarung hierzu liegt nicht vor. Die maßgeblichen Verhandlungen des Schiedsgerichts fanden am 8.7.2004 (mit Ortsbesichtigung) und 5.11.2004 (mit Zeugenvernehmung) in D. (Bayern) statt. Deshalb ist D. auch als Ort des Schiedsgerichts anzusehen (Zöller/Geimer, ZPO, 25. Aufl., § 1043 Rz. 1). Die Ortsangabe "G.-B." (Niedersachsen) im Schiedsspruch vor den Unterschriften der drei Schiedsrichter bezieht sich, bedingt durch den Wohnsitz des Schiedsrichter-Obmanns, nur auf den Ort der schriftlichen Abfassung. Er weist keinerlei Kriterien auf, die für die Ortsbestimmung gem. § 1043 Abs. 1 S. 3 ZPO bedeutsam sind.

2. Der Antrag auf Vollstreckbar...

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